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Die Fenstermontage mit/ohne Architekt und Planer

Mangelhaft trotz korrektem Einbau

Nur selten läuft ein Bauvorhaben völlig reibungslos ab. Vielfach stellen sich im Rahmen der Abwicklung oder auch zu einem späteren Zeitpunkt technische und juristische Fragen. Technik und Recht scheinen manchmal in einem Konflikt zu stehen. Vor allem fehlt ihnen aber oft die gemeinsame Sprache. Doch beide Bereiche sind keinesfalls unvereinbar. Sie stehen vielmehr in einem Wechselverhältnis. Sowohl Techniker als auch Juristen müssen für die je andere Seite Verständnis aufbringen. Viele Fragen lassen sich letztlich nur im Zusammenwirken beider Bereiche lösen. Verbunden werden die beiden Felder durch den Vertrag und die Vertragsbedingungen, etwa die VOB/B: Ein Bauvertrag stellt technische Anforderungen an den Auftragnehmer, die aber immer rechtlich eingebettet sind. Insbesondere im Fall der Mängelhaftung, also wenn die tatsächliche Leistung der erwarteten nicht entspricht.

Problemfall: Schimmel nach Fenstererneuerung

An einem Beispiel soll nachfolgend das Zusammenspiel gezeigt werden. Es geht um einen Fall, der sowohl den Techniker als auch den Juristen beschäftigt: In zwei Wohnungen eines größeren Objekts tritt Schimmelpilzbildung auf, nachdem die Fenster erneuert wurden.

Mieter und Vermieter streiten um die Verantwortung. Der Mieter mindert die Miete, der Vermieter wirft dem Mieter vor, die Schimmelbildung durch unzureichendes Lüften verursacht zu haben. Es wird ein Sachverständiger eingeschaltet, der das Objekt besichtigt und folgendes feststellt: Für das Gebäude mit 24 Eigentumswohnungen wurde 2011 ein Fensterbaubetrieb beauftragt, in zwei Wohnungen neue Fenster einzubauen. Bei dem Objekt handelt es sich um ein Wohnhaus aus den 60er Jahren mit sechs Etagen. Die Außenwand besteht aus mit Bimssteinen ausgemauerten Betonrippen und einer Betonplattenvorhangfassade.

Der Fensteraustausch war Bestandteil einer größeren Renovierung (Streichen der Wände, Verlegung von Laminat) und Sanierung (neue Duschwanne und neue Fliesen in den Bädern) der betroffenen Wohnungen. Vereinbart wurde, dass der Fensterbauer die Komplettleistung für die Fenstermontage übernehmen sollte: also Planung, Aufmaß und Austausch der Fenster, sowie – falls erforderlich – Beiputzarbeiten und Ähnliches. Der Hausverwalter hatte seinerseits keinen Planer eingeschaltet.

Eine Überprüfung des Wärmeschutzes der Außenwand, der Wärmebrücken oder der gegebenenfalls nötigen Lüftung (Lüftungskonzept) erfolgte nicht, da sich der Fensterbauer dafür nicht verantwortlich fühlte und sich mit diesen Fragen auch gar nicht auskannte.

Weder dem Hausverwalter noch den Mietern wurde nach der Sanierung eine Lüftungsanleitung für die Wohnung übergeben.

Was sagt der Gutachter?

Im Winter 2012 kam es zur Schimmelpilzbildung in einer der beiden Wohnungen (Nord-Ostseite, 6. OG) in Bad und Schlafzimmer. Der Gutachter stellte fest, dass im Bad der Betonsturz nicht ausreichend gedämmt war und der Luftwechsel der Wohnung nicht ausreichte, um die Feuchtelast aus der Wohnung heraus zu lüften. Im Schlafzimmer führte die Wärmebrücke an der Außenwandecke zum Dach zu Schimmelpilzbildung.

Der Gutachter fand ebenfalls heraus, dass ein ausreichender Wärmeschutz an den Wärmebrücken nicht vorhanden war. Auch der Luftwechsel zur Abfuhr der Feuchtigkeit war nicht ausreichend. Bei den vorgefundenen Bedingungen hätte die Wohnung pro Tag mindestens sechsmal gelüftet werden müssen. Da die Mieter sich wegen Berufstätigkeit tagsüber nicht in der Wohnung aufhielten, konnten sie eine Belüftung durch Öffnen der Fenster nicht sicherstellen.

Weiter wurde festgestellt, dass die Wohnung ausreichend beheizt wurde. Aufgrund dieses Gutachtens verlangte daraufhin der Hausverwalter vom Fensterbauer, die Kosten der Mietminderung, des Gutachters und Teile der erforderlichen Sanierung zu übernehmen, da ihm – als Verwalter – nicht mitgeteilt wurde, dass durch die Fenstererneuerung zusätzliche Maßnahmen zum Feuchteschutz bzw. zur Lüftung erforderlich gewesen wären. Wenn ihm dies bekannt gewesen wäre, hätte er entsprechende Maßnahmen in die Wege leiten können.

Für den Fensterbaubetrieb ist das nicht nachvollziehbar, da er seiner Meinung nach den Auftrag wie vereinbart vollständig korrekt abgewickelt habe.

Was sagt der Jurist?

An dieser Stelle tritt nun der Jurist auf den Plan. Anhand der Aussagen des Gutachters hat er zu prüfen, ob der Fensterbauer hier eine Pflicht verletzt hat und ob daraus eine Schadensersatzpflicht erwächst. Aus den Feststellungen des Gutachters ergibt sich zunächst, dass die Fenster selbst und deren Montage technisch einwandfrei sind. Die Probleme ergeben sich zum einen aus dem baulichen „Umfeld“: Es gibt im Bestand unzureichend gedämmte Wärmebrücken.

Zum anderen tritt die Schimmelbildung aufgrund des unzureichenden Lüftungsverhaltens der Bewohner auf. Ist der Fensterbauer für diese doch außerhalb seiner Leistung liegenden Umstände verantwortlich?

Der Fensterbauer ist verpflichtet, eine mangelfreie Leistung zu erbringen. Tut er dies nicht, arbeitet er also mangelhaft, haftet er ohne Verschulden auf Nacherfüllung (Korrektur des Mangels) oder Minderung, bei Verschulden auch auf Schadensersatz. Der Fensterbauer schuldet insoweit einen Erfolg. Als Erfolg kann hier eine auch nach dem Fensteraustausch risikolos bewohnbare Wohnung angesehen werden. Dieser Erfolg ist nicht eingetreten. Allerdings liegt das – wie dargestellt – nicht primär an der Leistung des Fensterbauers. Dennoch ist seine Leistung ursächlich für die aufgetretenen Probleme: Vor dem Austausch der Fenster kam es nicht zu Schimmelbildung, und mutmaßlich wird sich das Nutzerverhalten nicht geändert haben. Vielmehr waren die alten Fenster weniger dicht, sodass automatisch ein gewisser Luftaustausch gewährleistet war. Sie wiesen auch einen niedrigeren Wärmedämmwert auf, sodass die schon immer bestehenden Wärmebrücken nicht (in dem Maße) wirksam wurden. Durch die Arbeiten des Fensterbauers ist das bisher bestehende und funktionierende Gefüge gestört worden.

Worin besteht nun die Pflichtverletzung des Fensterbauers bzw. seine mangelhafte Leistung? Dem Fensterbauer war bekannt, dass von Seiten des Auftraggebers kein Planer eingeschaltet worden war.

Der Einbau von Fenstern ist eine technisch komplexe Angelegenheit, die über die rein handwerkliche Leistung hinaus geplant werden muss. Um eine insgesamt mangelfreie Leistung zu erhalten, müssen die Fenster entsprechend den Umgebungsbedingungen konzipiert und gegebenenfalls Begleitmaßnahmen getroffen werden. Zur Planung gehört die Beurteilung der bauphysikalischen Folgen einer Erneuerung der Fenster. Denn aufgrund der neuen Situation können bislang bauphysikalisch irrelevante Wärmebrücken zu den kältesten Stellen im Gebäude werden, und die natürliche Durchlüftung der Wohnung wird unterbunden. Daher muss

  • der Mindestwärmeschutz berechnet werden,
  • eine Berechnung von Wärmebrücken aus feuchtetechnischen Gründen erfolgen und
  • ein Lüftungskonzept erstellt werden, um festzustellen, ob und gegebenenfalls welche lüftungstechnischen Maßnahmen erforderlich sind.

Wozu der Fensterbauer verpflichtet ist

Dem Fensterbauer als Fachunternehmer muss die Problematik bekannt sein. Die Tatsache, dass der Einbau neuer Fenster die dargestellten bauphysikalischen Probleme mit sich bringen kann, ist seit Längerem bekannt. Das bedeutet nicht von vornherein, dass der Fensterbauer alle Berechnungen selbst anstellen muss. Allerdings dürfte das Lüftungskonzept in seinen unmittelbaren Bereich fallen, da die neuen Fenster die Luftdichtung erhöhen und die Fensterfugen prädestiniert sind, die erforderliche Lüftung sicherzustellen.

Der Fensterbauer muss jedenfalls die Randbedingungen abfragen – also gegenüber dem Auftraggeber die Frage des Mindestwärmeschutzes und der Wärmebrücken ansprechen. Insbesondere kann sich der Fensterbauer nicht damit entlasten, dass der Auftraggeber keinen Planer beauftragt habe. Vielmehr hätte der Fensterbauer auf Bedenken hinweisen und den Auftraggeber veranlassen müssen, ihm entsprechende Daten zur Verfügung zu stellen bzw. einen Planer/Sachverständigen mit den angesprochenen Fragen zu betrauen.

Da er dies versäumt hat, ist seine Leistung trotz handwerklich ordnungsgemäßer Ausführung mangelhaft. Die Folge ist die Haftung des Fensterbauers. Da das dargelegte Versäumnis auch zumindest fahrlässig gewesen ist, haftet er auch auf Schadensersatz.

Zum Schadensersatz gehören die Kosten der Schadensfeststellung (Gutachterkosten) und Folgeschäden (Mietminderung). Sanierungskosten hat er nur insoweit zu tragen, wie sie nicht ohnehin angefallen wären: Hätte der Auftraggeber aufgrund zutreffender Beratung eine Dämmung der Wärmebrücken veranlasst, wären diese Kosten auch bei mangelfreier Leistung des Fensterbauers angefallen. Auch Mehrkosten für Fenster mit Lüftungseinrichtungen sind nicht vom Fensterbauer zu erstatten, wenn sie bei ordnungsgemäßer Beratung auch vom Auftraggeber zu übernehmen gewesen wären. —

Über die Autoren

Jörg Brandhorst und Dr. jur. Reinhard Voppel sind beides Dozenten der Inoutic Fachakademie. Neben ihren themenspezifischen Fachseminaren veranstalten sie gemeinsam den Spezialworkshop „Technik und Recht: Zwei Welten treffen aufeinander“ zu Haftungsfragen. Weitere Informationen zur Inoutic Fachakademie finden sie unter http://www.inoutic.de/seminare

Jörg Brandhorst arbeitet als selbstständiger Planer, Bauphysiker und Sachverständiger für thermische Bauphysik, Innenraumschadstoffe und Schimmelpilze.

Dr. jur. Reinhard Voppel ist auf die zivilrechtlichen Aspekte rund um das Thema Bauen spezialisiert. Er ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht und Partner der Kanzlei, für die er seit 1994 tätig ist. Seine Schwerpunkte liegen in den Bereichen Vergaberecht, Vertragsrecht und dem Recht der Allgemeinen Geschäftsbedingungen.