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Nach Umstrukturierung wieder in der Erfolgsspur

Erfolgsrezept Mitarbeiterbteiligung

Irgendwie erinnert die Geschichte der Flachglas Wernberg GmbH aus dem oberpfälzischen Wernberg-Köblitz an den alten Baron Münchhausen, der sich durch kräftiges Ziehen am eigenen Haarschopf aus dem Sumpf befreite. „Es stellte sich für uns schlicht die Existenzfrage“, so Reinhold Herrmann, gemeinsam mit Holger Rexhausen Geschäftsführer des 1938 gegründeten Unternehmens. Als sich der damalige Eigentümer – ein britischer Konzern – 1999 aus dem Hochlohnstandort Deutschland zurückziehen wollte, war guter Rat teuer.

Viele Alternativen zur Schließung gab es nicht – und eine davon hieß Mitarbeiterkapitalbeteiligung. „Unsere Ziele waren klar“, so Herrmann. „Wir wollten in erster Linie die Arbeitsplätze sichern und wieder investieren.“

Nachdem die zunächst um Finanzierung gebetenen Banken abgewinkt hatten, wurde auf Initiative des Betriebsrates und der Gewerkschaft IGBCE ein Modell entwickelt, das aus Arbeitnehmern Eigentümer machen sollte. Dazu wurde das Werk zunächst mit Unterstützung des Pilkington-Konzerns in eine rechtlich selbstständige GmbH überführt. Dann wurde eine GbR gegründet. Unter ihrem Dach entstand eine Mitarbeiter-Beteiligungs-GmbH, die damit von der operativen Gesellschaft, der Flachglas Wernberg GmbH, getrennt agieren konnte.

Aus den liquiden Mitteln des Unternehmens wurde den Mitarbeitern ein Darlehen gewährt, mit dem der Kaufpreis an den damaligen Eigentümer beglichen werden konnte. Auf diesem Weg setzten sich die Mitarbeiter in den Besitz von 51 Prozent des Unternehmenskapitals. Damit wurden 560 von 618 Mitarbeitern zu gleichen Anteilen Gesellschafter der GbR und sogar 588 von ihnen zu stillen Gesellschaftern der Beteiligungs-GmbH.

Leistung lohnt sich

Zwei externe Fachleute vertreten im Aufsichtsrat die Interessen der unternehmerisch tätigen Arbeitnehmer. Sie wiederum stimmen sich mit einem neunköpfigen Beirat ab, der die aktuellen Themen aus dem Betrachtungswinkel der Mitarbeiter-Gesellschafter aufgreift und Entscheidungsprozesse vorantreibt. Die Entscheidungen selbst, und darauf legt Reinhold Herrmann großen Wert, werden auf diesem Weg ausschließlich nach wirtschaftlichen Kriterien durch die Geschäftsleitung des Unternehmens getroffen. Auf Gesellschafterversammlungen und Beiratssitzungen werden die Mitarbeiter zeitnah und ausführlich über sämtliche Entwicklungen ihres Unternehmens informiert.

Zugegeben, das Konzept sei etwas kompliziert, räumt der Firmenchef ein. Allerdings sei es niemals einfach, das ideale Modell einer Mitarbeiterbeteiligung zu finden. Was ihr also scheinbar zum Nachteil gereicht, ist dennoch ihre Stärke – die außerordentliche Flexibilität der Beteiligungsformen. „Natürlich mussten viele Hürden aus dem Weg geräumt werden“, sagt Herrmann. In erster Linie meint er dabei die außerordentlich schwierige und langwierige Integration der verschiedenen beteiligten Gruppen und Personen.

Auch die permanente Information sowie der damit verbundene stetige Interessenausgleich setze eine gewisse Hartnäckigkeit voraus. Das Geheimnis des Erfolges jedoch ist kurz erklärt: „Man muss sich im Kern bei seinem Konzept immer an den erwünschten Zielen orientieren.“

Möglicherweise war die vor fast zehn Jahren herrschende alternativlose Situation des Unternehmens, das zu den führenden Bauglas- und Schienenfahrzeugglasherstellern Europas gehört, ein weiteres Erfolgsgeheimnis.

Vor die Wahl gestellt, den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren oder aber in seinen Erhalt zu investieren, packten die meisten Arbeitnehmer ihren Haarschopf und zogen kräftig daran. Das Ergebnis: Nicht ein einziger Arbeitsplatz ging verloren. 620 Beschäftigte hat das Unternehmen heute, unter ihnen allein 49 Auszubildende.

Rund 22 Millionen Euro wurden allein in den vergangenen fünf Jahren vornehmlich in modernste Anlagen für Isolierglas, Verbund- und Einscheiben-Sicherheitsglas investiert. Der Umsatz stieg auf 68 Millionen Euro. Die Produkte des Unternehmens für Glasveredelungen aller Art aus der Oberpfalz findet man heute u.a. auf dem Flughafen München, im Lehrter Bahnhof in Berlin oder auch in so manchem Wolkenkratzer in Asiens Boom-Metropolen sowie in vielen Hochgeschwindigkeitszügen wie etwa dem ICE.

„Auch wenn unsere Mitarbeiter heute 51 Prozent des Unternehmenskapitals halten“, setzt Reinhold Herrmann hinzu, „sind wir aber beileibe keine Sozialveranstaltung. Wir setzen einfach andere Akzente“

Die Mitarbeiter-Gesellschafter sind nicht nur durch ihre Brieftasche an die Firma gebunden. Inzwischen kamen viele weitere Verbindungsseile dazu. Die Unternehmenskultur ist geprägt durch Offenheit, Transparenz und Information. In der Folge stiegen die Arbeitsmotivation, die Mitarbeiterbindung ans Unternehmen, die Einsatzbereitschaft, der Leistungswille.

Und wenn andernorts angesichts einer schlechten Auftragslage Weihnachtsgelder gekürzt und Arbeitszeitverlängerungen ohne Lohnausgleich angeordnet werden, beginnt bei den Oberpfälzer Glasveredlern erst einmal eine intensive Kommunikation. „Wenn Menschen wissen, worum es geht und welche Einflussmöglichkeiten sie selbst auf Entwicklungen haben“, sagt der Firmenchef, „dann ziehen sie mit.“ Der Beweis: In schlechten Zeiten entschieden sich seine Mitarbeiter für eine Arbeitszeitverringerung mit geringerer Vergütung als zuzulassen, dass die Personalkosten durch Entlassungen gesenkt wurden.

Heute, so der Firmenchef, stünde das Unternehmen besser da als jemals zuvor. Die Flexibilität des Beteiligungsmodells trägt Früchte, endlich auch finanziell. Zum Jahresende 2006 bekam jeder Mitarbeiter zusätzlich zu seinen 13 Monatsgehältern eine freiwillige Leistungsprämie ausgezahlt, einen Sonderbonus für die Arbeitnehmer. Jetzt steht eine Gewinnausschüttung nach dem Jahresergebnis von 2006 an, und erneut können die Mitarbeiter die Hand aufhalten, diesmal jedoch als Eigentümer. Alles in allem, rechnet Reinhold Herrmann vor, handelt es sich dabei insgesamt fast um ein 14. Monatsgehalt. Leistung und Einsatz sollten sich schließlich lohnen, sagt er, und wenn es dem Unternehmen gut gehe, müsse es den Mitarbeitern eben auch gut gehen.

Reinhard Myritz

Reinhard Myritz

! Info

Mitarbeiterbeteiligung
Wie das Prinzip der Mitarbeiterbeteiligung funktioniert und welche Kriterien dabei zu beachten sind, können Sie in der nächsten Ausgabe der GLASWELT, Heft 6/07, in der Rubrik Betrieb und Management lesen.

! Kontakt

Flachglas Wernberg GmbH

92533 Wernberg-Köblitz

Tel (0 96 04) 4 80

info@flachglas.de

https://www.flachglas.de/

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