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Karlsruher Sachverständigen Forum 2007

Volles Programm vor vollem Haus

Zum Karlsruher Sachverständigen Forum (KSF) 2007 hatten sich 113 Teilnehmer in der Gewerblichen Akademie für Glas-, Fenster- und Fassadentechnik Karlsruhe zur obligatorischen Fortbildung eingefunden. Neben der großen Mehrheit von Teilnehmern aus dem Glaserhandwerk waren auch Tischler, Schreiner, Metallbauer und Interessenten für das Amt des Sachverständigen nach Karlsruhe gekommen. Darüber freute sich in seiner Begrüßung Hauptgeschäftsführer Dr. Siegfried Melcher, der eine immer größer werdende Nachfrage nach sachverständiger Beurteilung im Bereich des Bauwesens und damit für die Notwendigkeit von Fortbildungen sieht.

Rechtsfragen für Sachverständige

Wie immer in Karlsruhe, begann die Tagung mit den Rechtsfragen für den Sachverständigen. Dieses Thema hatte Ursula ­Stange, stellvertretende Hauptgeschäftsführerin der Handwerkskammer der Pfalz, Kaiserslautern, unter das Motto „Aktualität“ gestellt. Speziell die Vergütungsfragen finden immer großes Interesse der Teilnehmer. So war neben der grundsätzlichen Einordnung von Fragen zu Fenstern, Türen und Toren, die als Vergütungsgruppe 5 bei Gerichtsgutachten mit 70 Euro pro Stunde vergütet werden, die Möglichkeit interessant, 75 Euro abrechnen zu können. Dann, wenn mit einer kritisierten Fenstermontage das Thema Schäden an Gebäuden lautet, welche die Gruppe 6 nach § 9 des JVEG bilden. Die klare Empfehlung lautet hier, in Zweifelsfällen sehr frühzeitig mit dem Gericht auch die Honorierung abzuklären. Rücksprache mit dem Gericht sei auch angesagt, wenn der Vorschuss sich als nicht ausreichend zeigt oder externe Stellen, etwa zu Materialuntersuchungen, eingeschaltet werden müssen. Haftungsfragen des Sachverständigen können nach dem derzeit in Beratung befindlichen Rechtsdienstleistungsgesetz zum Problem werden, das zukünftig Rechtsfragen, die als Nebenleistung eines Gutachtenauftrags anfallen, erlauben soll. Schon aus Neutralitätsgründen wird hier große Zurückhaltung empfohlen. Ein weiteres Problem schien sich nach dem 2. Justiz-Modernisierungsgesetz zu entwickeln. Danach konnten Parteien, die mit den Gutachten-Aussagen nicht zufrieden waren, dem Sachverständigen den Streit verkünden. Nach einem BGH-Urteil, wonach dies unzulässig sei, hat sich die Situation aber – zumindest was Gerichtsgutachten angeht – deutlich entspannt. Die Aussagen zu den einzelnen Bereichen wurden von Frau Stange jeweils mit neuen und neuesten Urteilen unterlegt.

Eine in den letzten Jahren mit steigender Häufigkeit auftretende Frage behandelte Lothar Steltz, Kalkar. Zur Beurteilung von Farbabweichungen bei Gläsern benannte er objektive und subjektive Ursachen wie Fehler oder Farbunterschiede in der Beschichtung, Farbunterschiede durch die Position der Beschichtung, durch unterschiedliches Basisglas, durch verformtes Isolierglas oder Spannungszustände im Glas sowie durch den Hintergrund oder Spiegelbilder oder auch unterschiedliche Blickwinkel. Eine wirkliche Beurteilung mit dem bloßen Auge ist nicht möglich; es verbleibt die Messung von Farbkoordinaten. Dabei sind Farbtoleranzen als zulässiger Abstand zum Sollwert als ΔE* = 3,0 in Europa als „state of the art“ anzusehen. Ein Wert, den auch die Beschichtungsfirmen als Sollwert anwenden. Die Frage nach der richtigen Scheibe im Fall von Glasreparaturen beantwortete Steltz mit einem Hinweis auf eine ihm vorliegende Datenbank mit ca. 800 Farbkoordinaten von Beschichtungen, die mit einer zur Verfügung gestellten Materialprobe einen Abgleich und damit in aller Regel die Bestellung einer passenden Beschichtung als Nachlieferung ermöglicht.

Glasermeister Dr. Peter Fensch, Luckau, erläuterte den Teilnehmern Ursachen und Analyse von Gießharz-Delaminierungen. Ausgehend von den sich als flächige Strukturen, Beulen, Trübungen, Ablösungen/Delaminierungen (Krähenfüße, Wurmfraß, Fischgräten) zeigenden Problemen, kam er zu den Ursachen. Diese können in der Produktion, aber auch in der Anwendung liegen. Neben unzureichender Bestrahlungsintensität, ungleichen Schichtdicken, zu hohem Kantendruck, verunreinigten Glasscheiben, Feuchteeinwirkungen etc., stellt mit ca. 80 % das Hauptphänomen eine Unverträglichkeitsreaktion von Polysulfid aus der 2. Dichtstoffstufe des Isolierglasrandverbunds mit der Gießharzschicht dar, das häufig gerade im Eckbereich der Gläser verschmiert wird. Mit einer Infrarot-Spektroskopie ist eine solche Nachweisführung möglich.

Komplizierte Lastermittlung

Durch die bauaufsichtliche Einführung der neuen Teile 4 und 5 der DIN 1055 Einwirkungen auf Tragwerke zu Beginn des Jahres 2007 hatte der letzte Vortrag des ersten Tagungstages absolute Aktualität. ­Peter Kasper, Gundelfingen, referierte das Thema Statik: Ermittlung von Wind- und Schneelasten nach neuem Bemessungskonzept gemäß DIN 1055 und versetzte damit viele Teilnehmer in eine Art Schockzustand. Ausgehend von der im Baurecht im Mittelpunkt stehenden Gefahrenabwehr, zu dem speziell die Regelwerke in der Bauregelliste und in der Liste der Technischen Baubestimmungen entsprechende Vorgaben enthalten, kam er zu den ständig sich fortentwickelnden Normen als Eurocodes bzw. DIN-Normen zu den Lastannahmen. Neben den vielen Neuausgaben von Normenteilen in den letzten Jahren kommt es zu der Problematik, dass für die Bauaufsicht das Stellen des Bauantrages für die Gültigkeit der neuen Vorgaben maßgebend ist, während nach VOB und BGB die Leistung den zur Zeit der Abnahme geltenden anerkannten Regeln der Technik entsprechen muss. Zudem ist sowohl die Ermittlung der in einer bestimmten baulichen Situation anzusetzenden Windlast, als auch die der Schneelast sehr viel komplizierter und damit aufwendiger geworden. So gibt es für den Wind nicht nur vier Windlastzonen mit jeweils unterschiedlichen Geschwindigkeitsdrücken sondern zusätzlich vier Geländekategorien und dabei auch noch sogenannte Mischprofile. Zudem sind je Gebäudeseite mehrere Bereiche mit unterschiedlichen Lastansätzen zu unterscheiden. Da machen auch die nach der DIN 1055-4 möglichen vereinfachten Annahmen die Sache nicht viel einfacher – durch dabei erhöhte Sicherheitsansätze wird ein Teil der Erleichterung gleich wieder aufgefressen. Wenigen Gebieten in Deutschland, in denen mit niedrigeren Windlasten zu rechnen ist, stehen sehr wesentliche Erhöhungen, insbesondere im Küstenbereich gegenüber. Auch für die Schneelast gibt es in der Norm neue Schneelastzonen und die Vorgabe von je Gebäudestandort über NN zu berechnende Bodenschneelasten. Dabei kommt zu einem Basiswert ein „zonaler Faktor“ und ein Höhenfaktor hinzu, wobei ein Mindestwert von 0,65 kN/m² anzusetzen ist. Da dem Bemessungskonzept wahrscheinlichkeitstheoretische Ansätze zugrunde liegen und mit der Akzeptanz einer gewissen Schädigung gerechnet wird, ist mit dem neuen Sicherheitskonzept nach DIN 1055-100 eine angemessene Zuverlässigkeit bzw. annehmbare Wahrscheinlichkeit anzusetzen. Dies ist eine deutliche Abkehr von der bisherigen Vorgehensweise mit dem Nachweis, dass vorgegebene Spannungen und Durchbiegungen einzuhalten sind – Verfahren, die sich aber noch in den bauaufsichtlichen Regeln der TRLV und TRAV finden. Jedenfalls setzte sich bei den meisten Teilnehmern die Erkenntnis durch, dass für derartig komplizierte Lastermittlungen Spezialisten, sprich Statiker oder bestimmte erfahrene Ingenieurbüros einzusetzen sind. Die von Kasper angebotenen EDV-Tools können für überschaubare Fälle wertvolle Hilfen sein.

CE-Zeichen für Fenster und Gläser

Nach dem Erscheinen der Produktnorm Fenster und Außentüren in 2006 konnte das Thema CE-Zeichen für Fenster nicht fehlen. Reiner Oberacker, Leiter der Technischen Beratung im Fachverband GFF Baden-Württemberg und Verantwortlicher für das fachliche Tagungsprogramm, brachte den Teilnehmern den Inhalt der Produktnorm nahe, indem die Leistungseigenschaften erläutert und die Möglichkeiten der jeweiligen Nachweisführung angesprochen wurden. Dabei wurde speziell über Tabellenablesung und die Größenübertragung berichtet. Zu den Voraussetzungen für eine CE-Kennzeichnung, nämlich das Vorhandensein einer werkseigenen Produktionskontrolle beim Hersteller und dem Vorliegen von Nachweisen für die produzierte Fenster-Konstruktion, wurde auf Möglichkeiten der Umsetzung und Unterstützungen durch die handwerklichen Verbände hingewiesen. Für Sachverständige sind die Normeninhalte deshalb besonders wichtig, weil die neuen Klassen, Bezeichnungen und Nachweise in sehr absehbarer Zeit in Ausschreibungen auftauchen dürften und speziell in der Anfangszeit Fragen und auch Streitigkeiten zu erwarten sind. Besonders wurde betont, dass in Deutschland die CE-Kennzeichnung neben dem CE-Zeichen selbst, der Nummer der Produktnorm, der Jahreszahl der Herstellung, dem Namen des Herstellers speziell die bauaufsichtlich geforderten Merkmale mit ihren Klassen oder Werten enthalten muss.

Zu CE-Zeichen für Gläser konnte Lutz Wiegand, Leiter des Technischen Kompetenzzentrums des Glaserhandwerks in Hadamar, auf ganze Tabellen mit harmonisierten EN-Normen zum Thema Glas im Bauwesen verweisen, für welche nicht nur die Koexistenzphase abgelaufen, sondern auch die Veröffentlichung im Bundesanzeiger erfolgt ist. Sein Hauptanliegen war aber der Hinweis, dass die deutsche Bauaufsicht vielfach mit den Regelungen der EN-Normen nicht zufrieden ist und im Rahmen der Bauregelliste zusätzliche Anforderungen stellt. Dies betrifft insbesondere die Werte der Biegezugfestigkeit von Gläsern, für die auf die „alten“ DIN-Normen, speziell die DIN 1249, zurückgegriffen wird. Auch europäisches ESG-H wird von der deutschen Bauaufsicht nicht anerkannt. Aus diesem Grund ist eine CE-Kennzeichnung, wie sie von den europaweit tätigen Glaskonzernen praktiziert und propagiert wird, für die Anwendung dieser Produkte in Deutschland nicht ausreichend. „Wer Gläser im Bau einbaut, muss nachweisen, dass die Anforderungen der Bauregelliste erfüllt sind“, so Wiegand. Damit ist bis auf Weiteres zusätzlich zur CE-Kennzeichnung auch das Ü-Zeichen erforderlich. Gerade in diesem unübersichtlichen Bereich werden Sachverständige zukünftig viel zu tun haben. Dazu bleibt es unerlässlich, die weitere Entwicklung der Bauregellisten genau zu verfolgen.

Von der Forschung …

Prof. Josef Schmid, Rosenheim, wurde als „Urgestein der Karlsruher Sachverständigen-Tagungen“ eingeführt. Er hatte das Thema Feuchtebelastungen von Fenstern und Möglichkeiten der Vermeidung mitgebracht. Zu diesem Thema gibt es neue Erkenntnisse und Lösungsvorschläge, zu denen aus einem laufenden Forschungsauftrag berichtet wurde. So zeigen sehr viele Gutachten Bauschäden durch Feuchte und Wasser in Fensterleibungen und noch stärker in Fensterfälzen, die Folge viel zu geringer Lüftungsraten bei den geforderten und üblich dichten Fenstern sind. Der in einer Reihe von Normen geforderte Mindestluftwechsel von 0,5 pro Stunde wird in der Praxis mit Raten von 0,1 bis 0,15 bei Weitem nicht erreicht. „Eine angemessene Luftwechselrate dem Nutzerverhalten zu überlassen, ist ein Irrweg“, so Prof. J. Schmid. „Der Luftwechsel muss geplant werden und eben nutzerunabhängig funktionieren. Nur so können Bauschäden, Reklamationen und unberechtigte Beschuldigungen des Fensterbauers verhindert werden.“ Er zeigte auf, dass selbst die vielfach propagierte Stoßlüftung „eigentlich nichts bringt“ und eine vom Nutzer unabhängige Grundlüftung von Verordnungen und Regelwerken gefordert werden müsse. Insofern werden derzeit Fensterbauer für Probleme zur Verantwortung gezogen, für die sie nichts können. Allerdings stehen diese in einer Hinweispflicht. Wirklich Abhilfe schaffen können die Hauptverantwortlichen, die Planer. Diese müssten neben den Anforderungen an die Energieeinsparung auch an die Gesundheit der Bewohner und den Erhalt der Bausubstanz denken, indem sie für Möglichkeiten für den Ausgleich des Überdrucks, der sich regelmäßig in oberen Bereichen von Wohnungen und Gebäuden einstellt, planerisch und baulich sorgen. Das angesprochene Forschungsprojekt soll den Erkenntnisgewinn in dieser Hinsicht fortsetzen.

Mit einem weiteren vielfachen Planungsmangel beschäftigte sich Prof. Dr. h.c. Klaus Layer, Leiter der Fenster-Akademie Karlsruhe. Sein Thema Zerstörungsfreie Schadensanalyse mit Thermografie führte das Publikum zu einem Ausflug in die Bauphysik, die vielfache Mängel und Schäden offenbare. Auch über die historische Entwicklung der IR-Physik konnte man etwas lernen. Mit den heutigen guten Thermografie-Kameras sind flächenhafte Temperaturinformationen mit sehr hoher Genauigkeit möglich. Sie ermöglichen darüber hinaus die Detektion von Feuchtetransportwegen. Da Feuchtigkeit Wärme transportiert, zeigen sich Durchfeuchtungen, z. B. in Holzteilen, durch unterschiedliche Temperaturen bzw. Wärmeleitfähigkeiten. Damit ist eine zerstörungsfreie und objektive Prüfung von Ausführungen verschiedenster Bauteile möglich.

… in die Praxis

Ein sehr beliebter Teil des KSF ist der Block: Aus der Praxis – für die Praxis; Sachverständige stellen interessante Fälle zur Diskussion. Dazu hatte Glasermeister Thomas Wagner, Magstadt, nicht nur einen Bericht, sondern auch Probescheiben mitgebracht. Mit Hilfe der Feuerwehr hatte er Steinwurfversuche durchgeführt, um zu simulieren, welche Schäden entstehen können, wenn Vögel Steine fallen lassen. Darauf gekommen war er, nachdem verglaste Vordächer mysteriöse punktförmige Schäden aufwiesen. Versuche aus verschiedenen Fallhöhen und mit verschieden schweren Kieselsteinen auf unterschiedliche Scheiben zeigten hoch interessante Ergebnisse auf.

Große Diskussionen über eine realistische Wertminderung wegen unterschiedlich großer Sprossenfelder in Fenstern hatte Glasermeister Martin Achstetter, Königheim, ausgelöst. Da die Abweichung nur bei sehr genauem Hinsehen zu erkennen war, hätte die Mehrzahl der Kollegen allenfalls einen geringen visuellen Mangel als gegeben gesehen. Trotz der angesprochenen Zielbaum-Methode zur Bewertung von Mängeln muss letztlich in solchen Fällen eine Einzelfallbetrachtung angestellt werden.

Glasermeister Kurt Preisendanz, Stuttgart, berichtete von einem hochwertigen Baudenkmal, in welches schlecht ausgeführte Denkmalfenster eingebaut wurden. Dabei war dem Auftraggeber angeblich nicht klar, dass mit Fenstern, die auf schmal und zierlich optimiert sind, nicht gleichzeitig höchste Wärme- und Schallschutz-Anforderungen erfüllt werden können.

Absturzsichernde Scheiben in einem Theater hatte Glasermeister Günter Hauswald, Grevenbroich, wegen einzelner Glasbrüche zu beurteilen. Da die punktgehaltenen Scheiben weder einer Technischen Regel noch den Anforderungen an die Sicherung gegen Absturz genügen, erfolgte eine entsprechende Information an den Betreiber, der – ganz anders als die versammelten Sachverständigen – keinen Grund für eine Veränderung der gefährlichen Situation sah.

Diskussion um Glasschäden

Eine längere Diskussion löste Glasermeister Germanus Berger, Neustadt/Weinstraße, mit einem Bericht über einen Glasbruch in der Füllung einer Haustüre aus. Da sich die Scheibe nicht einzeln austauschen ließ, weigerte sich die Versicherung, die Reparatur einschließlich umgebender Füllung zu übernehmen. Die Möglichkeiten der Reparatur, der Handhabung und der Unterstützung durch die einschlägigen Hersteller sind sehr unterschiedlich. Kein Verständnis hatten die Teilnehmer für das von einigen Herstellern in Haustüren noch angebotene Floatglas. In einem zweiten Fall von Berger zeigten in einem Neubau die äußeren Glasoberflächen fleckige Erscheinungen. Untersuchungen in einem Universitätsinstitut ergaben, dass Auswaschungen aus den umgebenden Putzflächen die eindeutige Ursache waren.

Gleich mehrere interessante Fälle hatte Glasermeisterin Monica Tittel, Stuttgart, mitgebracht. Dabei ging es um starke Kratzer auf ESG-Scheiben mit Alarmspinne, welche das unterschiedliche Verhalten von ESG-Oberflächen im Vergleich zum Floatglas unterstreichen, und im Wesentlichen durch das Reinigen der Scheiben verursacht wurden. Weiter ging es um den Verlust eines Fingers durch den Sturz in eine als absturzsichernde Drahtglasscheibe von einer vor ca. 40 Jahren in einer Brüstung ausgeführten Verglasung. Die Diskussion drehte sich um die Frage, ob nicht nur die zur Reparatur anstehende beschädigte Scheibe entsprechend dem aktuellen technischen Stand, sondern alle vergleichbaren Scheiben in dem Objekt ausgetauscht werden müssen. Dies wäre bei Bedrohung von Leben und Gesundheit der Fall. Eine allgemeine Umrüstpflicht ohne konkreten Anlass auf den jeweils gültigen Stand der Technik wird nirgends gefordert. Geradezu unverständliches Kopfschütteln rief ein weiterer Fall hervor, bei dem ein Wintergarten über Ebay ersteigert und mit unzähligen Montagemängeln aufgebaut wurde.

Glasermeister Eberhard Schmidt, Freiburg, berichtete von Montageproblemen in einem Fall, wo der Monteur nicht nur die Baustelle vorher nicht gesehen hatte, sondern erschwerende Bedingungen erst beim Ausbau der alten Fenster erkannt werden konnten. Da dies bei älteren Fertighäusern immer wieder der Fall sein kann, sind entsprechende Absprachen mit dem Auftraggeber dringend anzuraten.

Schließlich hatte sich Glasermeister Martin T. Lacher, Bisingen, mit einer undichten Holz-Alu-Fassade herumzuschlagen, bei der eine Demontage zur Feststellung der kritischen Stellen empfohlen wurde.

Softwarelösungen und Fenstermontage

Den dritten Tag des Forums eröffnete Norbert Wunderlich, Alsdorf. Mit seiner Vorstellung der „neuen Glastik-Software Standard 4.0 – Umsetzung der Anwendung der neuen Normen der Reihe DIN 1055 in ein EDV-Programm“ konnte er der theoretischen Einführung vom ersten Tag die konkrete Umsetzung anfügen. Seine Beispiele und ergänzenden Erläuterungen konnten den Frust über die Kompliziertheit der Ermittlung der Lasten deutlich abmindern, wozu auch ein Bedauern der Anwender durch den Referenten ob der schwieriger werdenden Aufgaben beitrug. Das vorgestellte Programm führt zielgerichtet durch die Anforderungen der neuen Normenteile und berücksichtigt bei der Lastermittlung die umfangreichen Vorgaben, nach deren Klarstellung die Glasdicken-Berechnung nur noch eine kleinere Übung darstellt.

Hoch interessante und informative Ausführungen und Beispiele hatte Eberhard Achenbach, Wardenburg, zum Thema Das Randverbundsystem bei Isolierglas – Gebrauchstauglichkeit, In-Verkehr-Bringen, Anwendbarkeit mitgebracht. Ausgehend von den Aufgaben des Randverbunds, den er als schwächstes Glied des Isolierglases bezeichnete, erläuterte der Referent die tatsächlichen vielfältigen Einflussgrößen. Für die mit 25 bis 30 Jahre anzusetzende Gebrauchsdauer von Isolierglas ist die Belastung des Randverbunds und dessen Ausführung entscheidend. Dazu kommt die Ausführung der Glasabdichtung und die Trockenheit des Glasfalzgrundes. Die Randentschichtung bei der Isolierglasherstellung wurde ebenso angesprochen wie Unverträglichkeiten mit Klötzen oder Dichtmaterialien. Ausdrücklich sieht Achenbach die Silikonfuge zur Glasabdichtung nicht als sogenannte Wartungsfuge. Probleme mit dem TPS-Randverbund wurden ebenso anhand von Fotos angesprochen wie Butyl-Unterbrechungen, die Dichtstoffüberdeckung am Abstandhalter oder ein vergrößerter Glaseinstand.

Wolfgang Jehl, ift-Rosenheim, stellte die neue Montage-Richtlinie vor und beantwortete unter der Überschrift Differenzierte Betrachtung der Fenstermontage – Muss immer der maximale Aufwand betrieben werden? die gestellten Fragen. Unter den Prämissen kostengerecht, fachgerecht, vertragsgerecht erläuterte er wesentliche Inhalte des jetzt von Glaserhandwerk, Tischlerhandwerk und den RAL-Gütegemeinschaften gemeinsam herausgegebenen neuen Leitfadens zur Montage. Dieses sehr umfangreiche Werk enthält spezielle Teile, die sich besonders an die Planer richten, um dem Ausführenden und Monteur richtige und geeignete Vorgaben zu machen. So verlangt laut Jehl ein umlaufend dichter Fugenanschluss auf der Innenseite jedenfalls ein Dichtsystem. Dieses kann aber je nach Einflussgrößen, z. B. Gebäudestandort, Einbausituation, Fensterkonstruktion, Anschlussausbildung und Nutzung unterschiedlich ausgeführt werden. Für geringe Belastungen kann dies auch eine Anputzdichtleiste sein, welche in den gezeigten Darstellungen immer einen Gewebestreifen für einen besseren Putzanschluss enthält. Für eine langjährige Haltbarkeit und einen optisch einwandfreien Putzanschluss muss das Dichtsystem eine dreidimensionale Bewegungsaufnahme ermöglichen. Mit einer vom ift erarbeiteten Prüfrichtlinie wird eine bessere Bewertung und Vergleichbarkeit verschiedener Systeme erreicht und auch Aussagen zur Übertragbarkeit auf andere Fensterrahmenmaterialien möglich.

Hölzer für den Fensterbau

Die Beurteilung von Hölzern im Fensterbau unter besonderer Berücksichtigung von MerantiErsatzhölzern und alternativer Holzarten für Holz-Metall-Fenster lautete das abschließende Thema, das von Eicke Gehrts, Linden, vorgetragen wurde.

Er wies darauf hin, dass trotz explodierender Holzpreise die Beurteilungskriterien für Fensterholz, wie Rohdichte, natürliche Dauerhaftigkeit, Dimensionsstabilität, Feuchteausgleichsgeschwindigkeit beachtet werden müssen und die Holzartenliste des VFF-Merkblatts HO.06 zahlreiche geeignete Hölzer auflistet. Bei einigen als Meranti-Ersatz in der Vergangenheit angebotenen Hölzern hat es negative Erfahrungen gegeben, weshalb der Holzspezialist vor einem undifferenzierten Einsatz warnt. Für die neuerdings angebotenen modifizierten Holzprodukte für den Fensterbau fehlen derzeit Aussagen über die Konstanz der Eigenschaften. Dagegen können in geschützten Holzkonstruktionen, z. B. Holz-Metall-Fenstern, einige Innenausbauhölzer eingesetzt werden. Hierbei ist jedoch auf eine geringe Feuchtebelastung von der Raumseite her besonderes Augenmerk zu legen, was auch von Teilnehmern unterstrichen wurde.

Nach drei sehr vollen und intensiven Tagen verabschiedete Hauptgeschäftsführer Dr. Melcher die Teilnehmer mit einem besonderen Dank für die offene und produktive Atmosphäre. Die obligatorische Teilnehmer-Befragung ergab für die Durchführung zu über 90 % gute und sehr gute Bewertungen, der Gesamteindruck war lediglich für einen Teilnehmer „nicht wertvoll“ und auch die sonstigen Beurteilungen fielen für den Veranstalter positiv aus. Die nächste Sachverständigen-Tagung wird der BIV Glaserhandwerk vom 10. bis 12. April 2008 ausrichten.|

Reiner Oberacker

Autor

Dipl.-Wi.-Ing. Reiner Oberacker ist Leiter der Technischen Beratung im Fachverband Glas Fenster Fassade Baden-Württemberg, Karlsruhe.

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