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Beteiligung am Unternehmen motiviert Mitarbeiter und schafft in mancher Hinsicht Freiräume

Im Interesse aller Beteiligten

Die Debatte über das Für und Wider einer Beteiligung der Mitarbeiter am Produktivvermögen der Unternehmen ist in eine neue Runde getreten. Nach Bundespräsident Horst Köhler, setzen sich jetzt auch die Regierungsparteien im Deutschen Bundestag mit dem Thema auseinander und prüfen aktuelle Fördermöglichkeiten. Vielfach jedoch stößt das Thema in den Betrieben selbst auf Desinteresse oder gar Ablehnung. Dies ist umso unverständlicher, als Mitarbeiterkapitalbeteiligung anerkanntermaßen ein erfolgreiches Instrument der modernen Unternehmensführung ist. Ihre Stärke ist die große Variantenbreite der Beteiligungsmodelle. Bei richtigem Einsatz lassen sich Kapitalstruktur, Innovationskraft und Produktivität besonders in mittelständischen Betrieben nachhaltig verbessern.

Die Tatsache ist hinlänglich bekannt. Wirtschaftlich besonders erfolgreiche, mittelständisch geprägte Familienunternehmen beteiligen besonders häufig ihre Mitarbeiter an Gewinn und Kapital. Man kann es aber auch anders ausdrücken. Unternehmen mit einer Mitarbeiterbeteiligung sind erwiesenermaßen deutlich erfolgreicher als andere. Der Grund: Eine flexible, ertragsabhängige Lohngestaltung schafft während angespannter Zeiten Freiräume in den Unternehmen, während die Mitarbeiter in guten Phasen über Ertragslöhne und Gewinnbeteiligung überdurchschnittlich vom Unternehmenserfolg partizipieren. Wenn sich Leistung also erkennbar lohnt, steigt die Arbeitsmotivation. Die Identifikation mit dem Unternehmen und den Zielen der Unternehmensleitung wächst. Mitarbeiter denken mit und übernehmen freiwillig mehr Verantwortung. Die Innovationsquote des Unternehmens steigt und mit ihr die Wettbewerbsfähigkeit. Und in der Not lassen die „beteiligten“ Mitarbeiter ihr Kapital auch dann noch in „ihrem“ Unternehmen stecken, wenn die Banken ihre Kredite längst abziehen. Gerade für Familienbetriebe bieten Modelle der Mitarbeiterbeteiligung also eine Fülle von Chancen, ihre Kapitalbasis zu erhöhen und die Kontinuität ihres Unternehmens auch über Generationen hinweg zu sichern. Deutsche Arbeitnehmer müssten also angesichts der Fülle von Vorteilen doch samt und sonders längst „Kapitalisten“ sein und damit im Besitz großer Teile des Produktivkapitals der Betriebe. Weit gefehlt. Rund 3600 Unternehmen mit etwas mehr als zwei Millionen Beschäftigten haben nach Berechnungen der Arbeitsgemeinschaft Partnerschaft in der Wirtschaft (AGP) in der einen oder anderen Form ein Modell der Mitarbeiterkapitalbeteiligung eingeführt. Da gibt es neben Desinteresse und Gleichgültigkeit auch Ressentiments, Missverständnisse und Vorurteile ohne Zahl. Schließlich wissen viele Unternehmer ganz schlicht nicht, wie das denn eigentlich funktionieren soll. Hier schließt sich meist der Kreis, denn aus dieser Unkenntnis heraus erwachsen eben jene Befürchtungen vor besserwisserischen Angestellten, steigenden Kosten und einer überbordenden Bürokratie, vor juristischen Fußangeln und Grauzonen. Grundsätzlich lassen sich zwei Arten der materiellen Mitarbeiterbeteiligung unterscheiden.

Die Erfolgsbeteiligung

Die Erfolgsbeteiligung als Bestandteil des Lohns ist eine rein arbeitsrechtliche Regelung und deshalb einfach zu handhaben. Der Mitarbeiter erhält einen variablen Entgeltanteil auf der Grundlage exakt festgelegter Erfolgskriterien, z. B. Steigerung von Gewinn, Ertrag, Leistung oder Unternehmenswert. Alternativ bzw. ergänzend können auch individuelle Kriterien wie Mitarbeitergespräche oder eine Leistungsbeurteilung herangezogen werden. „Wichtig ist“, betont Stefan Fritz von der Gesellschaft für innerbetriebliche Zusammenarbeit (GIZ), „dass der Mitarbeiter Einfluss auf das jeweilige Kriterium hat und dieses auch erkennt.“

Die Kapitalbeteiligung

Die Kapitalbeteiligung dagegen geht weit über eine arbeitsrechtliche Regelung hinaus, denn hier beteiligen sich Mitarbeiter auf schuld- oder gesellschaftsrechtlicher Grundlage. Deshalb stellt eine Kapitalbeteiligung zwangsläufig höchste Ansprüche an eine partnerschaftliche Unternehmenskultur. Dazu gehören nicht nur eine offene Kommunikation und die Einbindung der Belegschaft in wichtige Unternehmensabläufe, sondern auch die Gewährung bestimmter Informations- und Mitwirkungsrechte. „Ohne eine solche immaterielle Beteiligung, die über das durch die gesetzliche Mitbestimmung festgelegte Mindestmaß hinausgeht, macht die Einführung einer Kapitalbeteiligung wenig Sinn“, warnt das nordrhein-westfälische „Projektbüro Mitarbeiterkapitalbeteiligung“.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, kann das Instrument der Kapitalbeteiligung eine Menge leisten. Mitarbeiter, die auch am Unternehmenskapital beteiligt sind, zeichnen sich in der Regel durch eine wesentlich höhere Arbeitsmotivation aus und sind damit produktiver. Der Produktivitätsvergleich ist nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) von 2001 eindeutig: In Westdeutschland liegt die Pro-Kopf-Wertschöpfung in Betrieben mit Beteiligung bei durchschnittlich 64 000 Euro. In den Firmen ohne Beteiligung sind es nur rund 40 600 Euro. In Ostdeutschland ist die Differenz zwar kleiner, aber statistisch ebenso nachweisbar. Als Ursachen für die bis zu einem Drittel höhere Produktivität der Beteiligungsunternehmen haben sie gleich mehre-re Wirkungsmechanismen ausgemacht. Die Beschäftigten in diesen Unternehmen:

  • haben eine höhere Bereitschaft, in firmenspezifisches Humankapital zu investieren sowie technologische und arbeitssparende Veränderungen zu akzeptieren,
  • machen sich Gedanken über Verbesserungen der Arbeitsprozesse und teilen diese auch mit,
  • zeigen mehr Sorgfalt im Umgang mit Material und Maschinen,
  • haben ein ausgeprägtes Kostenbewusstsein,
  • sind kollegialer und verbessern somit die Zusammenarbeit.

Hinzu kommen weitere erwünschte betriebliche „Nebenwirkungen“ wie eine sinkende Mitarbeiterfluktuation, weniger Fehlzeiten, ein besseres Betriebsklima und ein auf allen Ebenen verbesserter Informationsfluss. „Um nachhaltige Verhaltensänderungen zu erreichen, muss eine Veränderung unter die Haut gehen“, sagt AGP-Geschäftsführer Michael Lezius. „Und ich gehe noch einen Schritt weiter. Je größer das Risiko für den einzelnen Arbeitnehmer, desto nachhaltiger seine Verhaltensänderungen.“

Ziele und Motive

Es gibt also viele Gründe für einen Unternehmer, ein Beteiligungsmodell einzuführen. In jedem Fall sollte er sich ausführlich über seine Motive im Klaren werden. Die Mitarbeiterbeteiligung ist wie beispielsweise auch das Angebot der betrieblichen Weiterbildung ein wichtiger Baustein moderner Personalpolitik und damit ein entscheidendes Element moderner Unternehmensführung. Hier lassen sich gerade auf dem Gebiet der Mitarbeitermotivation und Mitarbeiterbindung viele Ziele erreichen. Finanzwirtschaftliche Ziele als Motiv für die Einrichtung eines Beteiligungsmodells sind bisher selten. Dies wird sich in den nächsten Jahren ändern, denn dem deutschen Mittelständler mit seiner traditionell geringen Eigenmittelausstattung fällt es zunehmend schwerer, Kredite zu bezahlbaren Konditionen zu erhalten. Mitarbeiterkapital-modelle führen dem Unternehmen zusätzliches Eigenkapital bzw. unabhängiges Fremdkapital zu. Sie stärken damit seine Kapitalbasis und erweitern seine finanziellen Spielräume. Vor dem Hintergrund der gewachsenen Anforderungen der Kreditwirtschaft (vor allem das Rating im Zuge von Basel II) gewinnt dieser Aspekt an Gewicht. Das Modell der Kapitalbeteiligung als alternatives Finanzierungsinstrument ist deshalb doppelt interessant. Zum einen fließt frisches Kapital ins Unternehmen, das nicht auf dem freien Kapitalmarkt akquiriert werden muss. Zum anderen erhöht sich die Eigenkapitalquote und verschafft dem Unternehmen so mehr Bonität und eine höhere Kreditwürdigkeit.

Schließlich gewinnt die Kapitalbeteiligung auch angesichts der sinkenden Rentenerwartungen für die Mitarbeiter an Bedeutung, denn auf diesem Weg können sie sich eine zusätzliche Einkommensquelle erschließen. Dabei gilt es jedoch sauber zu unterscheiden. Mitarbeiterkapitalbeteiligung und Altersvorsorge sind, auch wenn sie über eine gemeinsame Schnittmenge verfügen, zwei unterschiedliche Themenkreise: Wer sich am Kapital eines Unternehmens beteiligt, geht zwangsläufig ein Risiko ein – die klassische Altersvorsorge ist meistens als risikoarme Anlage konstruiert.

Beteiligungsmodelle

In der Praxis gleicht kein Fall dem anderen. Dennoch gibt es einige Grundformen mit entsprechenden Konsequenzen u.a. auf die Informations-, Kontroll- und Mitwirkungsrechte der Arbeitnehmer im Unternehmen. Bevor ein Unternehmen seine Mitarbeiter am Kapital beteiligt, muss deshalb geklärt werden, ob die Beteiligung als Eigenkapital, als Fremdkapital oder als eine Mischform aus beiden angelegt sein soll?

Die Beteiligung am Eigenkapital reicht am weitesten in die Beziehungen zwischen Mitarbeiter und Unternehmen hinein, denn Eigenkapital steht dem Unternehmen dauerhaft zur Verfügung, ist vollständig an Gewinn und Verlust beteiligt, haftet bis zur Höhe der Einlage für die Unternehmensverbindlichkeiten und räumt den Mitarbeitern Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte ein. Die Beteiligung am Fremdkapital bindet die Mitarbeiter dagegen weniger eng ans Unternehmen, denn Fremdkapital steht dem Unternehmen nur befristet zur Verfügung, nimmt nicht am Verlust teil und wird meist unabhängig vom Betriebsergebnis verzinst. Fremdkapital wird durch ein schuldrechtliches Verhältnis begründet – die Rechtsgrundlage ist also das klassische Gläubiger-Schuldner-Verhältnis – und ist nicht mit gesellschaftsrechtlichen Konsequenzen wie Mitsprache- und Mitentscheidungsrechten verbunden. Mischformen sind eine Kombination aus Eigen- und Fremdkapital. Sie werden juristisch und steuerlich zwar wie Fremdkapital behandelt, betriebswirtschaftlich aber wie Eigenkapital. Außerdem werden den Mitarbeitern begrenzte Informations- und Mitwirkungsrechte eingeräumt.|

Reinhard Myritz

Info

Literaturtipp: Praktischer Leitfaden für den Mittelstand

Einen Leitfaden für kleine und mittlere Betriebe zur Mitarbeiterbeteiligung hat der Deutsche Instituts-Verlag herausgegeben. Der handliche Ratgeber mit vielen Unternehmensbeispielen, Checklisten, Fragebögen und Grafiken will in der aktuellen Diskussion zu diesem Thema hauptsächlich praktische Hilfestellung für interessierte Unternehmer geben. ( http://www.divkoeln.de )

„Mitarbeiterbeteiligung“ von Reinhard Myritz und Andreas Wodok – 44 Seiten, DIN A5, Softcover, 9,80 Euro, ISBN 978-3602-14748-9, Deutscher Instituts-Verlag 2006

Autor

Reinhard Myritz, Diplom-Journalist, aus Bergheim/Erft, arbeitet als freier Wirtschaftsjournalist und Fachbuchautor mit Schwerpunkt auf Personal- und Managementthemen.

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