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Fehlerhafte Montage oder Anwenderfehler

Glasbruchschaden an einer Terrassenüberdachung

Für die Klägerin war es klar: An fünf der insgesamt sieben oberen Glasscheiben der Terrassenüberdachung sind Glassprünge aufgetreten, die ihrer Meinung nach darauf zurückzuführen seien, dass die obere Winkelblechabdeckung direkt, scharfkantig und ohne jegliche Trennlage auf den Glasflächen aufgebracht seien. Dadurch gelange unkontrolliert und punktförmig starker Druck auf die Winkelabdeckung und die jeweils darunter liegende Glasscheibe im Kantenbereich, so dass Spannungsrisse verursacht wurden.

Der beklagte Handwerker, Peter Meister von der Firma ­Patra, führte die Schäden jedoch auf mechanische Einwirkungen zurück, die durch ein Reinigen des Glasdaches oder durch Elektroinstallationen verursacht wurden.

Ortstermin des Gutachters

Bei der zu begutachtenden Konstruktion einer Terrassenüberdachung handelt es sich um ein System der Firma Hein Kerber AG-Stahlrohrtechnik, CH-6677 Carbon. Die im vorliegenden Falle verarbeitete Edelstahlkonstruktion ist bauantragspflichtig. Die Firma Patra ist gemäß Dokumentation des Herrn Meister per Lizenzvertrag autorisiert, dieses System zu verarbeiten.

Zum Zeitpunkt der Ortsbesichtigung sind die sieben Glasscheiben der zu begutachtenden Terrassenüberdachung eingebaut. Es handelt sich gemäß Auftragsbestätigung der Fa. Glas Klar um Scheiben aus 2-mal 4mm VSG mit 2-facher PVB-Folie 654U matt. Die Stärke der beiden PVB-Folien (Polyvinyl-Butyral) beträgt 2 x 0,38mm = 0,76mm. Die Abmessungen der Glasscheiben betragen 800 x 2530mm. Fünf der Glasscheiben weisen Glassprünge auf, zwei sind in – soweit erkennbar – unversehrtem Zustand.

Die Sprünge befinden sich, wie in der Bilddokumentation dargestellt, stets im Anschlussbereich an das aufgehende Mauerwerk. Die Sprünge beginnen im Übergangsbereich des Winkelbleches im Bereich der Klemmleisten. Gesprungen sind in allen Fällen die oberen Scheiben des jeweiligen VSG-Aufbaus.

Auf meine Bitte hin entfernt Herr Meister die seitliche Abdeckung der Tragkonstruktion, so dass mir der seitliche Einblick in den verdeckten Anschlussbereich an das Mauerwerk ermöglicht wird. Herr Meister hat weiterhin die verwendeten Konstruktionselemente der Terrassenüberdachung mitgebracht, damit er den Aufbau des Systems modellhaft erklären kann.

Frau Dr. Grundler erklärte im Zuge des Ortstermins, dass seit der Erstellung der Terrassenüberdachung niemand die Konstruktion betreten habe. Es wurde durch Herrn Grundler lediglich die Wasserablaufrinne von Laub gereinigt. Weiterhin habe ein Elektriker die Konstruktion, wie auf den Bildern zu erkennen ist, verkabelt. Auf meine Frage hin erklärte Frau Dr. Grundler, dass sie zum Zeitpunkt der Elektroarbeiten an der Terrassenüberdachung nicht anwesend war.

Stellungnahme und Beantwortung der Fragen

Es ist richtig, dass an fünf der insgesamt sieben oberen Glasscheiben der Terrassenüberdachung Glasrisse aufgetreten sind. Ursächlich hierfür ist höchstwahrscheinlich die metallische Berührung mit den Glasscheiben an den Klemmleisten. Siehe hierzu Bild 3 und Bild 6.

Auf Bild 6 ist an dem von Herrn Meister gezeigten Modell die Schraube zu erkennen, die das Klemmprofil fixiert. Wird diese Schraube zu fest angezogen, so dass das zwischen dem Winkelblech und der jeweiligen Glasscheibe befindliche Silikon zerdrückt wird, kommt es zur so genannten metallischen Berührung zwischen Winkelblech und Glas, und folglich zu Glasbruch.

Nach Auswertung der Sprungbilder erscheint es mir als sehr unwahrscheinlich, dass die Scheiben im Zuge etwaiger Dachreinigungsarbeiten Schaden genommen haben.

Es gibt auch keine Indizien dafür, dass die Konstruktion betreten wurde. Auch sind keine Anzeichen für eine Beschädigung der Abdeckleisten auf den Klemmprofilen oder an sonstigen Konstruktionselementen zum Zeitpunkt der Ortsbesichtigung zu erkennen.

Bei ordnungsgemäßer Begehung einer Dachverglasung generell sind danach in aller Regel keine Spuren erkennbar. Aus diesem Grunde kann nicht ausgeschlossen werden, dass zwischenzeitlich eine Begehung durchgeführt wurde.

Der Aufwand der Elektroarbeiten nebst der dafür notwendigen Montage- und eventueller Demontagearbeiten kann gutachterlich nicht mit Sicherheit beurteilt werden.

Die Edelstahlkonstruktion der Terrassenüberdachung wurde durch den Elektriker der Klägerin bearbeitet. Es wurden in diesem Zusammenhang Bohrungen vorgenommen und in den Edelstahlprofilen Kabel verlegt. Die Klägerin war nach eigener Aussage zum Zeitpunkt dieser Arbeiten nicht anwesend. Auf Bild 5 sieht man das Kabel unterhalb der freien Glaskante.

Zusammenfassung

Es ist mit höchster Wahrscheinlichkeit die Berührung des Winkelbleches mit den Glasscheiben ursächlich für die Sprünge in den oberen Scheiben der VSG-Verglasungen. Siehe hierzu Bild 2. Bei ordnungsgemäßer Verarbeitung der einzelnen Konstruktionselemente des im vorliegenden Falle verwendeten Systems ist davon auszugehen, dass das Ergebnis dauerhaft ist.

Konkret heißt das, dass die Verwendung von Silikon als Dichtmaterial zwischen dem Winkelblech und den Glasscheiben möglich ist, soweit das Material entsprechend der Lizenzgeber-Vorschriften ausgewählt und verarbeitet (auch in der notwendigen Stärke) wird. Weiterhin ist der Anpressdruck auf das Silikon zu begrenzen, damit eine Überdrückung des Silikons verhindert wird.

Der Anpressdruck auf das Silikon wird dadurch begrenzt, dass das zulässige Anzugsmoment der die Klemmleisten fixierenden Schrauben limitiert wird. Ziel ist, die Berührung der Edelstahl-Kantwinkel mit den Glasscheiben zu verhindern.

Analog ist bei vorgefertigten Dichtprofilen zu verfahren, denn auch hierbei besteht die Gefahr zu hohen Drucks und der Folge, dass das Dichtprofil zerdrückt wird.

Der Fachmann muss das maximal zulässige Anzugsmoment kennen und entsprechend der Herstellerunterweisungen sein Werk erstellen.

Daraus folgt: Ursächlich für die Glassprünge sind die zu hohen Drücke auf die Winkelbleche und die daraus resultierende metallische Berührung mit den fünf beschädigten Glasscheiben.

Verantwortlich für den Glasbruch ist den vorgenannten Umständen entsprechend derjenige, der zuletzt die Schrauben angezogen hat.|

Franz-Jörg Dall

Autor

Franz-Jörg Dall studierte Bauingenieurwesen und ist von der IHK-Darmstadt öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Glas in allen Applikationen.

Sachverständigenbüro Franz-Jörg Dall

64546 Mörfelden-Walldorf

Tel (06105) 270856

franz-joerg.dall@t-online.de

https://www.glasgutachter.com/

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