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Nur das Doppelspiel Glasbeschichtungen mit 3-fach-Glas führt zu Spitzen-Ug-Wert

Die Grenze ist erreicht

Was bislang so prima funktionierte, nämlich die stetige Verbesserung der Wärmedämm-„Low E“-Beschichtungen, im Zusammenspiel mit Edelgasen und verbesserten Abstandhaltern, das könne man doch bitte fortsetzen. „Sollen sich doch die Forscher in der Glasindustrie mal anstrengen“, so die Forderung eines Fensterrahmenherstellers. Anders gesagt: Warum soll ich mich anstrengen, wenn die anderen für mich die Arbeit viel effektiver erledigen?

Wenn‘s denn mal so einfach wäre! Tatsächlich schafften es die Schichtentwickler seit den 60er Jahren, die Wärme­dämmung mit Edelmetall-Beschichtungen in aus damaliger Sicht undenkbare Höhen zu treiben. Und so haben wir heute für zweischeibige Wärmedämmgläser im Standardaufbau folgende exzellente Kennwerte: 80/61/1,1! Das bedeutet: Lichtdurchlässigkeit 80 Prozent, Energiedurchlässigkeit 61 Prozent, Ug-Wert 1,1 W/m²K.

Was das Bewerten auf einen Blick allerdings so schwierig macht: Die beiden ersten Werte dieser Dreier-Codierung können gar nicht hoch genug sein, der dritte hingegen sollte möglichst niedrig sein. Der Ug-Wert beschreibt ja eine Verlustgröße, nämlich den Wärmeverlust pro Zeit- und Flächeneinheit und je Grad Temperaturunterschied zwischen innen und außen. Einen geringen Verlust positiv darzustellen ist aber mühsamer als eine schöne große Zahl zu präsentieren.

Das mit Abstand wichtigste Mittel, den Ug-Wert zu senken, ist eine hauchdünne Silberschicht auf eine Glastafel aufzubringen und damit den Wärmestrahlungsaustausch zwischen den beiden Glastafeln zu unterbinden. Die verminderte Abstrahlfähigkeit nennt man „Niedrige Emissivität“ oder „Low-E“. Von ursprünglich einmal 89 Prozent für die unbeschichtete Glasoberfläche kam man jetzt auf minimale 3 Prozent herunter. Nun ist der kleinen Zahl von 3 Prozent leicht anzusehen, dass danach sehr bald das berühmte Ende der Fahnenstange erreicht ist. Weitere Senkungen der Emissivität sind aus derzeitiger Sicht praktisch nicht mehr möglich – zumindest nicht ohne wesentliche Einbußen bei der Licht- und der Energiedurchlässigkeit. Das zeigt sehr schön eine „Neuerung“: In jüngster Vergangenheit ist auf dem deutschen Glasmarkt eine neue Spielart aufgetaucht, um mit einem zweischeibigen Isolierglasaufbau doch noch die magischen 1,0 W/m²K zu erreichen, sogar mit üblicher 90-prozentiger Argonfüllung, um die teure Kryptonfüllung zu umgehen. Man muss dazu eine bekannte Wärmedämmbeschichtung verstärken, sodass sie sich einer theoretischen Emissivität von 1 Prozent nähert und dann gerade eben die Kurve zu den 1,0 W/m²K schafft. Dieses Verfahren ist derzeit noch etwas umstritten, weil es gezielt die zulässige Toleranzbreite bei der Emissivität voll ausnutzt und es offenbar schwierig ist, innerhalb dieser Bandbreite in der Serie zu produzieren.

Und wie schon angedeutet: Den kleinen Erfolg beim Ug-Wert gibt es nicht umsonst. Er wird unweigerlich mit Einbußen bei der Licht- und Energiedurchlässigkeit erkauft. Diese für ein Wärmedämmglas gleichermaßen wichtigen Kenngrößen rutschen dann auf ein für dreischeibige Gläser vergleichbares Niveau – und die spielen bezüglich der Wärmedämmung in einer anderen Liga.

Die dritte Scheibe muss her

Will man wirklich weiterkommen, dann bleibt für die Glasbranche nur der nächste große Schritt: Die dritte Scheibe muss her! Und zwar eine weitere Low-E-beschichtete Glastafel. Also: 50 Prozent mehr Glas, 100 Prozent mehr Beschichtung. Dies stellt sicherlich keine Bedrohung für die Branche dar, ganz im Gegenteil, wohl aber eine Investitions-Herausforderung. Doch was genau bringt uns dieser neue Standard?

Bei den bisher üblichen zweischeibigen Wärmedämmgläsern gab es noch ein natürliches physikalisches Optimum, nämlich den Aufbau 4-15-4 oder 4-16-4 mit einer Low-E-Beschichtung und einer Argonfüllung. Ein kleinerer Scheibenzwischenraum (SZR) ließe den Ug-Wert schnell einknicken, ein größerer verschlechtert ihn ebenfalls, wenn auch weniger radikal.

Bei den dreischeibigen Gläsern ist es nicht so offensichtlich. Die Grafik zeigt, dass man bei Verwendung zweier Pilkington Optitherm S3-Scheiben (als komplettes Isolierglas beim Flachglas MarkenKreis „Thermoplus III S3“ genannt) am besten zweimal 19 mm SZR wählt, um mit einer üblichen Argonfüllung das rechnerische Optimum von 0,5 W/m²K hinsichtlich des Ug-Wertes herauszuholen. Sogar zweimal 14 mm SZR genügten bereits, rundungsbedingt 0,6 W/m²K zu erreichen.

Dennoch glauben wir, dass sich als neuer Standard die 0,7 W/m²K einpendeln werden, im Aufbau 4-12-4-12-4 (im Diagramm am Schnittpunkt der beiden punktierten Linien), mit einer dreiprozentigen Emissivität und einer Argonfüllung. Schließlich müssen neben der reinen Ug-Wert-Betrachtung weitere Aspekte wie Elementdicke und Pumpbelastung durch die Summe beider Zwischenräume berücksichtigt werden. Sie sollen in erträglichen Grenzen bleiben und darüber hinaus für eine unverzerrte Optik sorgen. Die Dreifach-Wärmedämmglas-Kennwerte lauten dann: 71/50/0,7.

Im Diagramm ist ergänzend auch die entsprechende Kurve für eine Füllung mit Krypton eingezeichnet. Krypton ist deutlich seltener als Argon und kann, wie alle Edelgase, nicht künstlich hergestellt, sondern nur aus der Luft extrahiert werden. Daher ist es auch viel teurer. Vor allem aber steht es nicht in ausreichender Menge zur Verfügung, sodass die Produktion großer Stückzahlen kryptongefüllter Isoliergläser unmöglich wäre.

Zudem hält sich die Steigerung bei der Wärmedämmung in engen Grenzen. Der Hauptvorteil gegenüber der viel preiswerteren Argonfüllung bestünde darin, mit Krypton 0,6 W/m²K bereits mit nur zweimal 9 mm und 0,5 W/m²K mit nur zweimal 11 mm zu erreichen, also jeweils eine deutlich geringere Elementdicke zu erlauben.

In jedem Fall aber gelangen heutige hochwärmedämmende Gläser in den Bereich einer gemauerten Wand. Sogar dann, wenn man ausschließlich die den Verlust beschreibende Größe Ug betrachtet. Umso mehr gilt das für die Betrachtung des realen Verhaltens von Glas: Es kann nämlich quasi als Kollektor Energie kostenlos einfangen, auch „passive solare Energiegewinnung“ genannt. Dann ergibt sich ein Bilanz-Ug-Wert (oder äquivalenter Ug-Wert) von 0,3 W/m²K und darunter, je nach Himmelsrichtung, das heißt je nach Intensität der Sonneneinstrahlung. Berücksichtigt ist dabei natürlich auch, dass nachts keine Sonne scheint, es hierzulande trübe Tage gibt und in unseren Breitengraden kein Mittelmeerklima herrscht.

Selbst unter diesen eher konservativen Annahmen stellt sich heraus, dass in einer Ost- oder Westfassade eingebaute Gläser und Fenster einer gemauerten Wand ebenbürtig sind. Ganz zu schweigen von der Südseite. So viel exzellente Bilanz-Wärmedämmung heißt umgekehrt auch, dass der sogenannte sommerliche Wärmeschutz (Sonnenschutz im üblichen Sprachgebrauch) bei großflächigen Verglasungen im Objektbau zusätzliche Maßnahmen verlangt. Im Wohnbau wird man ein gewisses Übermaß an Wärmegewinn hinnehmen, wenn der Komfortgewinn in der Heizperiode und der geringere finanzielle Aufwand für die Heizenergie gegengerechnet werden.

Weitere Informationen über Mechanismen der Wärmeübertragung, verschiedene Gasfüllungen und unterschiedliche Emissivitäten bietet das aktualisierte „Glaskompendium Nr. 10“. Dort findet man auch einen Ausblick auf einen gänzlich anderen Ansatz, die Wärmedämmung zu optimieren, nämlich Vakuumisolierglas, das unser Mutterkonzern NSG seit Jahren unter dem Markennamen „Spacia“ anbietet. |

Autor

Horst Harzheim ist seit 1977 bei der Pilkington Deutschland AG tätig. In seiner Position als ­Leiter der Abteilung Anwendungstechnik ­beschäftigt sich der 57-jährige mit allen Fragen der Glasanwendung im Bauwesen.

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