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GLASWELT im Gespräch mit Meinhard Lemuth

„Das geklebte Fenster wird sich durchsetzen“

GLASWELT: Wie kam es zur Gründung der Firma Lemuth?

Lemuth:

Die Firma ist 1991 mit 16 Leuten nach den Wendewirren gegründet worden. Zu DDR-Zeiten waren wir mit der Fertigung von Elektromotoren beschäftigt und hatten mit dem Fensterbau überhaupt nichts zu tun. Wir begannen mit Werkzeug- und Maschinenbau und durch einen Zufall gerieten wir an einen örtlichen Fensterhersteller, der bei uns Automatisierungsanlagen für seine Fertigung bestellte. Eine seiner Anforderungen war ein Dichtungseinziehautomat, den es damals noch nicht gab. Das war unser Start und der Durchbruch in die Szene der Fensterbauanlagen. Heute arbeiten wir mit rund 100 Mitarbeitern ausschließlich im Maschinenbau für die Fensterautomatisation.

GLASWELT: Wer kauft Ihre Maschinen und Anlagen?

Lemuth:

Wir sind bei vielen großen Fensterbaubetrieben in Europa gut vertreten, aber auch bei kleineren und mittleren Unternehmen. In Österreich stehen z.B. bei Internorm 20 Maschinen von uns und in der Schweiz bei Baumgartner haben wir gerade die weltweit am höchsten automatisierte Fensterbaulinie zur Herstellung von Holz-Alu-Fenstern installiert. In Dänemark realisieren wir bei der Firma Ideal Combi eine Anlage, die meiner Einschätzung nach in Nordeuropa die stärkste und innovativste ihrer Art sein wird. Unsere Anlagen kommen in Mittel- und Nordeuropa zum Einsatz. Also Länder mit hohem Lohnniveau und wo Fachkräfte nicht unbegrenzt zur Verfügung stehen.

GLASWELT: Das Verkleben von Glas in den Flügel ist vieldiskutiert, daher gibt es zur fensterbau auch einen GLASWELT-Kongress (siehe S. 11). Wie sehen Sie die Marktentwicklung?

Lemuth:

Das Kleben im Fensterbau ist eine komplett neue Technologie, die in den letzten Jahren auf den Markt gekommen ist – sehr stark von Sika als Klebelieferanten vorangetrieben. Alle Anlagen, die wir bisher ausgeliefert haben, arbeiten mit Klebstoffen dieses Herstellers. Die nächsten Anlagen, die nach Nordeuropa gehen, werden dann Dow Corning Klebstoffe verarbeiten. Dies ist ganz klar eine Zukunftstechnologie und ich glaube auch, dass sich das geklebte Fenster sehr stark verbreiten wird. Dabei wundert es mich, warum diese Technologie in Österreich, der Schweiz und nordeuropäischen Ländern so stark boomt und sich in Deutschland viel langsamer entwickelt. GLASWELT: Zu welchem Anlagenkonzept würden Sie einem Fensterhersteller raten?

Lemuth:

Es gibt zwei ganz verschiedene Konzepte: das eine ist das Verkleben im Falzgrund oder am äußerem Flügelüberschlag unter Verwendung klassischer Fenstergeometrien, d.h. das Flügelprofil bleibt im Prinzip so wie es ist und behält seine Glasleiste. Es wird der Stahl im Flügel eingespart und es gibt eine bessere Wärmedämmung. Dieses Konzept wird derzeit bei den Firmen Internorm in Österreich und Ideal in Deutschland auf hochautomatisierten Verklebeanlagen von uns im laufenden Fertigungsprozess angewendet. Das andere Konzept ist das, was z.B. bei Baumgartner und EgoKiefer (beide Schweiz) erstmalig eingesetzt wurde: das Kleben der Scheibe auf dem innerem Überschlag, wo es keine Glasleiste braucht. Ich denke es wird für beide Konzepte einen Markt geben, wobei ich das zweite Konzept für das zukunftsträchtigere halte. Diese Technik wird mittlerweile durch Baumgartner im Bereich Holz angewendet, EgoKiefer wendet sie bei Holz und Kunststoff an.

GLASWELT: Die Rahmengeometrie weicht bei dieser Technologie aber vom Standardfenster ab. Wird sich das Kleben der Scheibe auf den inneren Überschlag trotzdem durchsetzen?

Lemuth:

Diese Technologie wird zwar das Verkleben in den Falzgrund nicht völlig verdrängen, aber sie wird einen immer größeren Anteil übernehmen. Denn die dadurch erzielten extrem schmalen Ansichten, bei denen man von außen nur noch den abgedeckten Rahmen sieht werden gerade beim Neubau vermehrt nachgefragt.GLASWELT: Ist das verklebte Fenster dem verklotzten grundsätzlich überlegen?

Lemuth:

Das verklebte Fenster finde ich besser als das verklotzte Fenster, denn es weist bessere Eigenschaften auf und es ist effektiver, wenn es automatisiert gefertigt wird.GLASWELT: Was raten Sie kleineren Betrieben?

Lemuth:

Für kleinere Betriebe ist das Thema Scheibeneinkleben genauso interessant wie für mittlere und große. Hochautomatisierte Klebeanlagen werden sich aufgrund des Investitionsvolumens hier natürlich nicht rechnen. Wir bieten aber für Stückzahlen von 40–80 Einheiten eine teilautomatisierte Verklebeanlage an, bei der der Klebstoffeintrag über eine geregelte Verfahrachse erfolgt und somit eine perfekte Verklebung gewährleistet wird.

GLASWELT: Welchem Anlagenkonzept geben Sie den Vorzug - liegend oder stehend?

Lemuth:

Es funktioniert beides. Angefangen haben wir mit liegenden Anlagen, da der damalige Sikaflex Dünnstrahlklebstoff dies erforderte. Mittlerweile wird verstärkt ein Zweikomponenten-Silikonklebstoff für das Falzgrundverkleben eingesetzt – Internorm ist hier wieder der Vorreiter – der auch in stehenden Anlagen verwendet werden kann. Auch der modifizierte Sika-flex Dünnstrahlklebstoff kann auf vertikalen Anlagen appliziert werden. Die stehenden wie auch die liegenden Anlagen sind bei uns üblicherweise in komplette Linien integriert. Bei diesem Konzept erfolgt das vollautomatische Einbringen des Klebstoffes nach dem Hochzeitsplatz. Das heißt, vor der Verglasung wird der Fensterflügel in den Rahmen eingehängt. Nach dem Austransport des fertig verklebten Fensters werden die Glasleisten eingeschlagen. Wenn wir über das Verkleben des zukünftigen Hightech-Fensters im Holzbereich reden, bei dem ein schnell wirkender Kleber eingesetzt wird, erfolgt die Verklebung derart: der Flügel wird auf Tische gespannt, dort exakt winkelig ausgerüstet, dann wird der Kleber eingespritzt, die Scheibe eingesetzt und angepresst. Dann muss die Einheit sechs Minuten ruhig gehalten werden – danach ist das Fenster fertig verklebt und hat eine 90 prozentige Festigkeit. Diese Fertigung erfordert eine sehr aufwändige Maschinentechnik, aber es konnte uns noch keiner sagen, wie wir es einfacher hätten machen können.

GLASWELT: Ist eine Eckverschweißung bei Kunststofffenstern in Zukunft noch nötig?

Lemuth:

Die Festigkeit der Schweißung der Eckverbindung wird bei geklebten Fenstern mit Sicherheit an Bedeutung verlieren.

GLASWELT: Wo stehen wir heute bei der automatischen Glaszuführung?

Lemuth:

Bei den Hightech-Firmen, die wir gerade ausrüsten, wird das Glas automatisch zugeführt, da der komplette Prozess automatisiert ist. Der Glashersteller liefert wie immer sein Glas auf A-Böcken, die größte Scheibe hinten und vorne die kleineren. Auf jeder Scheibe muss ein Barcode zur Identifizierung angebracht sein. Diese Scheibenelemente werden von Hand auf Transportgestelle gestellt (für 100 Scheiben benötigt man etwa 1/2 Stunde). Diese Scheiben laufen dann über eine Vorbereitungslinie, auf der der überstehende Randverbund automatisch abgeschnitten wird. Die Kante aus Glas benötigen wir, um das Fenster über dem Flügel zu positionieren und exakt auszurichten. Die Glasscheibe wird vom Sauger gegriffen und er fährt sie auf eine Position oberhalb des Flügels. Dann wird die Scheibe durch Antast-Elemente vermessen. Auf Basis dieser Messergebnisse wird die Scheibe exakt zu dem Flügel ausgerichtet und eingesetzt. Ein überstehender Randverbund würde das Messergebnis verfälschen. Auf einer Breite von 3 cm wird die Scheibe automatisch innen und außen gereinigt – dort wird später der Klebstoff aufgetragen. Dann werden die Scheiben automatisch in einen Pufferspeicher gefahren. Der Prozess läuft dann inklusive Glasspeicher, Glasaufgeben und Glasentnehmen vollautomatisch ab.

GLASWELT: Das Sortieren der Scheiben ist aber aufwändig.

Lemuth:

Ich halte das software-gesteuerte Glasscheiben-Sortieren für eine interessante Technologie. Sie ist zwar aufwändig im Investitionsanschaffungswert, aber in der Summe der Einsparungen optimal für den Fensterbauer.

GLASWELT: Wird das Verklotzen durch das Verkleben automatisiert?

Lemuth:

Bei der Falzgrundverklebung entfällt das klassische Verklotzen: es werden unten zwei Auflageklötzchen eingelegt, damit die Scheibe einen Abstand zum Rahmen aufweist und der Kleber eingespritzt werden kann. Dadurch ist auch die äußere Glasscheibe gegen Abrutschen gesichert, was die Isolierglasindustrie ja meistens fordert. Dann wird maximal seitlich an den oberen Ecken jeweils ein weiterer Klotz eingesetzt. Durch die Klebetechnik gibt es kein Verklotzen mehr, lediglich ein Fixieren.

GLASWELT: Wohin geht die Entwicklung der Anlagentechnik?

Lemuth:

Die kleinste Maschine kann eingesetzt werden ab 40–80 Fenstern am Tag. Dabei müssen die Flügel von Hand gedreht werden und es wird mit einer servo-geregelten Achse immer nur eine Bahn verklebt. Dann gibt es die mittlere Anlage, auf der man nur den Flügel verkleben kann. Sie kann als Stand-alone-Anlage oder im automatischen Durchlauf betrieben werden, das ist für 100–150 Scheiben ausgelegt. Dann gibt es große automatisierte Anlagen für den 1-min-Takt.

GLASWELT: Wie wird sich Ihrer Ansicht nach der Markt für geklebte Fenster entwickeln?

Lemuth:

Ich denke, es wird verstärkt in die Klebetechnik gehen, auch in Deutschland. Dabei werden beide Konzepte parallel weiterlaufen: einerseits das klassische Kunststofffenster mit Verklebung, um Stahl und Arbeitszeit einzusparen und bessere Wärmedämmwerte zu erreichen. Andererseits wird sich in Zukunft verstärkt die Technologie des Verklebens am inneren Überschlag ohne Glasleiste durchsetzen. In wenigen Jahren werden neue Vorschriften für Wärmedurchgangswerte in Anwendung kommen und es gibt einige Fachleute, die davon ausgehen, dass diese Forderungen ohne Verkleben kaum mehr erreichbar sein werden. Kleben bringt immer eine Verbesserung im wärmetechnischen Verhalten des Fensters. Weitere Vorteile wie die erhöhte Steifigkeit und die damit verbundene Verbesserung der Funktionalität, sowie die Fragen des Einbruchsschutzes sollten auch nicht unterschätzt werden. Dazu kommt die höhere Wirtschaftlichkeit.|

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