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Folge 6: Tageslicht und Raumklima

Welchen Einfluss hat die Fassade?

Die Nutzung von Tageslicht in Gebäuden ist Grundvoraussetzung für das menschliche Wohlbefinden. Insbesondere, da über die dynamische Änderung des Tageslichts das Erleben von Tages- und Jahreszeiten möglich ist. Weiterhin werden der Beleuchtungsstrombedarf und die Kühllasten vermindert. Es besteht jedoch die Gefahr von erhöhten solaren Wärmeeinträgen und von Blendung, insbesondere bei Bildschirmarbeitsplätzen. Wesentlicher Einflussfaktor für das Tageslicht ist die Fassade. Größe und Position der Fenster sowie die Tageslichttransmission der transparenten Flächen haben erheblichen Einfluss auf den Tageslichteintrag. Weitere Aspekte sind die Ausbildung des Sonnenschutzes und der Einsatz von Lichtlenksystemen. Die Reflexionseigenschaften der Innenoberflächen bestimmen die Beleuchtungsstärke auf der Arbeitsebene und die Leuchtdichteverteilung im Raum.

Tageslicht im Außenraum

Tageslicht unterliegt kontinuierlichen Schwankungen. Lichtintensität, Lichtfarbe, Einfallswinkel und Richtung ändern sich mit den Tages- und Jahreszeiten sowie der aktuellen Wettersituation. Das Ziel einer ganzheitlichen Tageslichtplanung liegt darin, diese Dynamik soweit zu begrenzen, dass einerseits die visuellen Komfortkriterien eingehalten werden, andererseits der Außenbezug und der Wechsel des Lichts wahrnehmbar bleiben. Damit erhält der Nutzer ein Zeitgefühl und kann das Außenklima erleben. Es ist darauf zu achten, dass auch die Bereiche in der Raumtiefe mit Tageslicht versorgt werden.

Die Tageslichtnutzung hat erheblichen Einfluss auf den Energiebedarf eines Gebäudes. Die unmittelbare Einsparung liegt in der Reduktion von Beleuchtungsstrom. Im Sommer kann ein gutes Tageslichtkonzept Kühlenergie einsparen bzw. die thermische Behaglichkeit verbessern. Gelingt es im Winter, die Solarstrahlung ohne Blendung in den Raum dringen zu lassen, so kann der Heizwärmebedarf reduziert werden.

Tageslicht kann in Form von direktem gerichteten oder diffusem ungerichteten Licht auftreten. Direktes Licht tritt bei klarem Himmel und Sonne auf. Es lässt sich über weite Strecken gezielt lenken. Direkte Strahlung führt in der Regel zu hohen Leuchtdichteunterschieden und zu Direktblendung.

Bei der Diffusstrahlung ist das Licht gestreut. Die Streuung kann durch Feuchtigkeit oder Partikel in der Atmosphäre, durch den Lichtdurchgang durch transluzente Materialien oder durch Reflexion an rauen Oberflächen entstehen. Diffuses Licht ist mit ca. 120 lm/W wesentlich energieärmer als direktes Licht mit einer Lichtausbeute von 60 bis 90 lm/W. Deshalb ist es im Hinblick auf die Behaglichkeit im Sommer zu bevorzugen. Die Lenkung von diffusem Licht ist nur über kurze Strecken und nicht gezielt möglich. Direktes Licht kann gezielt in die Raumtiefe umgelenkt werden.

Die Intensität des Tageslichts steht in Wechselwirkung mit dem Sonnenstand, der Trübung der Atmosphäre und dem Bewölkungsgrad. Diese klimatischen Faktoren beeinflussen die Beleuchtungsstärke, die Lichtfarbe, die Leuchtdichten und somit die Lichtstimmung im Raum. Mit den Jahreszeiten ändern sich die Tageslängen sowie die Beleuchtungsstärken. So liegt die Beleuchtungsstärke bei diffusem Himmel zur Mittagszeit im Sommer bei ca. 18.000 lx, im Winter bei ca. 7.000 lx. Mit den Jahreszeiten verändert sich die Sonnenbahn, die den Einstrahlwinkel von direktem Sonnenlicht bestimmt.

Die flach stehende Sonne verbessert durch Direktstrahlung die Lichtverhältnisse in der Raumtiefe, allerdings besteht eine erhebliche Blendungsgefahr. Abhilfe können hier Lichtlenksysteme schaffen, die das Licht über die Decke in die Raumtiefe lenken. Bei der Nutzung von diffusem Tageslicht spielt die Orientierung der Fassade eine untergeordnete Rolle, da die Himmelshelligkeit vor allem vom Höhenwinkel abhängt und im Zenit um den Faktor drei höher ist. Lokale Einflussfaktoren auf die Lichtverhältnisse im Raum sind die Verschattung und die Reflexionsgrade im Außenraum. In Abhängigkeit von den Reflexionseigenschaften der umgebenden Bebauung kann das Licht diffus oder direkt reflektiert werden. Bei direkter Reflexion können dadurch Blendungserscheinungen auftreten.

Reflexionsgrad der Innenoberflächen

Die Reflexionsgrade der Wände und Decken beeinflussen die Ausleuchtung in der Raumtiefe. Bei geringem Reflexionsgrad ergibt sich ab Raummitte nur noch eine unzureichende Tagesbelichtung. Bei mittleren und hohen Reflexionsgraden ist der gesamte Raum gut ausgeleuchtet. Geringere Reflexionsgrade vermindern die Gefahr von Kontrastblendung an den Raumumschließungsflächen.

Fensterflächenanteil

Bei Fensterflächenanteilen von 30 % erhalten an diffusen Tagen nur fensternahe Arbeitsplätze eine ausreichende Tagesbelichtung. Die Leuchtdichteverteilung im gesamten Raum ist aufgrund der geringeren Einstrahlung auf die Seitenwände ausgeglichener. Der Raum wirkt geschlossen. Bei Fensterflächenanteilen von ca. 50Prozent verbessert sich insbesondere die Raumausleuchtung in den fassadennahen Ecken. Die Bestrahlung der Raumseitenwände führt zu hohen Leuchtdichteunterschieden im Blickfeld. Aufgrund des Sturzes ist der Bereich in der Raumtiefe relativ dunkel. Bei einem Fensterflächenanteil von 70Prozent ist eine sturzfreie Fassadenausbildung möglich. Dadurch verbessert sich die Ausleuchtung in der Raumtiefe. Durch die hellere Decke und die große transparente Fläche entsteht ein offener Raumeindruck. Bei Fensterflächen über 70% wird die Brüstungszone zunehmend transparenter. In Bezug auf die Ausleuchtung der Raumtiefe ergibt sich nur noch eine minimale Verbesserung.

Lichttransmissionsgrad der Verglasung

Sonnenschutzbeschichtungen zur Begrenzung der solaren Einstrahlung haben auch Auswirkungen auf die Tageslichttransmission. Bei Sonnenschutzgläsern mit niedrigem g-Wert vermindert sich der Lichttransmissionsgrad auf ca. 40 %. Bei einer Normalverglasung mit einem Lichttransmissionsgrad von 80Prozent ergibt sich nur eine geringe Verminderung des Tageslichteintrags. Auch in der Raumtiefe ist bei diffusem Himmel eine gute Tagesbelichtung möglich. Bei direkter Sonneneinstrahlung ergeben sich am Fenster hohe Leuchtdichten. Bei Lichttransmissionsgraden in der Größenordnung von 60Prozent ist eine gute Belichtung bis zur Raummitte gegeben. Wird die Lichttransmvission weiter verringert, so verfügen nur noch fensternahe Arbeitsplätze über eine ausreichende Tagesbelichtung. Der Bereich in der Raumtiefe ist relativ dunkel, sodass in der Regel Kunstlicht erforderlich ist. Die Direktblendung beim Blick durch das Fenster wird durch die geringere Lichttransmission vermindert. Die Adaptionsfähigkeit des Auges kann den Einfluss der unterschiedlichen Transmissionsgrade in gewissen Grenzen ausgleichen.

Visuelle Behaglichkeit

Tageslicht ist dynamischer als Kunstlicht, was das Wohlbefinden des Menschen steigert. Ein weiteres Kriterium für eine gute visuelle Behaglichkeit ist der Ausblick. Neben einer hohen Beleuchtungsstärke ist eine gute Leuchtdichteverteilung erforderlich. Diese darf nicht zu Blendung führen, allerdings ist ein Mindestmaß an Kontrasten und Schatten für eine gute Raum- und Materialwahrnehmung erforderlich.

Die Öffnungen für den Ausblick müssen in Augenhöhe des Nutzers angeordnet werden. Für die Tagesbelichtung ist eine möglichst hohe Fensterposition günstig. Deshalb kann es bei sehr geringen Fensterflächenanteilen sinnvoll sein, ein Fenster für den Ausblick und ein Oberlicht zur Tageslichtversorgung der Bereiche in der Raumtiefe vorzusehen.

Das menschliche Auge kann keine Beleuchtungsstärken, sondern nur Leuchtdichten wahrnehmen. Diese werden von der Beleuchtungsstärke und der Reflexion der Materialien bestimmt. Der wahrnehmbare Leuchtdichtebereich liegt zwischen 10-6 und 105 cd/m2. Das Gesichtsfeld des Menschen, der Bereich, in dem visuelle Eindrücke erfasst werden können, beträgt horizontal 180° und vertikal 140°. Das Auge benötigt eine gewisse Zeit, um sich ändernden Lichtbedingungen anzupassen. Zu hohe Leuchtdichteunterschiede im Gesichtsfeld führen zu Kontrastblendung. Die Art der Sehaufgabe bestimmt die erforderliche Beleuchtungsstärke. Je detaillierter die Sehaufgabe ist, desto höher sollte die Beleuchtungsstärke sein. Die erforderliche Beleuchtungsstärke reicht von 200 lx für Archive bis über 750 lx für Zeichenarbeiten. Für sehr detaillierte Tätigkeiten können auch wesentlich höhere Beleuchtungsstärken notwendig sein. Bei hohen Beleuchtungsstärken besteht die Gefahr von Blendung. Diese ist durch eine entsprechende Material- und Farbwahl zu begrenzen.

Direktblendung entsteht durch zu hohe Leuchtdichten. Sie tritt auf bei direktem Sonnenlicht, beim Blick in eine künstliche Lichtquelle oder durch Reflexion von starken Lichtquellen an spiegelnden Oberflächen. Übersteigt die Leuchtdichte 10.000 cd/m2, kommt es zur Absolutblendung. Die Pupille kann den Lichteintrag nicht mehr begrenzen, die Sehleistung wird eingeschränkt. Um Kontrastblendung zu vermeiden, sollten die Leuchtdichteunterschiede zwischen dem Infeld, dem Arbeitsbereich, und dem Umfeld, der unmittelbaren Umgebung, in einem optimalen Verhältnis zueinander stehen. Mit der Einführung des Computers in die Arbeitswelt wurde das Problem der Reflexblendung verschärft. Die Reflexblendung an Bildschirmen ergibt sich, wenn sich eine Lichtquelle dort spiegelt und so höhere Leuchtdichten auf dem Bildschirm verursacht. Ein Blendschutz an der Fassade kann bewirken, dass die Flächen in der Umgebung des Arbeitsplatzes nicht mehr mit direktem Sonnenlicht bestrahlt werden und somit weniger Licht reflektieren. Um Reflexblendung zu vermeiden, sollten Bildschirme im rechten Winkel zum Fenster angeordnet werden. Die Gefahr von Reflexblendung tritt z.B. auch bei glatten Tischoberflächen auf.—

Fensterfläche + Lichttransmission bestimmen die Raumausleuchtung

Beleuchtungsstärke und TageslichtquotientGrenzpunkte für die Beleuchtungsstärke für 300 lx und 500 lx. Je nach Fensterflächenanteil und Lichttransmissionsgrad ergeben sich in der Raummitte verschiedene Ausleuchtungstiefen.
Beleuchtungsstärke und TageslichtquotientGrenzpunkte für die Beleuchtungsstärke für 300 lx und 500 lx. Je nach Fensterflächenanteil und Lichttransmissionsgrad ergeben sich in der Raummitte verschiedene Ausleuchtungstiefen.

Die Autoren

Prof. Gerhard Hausladen ist Ordinarius des Lehrstuhls für Bauklimatik und Haus­technik an der TU München. Petra Liedl und Michael de Saldanha sind Mitarbeiter am Lehrstuhl und im Ingenieurbüro Hausladen. Von den Autoren stammen auch die Standardwerke zum ganzheitlichen Planen und Bauen ­ClimaDesign und ClimaSkin.

Bücher der Autoren

ClimaDesign und ClimaSkin sind Standardwerke zum ganzheitlichen Planen und Bauen:

ClimaDesign gibt eine Gesamtschau über das Thema energie- und klimaoptimiertes Bauen. Ziel des Buches ist es, das Wissen in einen vernetzten Kontext zu bringen, um der Planungspraxis optimal Rechnung zu tragen.

ClimaSkin stellt den Themenbereich Fassadensysteme aus ClimaDesign umfassend dar. Die Fassade interagiert eng mit der Konzeptionierung der Gebäudetechnik sowie der Gebäudestruktur und nimmt damit eine Schlüsselposition bei der Gebäudeplanung ein.

ClimaDesign – Lösungen für Gebäude, die mit weniger Technik mehr können

Callwey-Verlag,

ISBN 3-764-37244-3

ClimaSkin – Konzepte für Gebäudehüllen, die mit weniger Energie mehr leisten

Callwey-Verlag,

ISBN 978-3-766-71677-4

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