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Beratungspflicht bei ESG und ESG-H

Vorsicht Falle

Ein OLG-Urteil verändert den rechtlichen Umgang mit Einscheibensicherheitsglas. Die durch minimale Verunreinigungen hervorgerufenen Nickelsulfid-Einschlüsse sind so klein, dass sie weder mit bloßem Auge noch automatisch zu erkennen sind. Zum Bruch kommt es, da sich Nickelsulfid langsam umwandelt – der Einschluss dehnt sich dabei aus und drückt zunehmend auf das Glas. Befindet sich der Einschluss darüber hinaus in der Zugspannungs­zone des Glases, bricht das Glas scheinbar „spontan“. Im konkreten Zusammenhang mit einem Schadensfall erging am 16.05.2007 ein Urteil des OLG Stuttgart (Az 4U 23/07), dessen Folgen den rechtlichen Umgang mit Spontanbruchrisiken verändert. Im Urteil heißt es:

„Die Werkleistung der Beklagten ist mangelhaft im Sinne von § 13 Nr. 1 VOB/B, da die Beklagte in das von ihr errichtete Gewerk ESG-Scheiben eingebaut hat, die auf Grund von Nickelsulfid-Einschlüssen zu Spontanbrüchen neigen.“

Bis zu diesem Urteil wurde der Spontanbruch als hinzunehmendes Allgemeinrisiko angesehen, das ohnehin bei sicherheitsrelevanten Anwendungen durch verschärfte Auflagen an ESG-H als ausreichend sicher eingestuft war. ESG wird zwar nicht in Frage gestellt, der Kunde muss jedoch aufgeklärt werden: Selbstverständlich kann man weiter ESG und ESG-H anbieten, verkaufen und zur Anwendung freigeben. ESG ist ein seit Jahrzehnten bewährtes Glasprodukt für Innen- und Außenanwendung in den verschiedensten sicherheitsrelevanten Einsatzbereichen. Bis heute sind Millionen von Quadratmetern nicht nur im Bauwesen sondern auch in Autos, Zügen und Schiffen eingebaut worden. Thermisch vorgespanntes ESG ist ein bauaufsichtlich eingeführtes und über nationale und internationale Regelwerke abgesichertes Glasprodukt. Kaum ein anderes Glaserzeugnis wurde so oft geprüft, überwacht und letztlich erfolgreich angewendet wie ESG. In der Bauregelliste des DIBt und in den Anforderungen zur CE-Kennzeichnung sind ESG und ESG-H seit langem verankert.

Nicht alle Brüche bei ESG resultieren zwangsläufig aus Nickelsulfideinschluss, auch wenn sie sich nicht mehr nachweisen lassen. Auch falsche Montagearten, Zwängungen, lokale Spannungsüberschreitungen und Beschädigungen können bei ESG zu einem sogenannten Spontanbruch führen, wenn auch mit anderer Ursache.

Achtung – Hinweispflicht beachten

Neu ist jetzt eine Hinweispflicht auf ein Rest­risiko, das in der DIN EN 14179-1 bereits beschrieben, jedoch unverändert überschaubar ist. Wenn der Auftragnehmer seine Bedenken ­hinsichtlich nicht heißgelagertem ESG, aber auch ESG-H, angemeldet hat, liegt die Verantwortung für die Auswahl des richtigen Produktes beim Auftraggeber. Planer, Anwender und Bauherren sind auf der sicheren Seite, wenn sie vor der Auftragserteilung auf die produktspezifischen Eigenschaften von ESG und ESG-H hinweisen und die Regelwerke hinsichtlich der Anforderungen von ESG-H beachten. Weiter sollte man sich von der lückenlosen Durchführung des Heat Soak Tests überzeugen, am besten durch ein sicheres Kennzeichnungssystem bei jeder Scheibe. Es kann zudem notwendig sein, den schadenfreien Einbau von ESG und ESG-H durch eine Bauabnahme bestätigen zu lassen. Rahmenlose Konstruktionen sollten darüber hinaus von fachkundigen Personen regelmäßig kontrolliert und ggf. gewartet werden, um eventuelle Beschädigungen und Fehlfunktionen, die einen Schaden auslösen können, rechtzeitig zu erkennen.—

Der Autor

Wolfgang Böttcher ist im technischen Marketing von Saint-Gobain Glass Deutschland tätig. Tel. (02 41) 5 16-28 74

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