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Neues Biegeofenkonzept

Saubere Biegung

Die Erweiterung der Einsatz- und Variationsvielfalt des Baustoffes Glas erfordert industrielle Verfahren zur kostengüns­tigen Produktion. Das gilt auch für gebogene Glasscheiben. In der Formgebung dieser Scheiben unterscheidet man zwischen dem Pressbiegen und dem Schwerkraftbiegen. Beim Pressbiegen werden meist komplexe Formen (z.B. zweidimensional gekrümmte Autoscheiben) durch kurzes Einpressen der zähflüssigen Glasmasse in einen Formkörper hergestellt.

Beim Schwerkraftbiegen, erfolgt die Formgebung durch die Wirkung der Schwerkraft, die das erwärmte (d.h. erweichte) Glas in eine Biegeform bzw. Schablone drückt.

Mit dem Glasbiegeofen (GBO) von Eliog-kelvitherm lassen sich Scheiben mit Abmessungen bis zu maximal 3210 mm x 6000 mm x 19 mm und Biegeradien zwischen 300 mm und unendlich biegen, und das in sehr guter optischer Qualität. Im Ofen wird das Floatglas erst auf Biege- bzw. Erweichungstemperatur erwärmt, im Anschluss erfolgt der eigentliche Umform- bzw. Biegevorgang dann durch Einwirkung der Schwerkraft.

Heute werden immer häufiger Biegeradien unter 300 mm verlangt, so Eliog. Diese engen Radien sind mit bisherigen Ofenvarianten des Industrieofenbauers nur sehr zeit- und kostenintensiv sowie unter Einschränkung von optischen Qualitätsansprüchen in der Biegezone realisierbar.

Vor diesem Hintergrund sollte untersucht werden, wie sich enge Biegeradien unter 300 mm ­­mit geringen optischen Verzerrungen und Maßtoleranzen kostengünstig produzieren lassen. Aus wirtschaftlicher Sicht ist es gleichzeitig zwingend erforderlich, die Produktionszyklen zu verkürzen sowie den Energieeinsatz und die Ener­giekosten zu senken. Weiteres Ziel war es, die manuelle Bedienung und Kontrolle des Biegens durch Fachpersonal stärker zu automatisieren. Für die optische Qualität der gebogenen Scheiben sind neben der Qualität des Glases, bisher die Erfahrung und Tagesform des Bedieners ausschlaggebend. Das Anfertigen von (identisch) gebogenen Gläsern kann durch den nötigen Anteil manueller Arbeiten nur mit hohem Aufwand und relativ großen Toleranzen für Biegeradien und Kantenparallelität gefertigt werden.

Ergebnisse der Untersuchung

Die Untersuchung weist nach, dass im Ofen der Abstand zwischen Glas und Wärmequelle (Infrarotstrahler) während des Biegevorgangs nicht konstant gehalten werden konnte. Bereiche des zu biegenden Glases, die sich dabei in einem größeren Abstand zur Wärmequelle befinden, geben mehr Energie an die Ofenatmosphäre ab, als sie aufnehmen können. Diese Glasbereiche kühlen dadurch leicht ab. Die Festigkeit des abgekühlten Glases steigt, und der Fließ- bzw. Biegevorgang wird verzögert oder vollständig unterbrochen. Durch Nachheizen wird dann versucht, den Temperaturunterschied auszugleichen, um den Vorgang des kontinuierlichen Absinkens des Glases in die Form zu gewährleisten. Eine Unterbrechung oder Verzögerung des Fließ- bzw. Biegevorgangs hat aber zur Folge, dass optische Verzerrungen im Biegebereich entstehen und damit die Qualität des gebogenen Glases teils deutlich sinkt.

Die Untersuchung ergab ferner, dass der Einbau vertikal und unabhängig voneinander verfahrbarer Infrarotstrahler – statt fest montierter Wärmequellen – die thermischen Bedingungen in der Umformzone positiv verändern können.

Da die Infrarotstrahler, im Vergleich zu elektrischen Widerstandsheizungen, praktisch ohne Zeitverzögerung zu- und abschaltbar sind, erlaubt dies schnellere Reaktionen und wird zusätzlich durch die geringe Wärmespeicherkapazität der Strahler unterstützt. Um diese Vorteile als Gesamtlösung effektiv umsetzen zu können, ist ein teilautomatisiertes Verfahren der Wärmequellen mit rechnergesteuerter Anlagenüberwachung nötig. Die damit verbundene Regelung des Verfahrweges der Strahler sichert eine hohe Flexibilität der Anlage. In Abhängigkeit vom Achsabstand der Strahler ist das Biegen von Floatglas nach jeder mathematisch beschreibbaren Kurve möglich.

Da die Prozessdaten in einer elektronischen Datenbank gespeichert werden können, lassen sich so identische Scheiben beliebig oft reproduzieren. Ebenso ist es möglich, die Distanz zwischen Quarzstrahler und Glas durch das rechnergeführte Verfahren der Strahler während des Biegens konstant zu halten, um ein kontinuierliches Absinken des Glases in bzw. über die Form zu gewährleisten. Qualitätseinbußen durch diskontinuierliches Fließen des Glases kann man so ausschließen. Das Nachheizen für ein stetiges, aber unkontrollierbares Fließen des Glases, ist ebenfalls nicht mehr erforderlich. Die Temperatur im GBO kann durch den nun gezielten Wärmeeintrag verringert und gleichzeitig gebogenes Glas mit besserer optischer Qualität bei niedrigerem Energieeinsatz und kürzerer Zykluszeit produziert werden.

Neue Anwendungsmöglichkeiten

Zudem erschließt sich durch die Verfahrbarkeit der Quarzstrahler eine neue Anwendungsmöglichkeit: ausgewählte Biegebereiche der Glasscheibe lassen sich partiell intensiver erwärmen, indem man den Abstand zwischen Glas und Strahler verringert. Damit ist eine verbesserte Qualität im Biegebereich von Glasscheiben mit sehr engen Radien oder tangentialen Übergängen erzielbar, wie beispielsweise bei Scheiben für Verkaufstheken.

Die Realisierung des optimierten Konzeptes ist maßgeblich von der „Intelligenz“ der anlagen­internen Speicher-Programmierbaren-Steuerung ­ (SPS) abhängig. Diese wird z.B. über eine Teach-In-Funktion ermöglicht. Mit dieser lassen sich in einem Lernzyklus alle Prozessparameter als elektronischer Datensatz in der integrierten Rezeptverwaltung speichern und archivieren. Dies ­schließt auch die manuell angefahrenen Positionen der Infrarotstrahler ein.

Durch die Teach-In-Funktion ist nur das Biegen von Prototypscheiben im manuellen Betrieb erforderlich. Alle weiteren Scheiben einer Serie werden dann mit den identischen Parametern der Prototypscheibe produziert. So ist eine kos­tenoptimierte Herstellung von Serienprodukten mit geringen Toleranzen bzw. Abweichungen der geometrischen Kenngrößen möglich.

Entsprechend der Produktvielfalt und den jeweiligen Anforderungen der Verarbeiter, können durch den modularen Aufbau der Anlage, selbst einzelne Infrarotstrahler bzw. Strahlerblöcke verfahrbar gestaltet werden. Das System erlaubt es dadurch, individuell für die jeweiligen Bedürfnisse des Anwenders abgestimmt, eine kostengünstige Ofenvariante zu fertigen.—

Der Autor

Dipl.-Ing. Ronny Herbert entwickelt bei Eliog-kelvitherm Öfen für die Glasveredlung.

Tel. (03 69 48) 8 20 19

herbert@eliog.de

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