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Trotz Sanierung immer noch nicht mängelfrei

Totalschaden an 700 Fenstern

Die Fenster, um die es hier geht, wurden 2000 und 2001 in einem Bürokomplex in das Fassadensystem eingebaut. Ursprünglich wurden IV-68-Standardfenster aus Kiefernholz mit einer hellen durchscheinenden Lasur beschichtet. Dazu gab es Standard-Regenschutzschienen mit Endkappen und eine Standard-Isolierverglasung. Alle Fenster haben das Maß 1,11 m x 2,00 m.

Zwei Jahre alte Fenster wurden generalüberholt

Nach dem Einbau der ersten Fenster wurde schon zwei Jahre danach ein dringender Handlungsbedarf erkannt: die Fenster faulten aus der Fassade. Wie die Aufzeichnungen des beauftragten Sachverständigenbüros erkennen lassen, mussten zu diesem Zeitpunkt (April 2003) bereits 66 Flügelrahmen und 80 Blendrahmen ausgetauscht werden. 115 Blendrahmen mussten generalüberholt werden und an 302 Elementen musste die Oberflächenbeschichtung instandgesetzt werden. Die entstandenen Kosten sind nicht bekannt, dürften aber 70000 Euro erheblich überschritten haben.

Das damals mit der Begutachtung beauftragte Sachverständigenbüro übergab ein ausgebautes Fensterelement dem ift Rosenheim zur Feststellung der Schadensursache und Benennung geeigneter Mangelbeseitigungsmaßnahmen. Das ift empfahl, die Brüstungsfugen mit Fugensiegel zu versehen und alle Fenster mit einer deckenden Lasur zu beschichten. Nach aktueller Angabe des ifts erfolgte die damalige Aussage unter der ­Vorgabe ­einer Bestandsanierung (d.h. ohne Fenstertausch). Die Maßnahmen entsprechen den allgemein bekannten Fachregeln. Aufgrund der Holzart und der extremen Einbaulage ist eine deckende Beschichtung für diesen Anwendungsfall geboten (Merkblatt: Anstrichgruppen für Fenster und Außentüren, ift 05/83). Der Einsatz von Fugensiegel für die Brüstungsfugen von Kiefernholzfens­tern ist seit Jahren als Standard anzusehen. Große Beschichtungshersteller fordern das auch in den Merkblättern (z.B. Remmers: „Empfehlung für die werkseitige Fertigbehandlung von Fenstern und Haustüren aus Holz“; Technisches Merkblatt: Glasurit Holzlasur für außen).

Sanierung nach der Sanierung

Die von mir 2008 durchgeführten Ortstermine ergaben dann folgende Tatsachen: Es besteht ein ganz erheblicher Unterhaltungsstau, da seit der umfangreichen Sanierung in 2003 keine weiteren Wartungsarbeiten an den Holzoberflächen durchgeführt wurden. 77 Flügel und 70 Blendrahmen müssen ausgetauscht werden. Weitere 290 Flügelrahmen und 195 Blendrahmen sind in einem sehr schlechten Zustand und müssen überarbeitet werden. Zusätzlich sind 90 m2 Oberfläche abzuschleifen und neu zu beschichten.

Die Anzahl von Totalschäden sank im Nutzungszeitraum 2003–2008 gegenüber dem Ergebnis der ersten Begutachtung (Nutzung 2001–2003), erstaunlicherweise nicht nachhaltig. Die Kosten für die nun notwendige Sanierung schätze ich auf netto 94000 Euro. Einige der Rahmen und Flügel hatten Fruchtkörperbildungen eines Pilzes, der stehendes Holz befällt (Gloeophyllum sepiarium). Voraussetzung für einen solchen Schaden ist eine zu hohe Materialfeuchte (> 20 % rel. Feuchte) über einen längeren Zeitraum. Finden die Pilzsporen diese Bedingungen, kann das wachsende Myzel die Zellulose des Holzes auffressen. Das führt zu einem Würfelbruch der Holzfasern und zum Verlust der Stabilität. Findet der Pilz kaum noch Nahrung vor, so beginnt er seinen Vermehrungsprozess mit der Bildung des Fruchtkörpers. Das ist ein sicheres Anzeichen für eine massive Zerstörung des befallenen Holzes.

Für die Klärung der eigentlichen Schadensursache müssen die Stellen gefunden werden, an denen Flüssigwasser in das Holz gelangt.

Schadensursachen

Bei der Sanierung wurde die deckende Lasur exakt bis an die Dichtstofffugen aufgetragen. Das war richtig, denn entsprechend den Fachregeln dürfen Dichtstofffugen nicht überstrichen werden. Allerdings lagen im Bereich der Dichtstofffugen zwei Problemfelder vor: Zum einen gab es eine Haftungsstörung im Randbereich der Fugen – wahrscheinlich durch das beim Glätten der Fugen dünn verteilte Silikon. Zum anderen wies ein Teil der Fugen einen Alterungsprozess auf, der zu einem Ablösen und Aufplatzen des dünnen Fugenrandes führt. An vielen Flügelrahmen gelangt Wasser an diesen Stellen unter die neue Beschichtung, sprengt diese vom Untergrund ab und wandert von dort in das Holz.

Fazit: Für das sichere Aufbringen einer neuen Beschichtung müssen die alten Dichtstofffugen vor dem Neuanstrich herausgeschnitten werden. Ebenso war der neue Farbauftrag im Bereich der Regenschienenendkappen bis auf die Kappen ausgeführt. Auch in diesen Bereichen ist es zu einer Unterwanderung und Ablösung der neuen Beschichtung gekommen. Das Wasser dringt ein, trocknet nicht ab und hat viel Zeit, den Weg in das Hirnholz der senkrechten Blendrahmenhölzer zu finden. Die einzige Lösung ist wohl das (risikobehaftete) Ausbauen der Regenschienen vor dem Farbauftrag.

Zur weiteren Untersuchung wurde eine Regenschutzschiene ausgebaut. Hier war dann ein weiteres Problem dieser Fenster zu erkennen: Die Endkappen waren zwar teilweise mit Dichtstoff versehen, allerdings bestand keine Haftung zwischen dem Dichtstoff, den Endkappen und der Regenschiene. Die Fugen sorgen durch die Adhäsionskraft des Wassers für eine konstante Feuchtigkeitszufuhr in diesem Bereich.

Völlig übersehen wurde bei dem ersten Sanierungskonzept, dass die Einbaulage der Fenster zu einer weiteren Feuchtequelle geführt hat.

Die Holzrahmen sind so gefalzt, dass sie in die Glasaufnahme des Pfosten-Riegel-Systems passen. Dadurch liegt die erste Leimfuge des Blendrahmens im Bereich der indirekten Bewitterung, die zweite und dritte Leimfuge ­liegen im „Glasfalz” des Pfosten-Riegel-Systems. Nun kann man aber mit ­Sicherheit davon ausgehen, dass ­dieser Entwässerungsfalz auch Flüssig­wasser innerhalb der Fassade transportiert.

Die Schadensentwicklung der im Jahr 2003 erneuerten Fens­ter zeigt, dass nach fünf Jahren Einsatzdauer ­bereits fünf Prozent der neuen Fenster ausgetauscht und neun Prozent grundsaniert werden müssen.

Liegt der Rahmen in der Entwässerungsebene des Fassadensystems, so ist mit Sicherheit davon auszugehen, dass Flüssigwasser und eine höhere Luftfeuchtigkeit über einen längeren Zeitraum auf das Holz einwirkt. Diese ­Belastung wird noch verstärkt durch die relativ schnelle Feuchtigkeitsaufnahme von Kiefernholz und der Tatsache, dass ein großer Anteil von Hirnholzfläche in diesem Bereich liegt.

Auch die weitere Überlegung, dass der Rahmenteil, der hinter der Druckleiste liegt, nie wieder einen Instandsetzungsanstrich erhalten kann, ist ­besorgniserregend. Er ist nicht mehr zugänglich – ein Unding für bewetterte Holzoberflächen.

Konsequenz: Der Komplett-Austausch ist günstiger

Auch bei einer aufwendigen Sanierung können einzelne Schwachstellen der Konstruktion nicht mehr beseitigt werden. Betrachtet man deshalb die reinen Mehraufwendungen (jährlicher Austausch und Instandsetzung) für die eingebauten Holzfenster für eine weitere Nutzungsperiode von 22 Jahren, zuzüglich den heute anfallenden Mangelbeseitigungskosten, so übersteigt dieser Betrag die Kosten für einen Austausch der Holzelemente gegen neue Fenster aus alternativen Materialien deutlich. Also: Der sofortige Austausch ist auf Dauer eindeutig günstiger.

Wir haben eine Anhäufung von Planungsfehlern, Ausführungsfehlern (wo war eigentlich die Bauleitung?), unterlassener Hinweispflicht und unzu­reichender Sanierung. Der Fensterbauer hat zu helle Fenster ohne Fugen­siegel und mit unzureichend abgedichteten Endkappen geliefert. Auch fand er es nicht nötig, auf die missglückte Einbaulösung der Fenster in der Entwässerungsebene der Fassade hinzuweisen. Dann haben wir eine ­Sanierung, die zwar ein Teil der Problematik erkannt hat, aber eben zwei Fehler übersehen hat. Weiterhin führte dann die „richtige” Farbbeschichtung zu einem weiteren Problem, der Unterwanderung des neuen Farbauftrags mit Wasser an den Kanten der Dichtstofffugen und der Endkappen. Und am Anfang hat ein Architekt in der Entwurfsplanung „das Bewährte” verlassen, wohl ohne auf Risiken hinzuweisen und in der Ausführungsplanung zu­gelassen, dass bei der Realisierung zwangsläufig ein Fehler am Bauwerk entstanden ist.

Beobachter und Geschädigte könnten den Eindruck gewinnen, dass man vor Gericht, auf hoher See und auch beim Bauen allein in Gottes Hand ist.—

Der Autor

Peter Struhlik (55) ist öffentlich bestellter und vereidig­ter Sachverständiger für Fenster, Türen, Fassaden und Wintergärten mit Büros in Minden und Kassel.

Tel (05 71) 6 48 11 88, mail@struhlik.eu

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