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Geklebte Glasverbindungen (Teil 3)

Ohne Zulassung geht wenig

Die Klebtechnik als Fügeverfahren bietet eine Reihe von Vorteilen, die in vielen Industriezweigen vom Maschinenbau bis zur Luftfahrttechnik genutzt werden. So ist es normal, große Teile einer modernen Autokarosserie klebtechnisch zu fügen. An vergleichbare großflächige Klebeanwendung, ist im Bauwesen in Deutschland noch nicht zu denken. Aber das ist nur eine Frage der Zeit. Wie sieht aktuell der Stand der Umsetzung bei geklebten Glas-Glas bzw. bei Glas-Metall-Verbindungen aus?

Heute werden im konstruktiven Glasbau tragende Klebeverbindungen hauptsächlich als linienförmige Klebung mit Silikonklebstoffen eingesetzt. Weitere Anwendung finden Klebstoffe in statisch untergeordneten Rollen, etwa im Isolierglasrandverbund. Der Einsatz von strukturellen Klebstoffen findet nur sehr vereinzelt in Sonderkonstruktionen statt.

Aber woran liegt das und was ist zu tun, um die offensichtlichen Vorteile dieser Technologie auch für das Bauwesen und speziell für den Glasbau zu nutzen? Um zu verstehen, warum es derzeit trotz der offensichtlichen Vorteile nicht zu einer großflächigeren Anwendung kommt, hilft ein Blick auf die aktuellen bauaufsichtlichen Anforderungen.

Baurechtliche Fallstricke

Um im Bauwesen eine Konstruktion, wie z.B. ein Structural Glazing (SG) ­System einsetzen zu können, muss die Verwendbarkeit aller Einzelkomponenten (die Glasscheibe, die Klebfuge, das Fassadenprofil) baurechtlich nachge­wiesen werden. Dies kann auf zwei Weisen erfolgen. Zum einen im Rahmen einer Einzelzulassung, d.h. durch eine von der obersten Baubehör­de eines Bundeslandes erteilte Zustimmung im Einzelfall (ZiE) oder zum anderen durch eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung für dieses ­System. Diese muss beim Deutschen Institut für Bautechnik (DIBt) mit den entsprechenden Nachweisen beantragt und genehmigt werden. Hier gibt es im Bereich der Klebtechnik im Glasbau bereits einige Zulassungen für Structural Glazing Anwendungen. Diese Zulassungen sind sowohl für einige einzelne Klebstoffe als auch für „Pakete“, die das Fassadensystem umfassen vorhanden.

Was muss man aber beachten, wenn man neue, geklebte Konstruktionen beispielsweise mit filigranen Verbindungselementen, (z.B. mittels UV Acrylat- Klebstoffen gefügt), fertigen und auf den Markt bringen will?

Die Sicherheit muss gewährleistet sein

Grundsätzlich muss gewährleistet sein, dass beim Einsatz von neuen, innovativen Bauprodukten die gleiche Sicherheit vorhanden ist, wie bei herkömmlichen und über technische Vorschriften geregelten Produkten. Dies ist über eine allgemeine bauaufsichtliche Zulassung oder eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) nachzuweisen. Die Rechtsgrundlage für eine ZiE bieten die Landesbauordnungen. Eine Zustimmung kann von der obersten Bauaufsichtsbehörde eines Bundeslands erteilt werden, wenn das gängige Sicherheitsniveau eingehalten wird. Dies sollte im Vorfeld bei der geplanten Ausführung von neuen Klebekonstruktionen in Betracht gezogen und rechtzeitig in der Planungsphase berücksichtig werden.

Ein Stolperstein kann das Fehlen von belastbaren Dimensionierungskonzepten für geklebte Verbindungen außerhalb von Structural Glazing darstellen. So fehlen mit der Zulassung eben auch die definierten Belastungsgrenzen für die Bemessung. Warum ist es aber wichtig diese zu kennen?

Definierte Belastungsgrenzen sind notwendig

Grundsätzlich soll ein Bemessungskonzept dauerhaft tragfähige und funktionsfähige Konstruktionen sicherstellen. Im Bauwesen geschieht dies durch bautechnische Nachweise, die in Kombination mit Beiwerten für die Sicherheit, die Einwirkungs- mit der Widerstandsseite vergleichen. So wird ein vertretbarer Konsens zwischen Wirtschaftlichkeit und Versagenswahrscheinlichkeit erreicht. Um entsprechende Nachweise auch auf Klebfugen anwenden zu können, müssen charakteristische Belastungsgrenzen vorliegen.

Eine Klebfuge nimmt durch diese Betrachtungsweise jedoch eine gesonderte Stellung ein. So setzen sich ihre Belastungsgrenzen aus denen der Haftung (Adhäsion) und des Klebstoffmaterials (Kohäsion) zusammen. Bei verschiedenen Fügepartnern und temperaturabhängigen Klebstoffverhalten, bedeutet dies komplexe Einflussfaktoren auf die Belastungsgrenzen.

Diese Einflussfaktoren ausreichend genau zu bestimmen und im Rahmen einer Zulassung für verschiedene Klebstoff-Oberflächenkombinationen festzulegen, ist aufgrund der umfangreichen versuchstechnischen Untersuchungen mit großem finanziellen und zeitlichen Aufwand verbunden.

Für Hersteller lohnt sich dieser Aufwand nur, wenn entsprechend große Absatzmöglichkeiten für den Klebstoff gegeben sind. Ist diese Zulassung bzw. die benötigte Belastungsgrenze dann vorhanden, ist es wichtig zu gewährleisten, dass diese in der Realität, also in der Bauausführung, auch erreicht wird. Hierbei sind der Fertigungsprozess und seine Rahmenbedingungen entscheidend für die Qualität, welche ständig überwacht werden müssen.

Fertigungsrichtlinien sind in Arbeit

Um die Einsatzmöglichkeiten von strukturellen Klebverbindungen im bauaufsichtlichen Bereich zu erweitern, werden im Rahmen eines Forschungsprojekts aktuell auch einheitliche Grundlagen für die Fertigungsrandbe­dingungen und die Bemessung erarbeitet. Dazu wird ein Leitfaden für Entwurf, Bemessung, Fertigung und Instandhaltung struktureller Klebeverbindungen im konstruktiven Glasbau (Metall-Glas bzw. Glas-Glas) unter Berücksichtigung bauaufsichtlicher Anforderungen aufgestellt.

Einerseits sollen einheitliche Vorgaben zur Bemessung eingeführt und andererseits die Rückverfolgbarkeit der Herstellung und Verarbeitung sowie ausreichende Maßnahmen zur Instandhaltung sichergestellt werden.

Zudem werden fertigungsseitige Maßnahmen zur Qualitätssicherung sowie die Führung des obligatorischen Übereinstimmungsnachweises im zulassungsrelevanten Bereich zum Erreichen einer optimalen Prozesssicherheit definiert. Aus diesem Leitfaden sollen klare Vorgaben zum Entwurf geklebter Konstruktionen, zu Anwendungsbereichen und deren Grenzen hervorgehen. Dies betrifft auch eine explizite Vorgabe der Klebstoffsysteme, der Glas- und Metallsorten sowie der Oberflächenzustände. Für die Bemessung der Klebefugen werden Vorgaben zu Berechnungsmodellen und anzusetzenden Klimalasten, Temperaturbeanspruchungen und Verformungen der Unterkonstruktion gemacht.

Für unterschiedliche Klebstoffsysteme sollen im Rahmen des Forschungsprojektes die Kenntnis und die Definition der Leistungsmerkmale der gekleb­ten Anschlüsse und Verbindungen in Abhängigkeit der Detailparameter hinsichtlich Tragfähigkeit, Verformbarkeit, zeit- und temperaturabhängigem Verhalten sowie Schädigungsverhalten erarbeitet werden. Ausgehend von diesen Leistungsmerkmalen können dann Bemessungswerte für die Planung solcher Anschlüsse ermittelt werden, die auch den bauordnungsmäßigen Anforderungen hinsichtlich einer geregelten Bauweise genügen.

Als Hilfestellung soll dem Anwender ein Vorgehensmuster für Entwurf, Planung und Fertigung von geklebten Metall-Glas-Anschlüssen bereitgestellt werden; dies unter Berücksichtigung der aufgeführten Punkte anhand derer man „gesicherte“ Pfade vom Entwurf bis zur Errichtung und Abnahme beschreitet. Mit der noch zu erarbeitenden Leitlinie soll dann eine einheitliche Grundlage bereitstehen, um Zulassungsverfahren für neuartige Klebekonstruktionen zu ermöglichen und/oder zu beschleunigen.

Noch gibt es Vor­behalte gegenüber geklebten Fügemethoden. Dies ­soll jedoch nicht davon abschrecken, sich die Vorteile der Klebtechnik zu­nutze zu machen, denn Pioniere sichern sich oft wirtschaftliche Vorteile.—

Die Autoren

Martin Bues und Marcus Illguth sind wissenschaftliche Mitarbeiter im Labor für Stahl- und Leichtmetallbau der Hochschule München, unter Leitung von Prof. Ömer Bucak. Bues und Illguth bearbeiten die Forschungsprogramme des konstruktiven Glas- und Fassadenbaus sowie der Klebtechnik. martin.bues@laborsl.de illguth@laborsl.de

https://www.laborsl.de/

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