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Interview mit Peter Schober von der Holzforschung Austria (Teil 2)

“Holz-Alu wird hier besser kommuniziert“

GLASWELT: Warum ist der Marktanteil von Holz-Alu-Fenstern in Österreich so hoch?

Schober: Saniert wird in Österreich – anders als in Deutschland – hauptsächlich mit Holz-Alu-Konstruktionen. Unser Gesamtfenstermarkt besteht aus ca. 50 Prozent Kunststoff, ca. 25 Prozent Holz-Alu und ca. 20 Prozent Holz. Der hohe Holz-Alu-Anteil liegt meiner Meinung nach darin begründet, dass die österreichische Branche vor allem die Wartungsfreiheit und die hohe Nutzungsdauer besser kommuniziert hat.

GLASWELT: Wurde dieser Marktanteil durch Konstruktionsargumente erreicht?

Schober: Das Holz-Alu-Fenster ist im Grundprinzip überall im deutschsprachigen Raum fast identisch und europaweit eines der besten Fenster, das erhältlich ist – es ist aber sicher nicht das wirtschaftlichste Produkt. Im Holz-Alu-Bereich arbeitet man heute daran, die Fenster wirtschaftlicher zu machen, was nicht mit „billiger“ zu verwechseln ist. Holz-Aluminium-Fenster gibt es eigentlich schon sehr lange, aber es war immer ein Holzfenster plus Aluschale und hatte den Preis eines Holzfensters plus Aluschale. Heute ­beginnt man die Konstruktionen auf das zu optimieren, was die einzelnen Werkstoffe zu leisten vermögen. Und damit werden sie wirtschaftlicher. Dass die heutigen passivhaustauglichen Holz-Alu-Fenster auf einem vernünftigen wirtschaftlichen Niveau liegen, ist auf die Optimierung der Konstruktionen zurückzuführen.

GLASWELT: Wie sehen sie die Situation des ­Holzfensters im Allgemeinen?

Schober: Das traditionelle Holzfenster hat seinen Platz in der Architektur und in der Sanierung spezieller Gebäude und wird sich auch in Zukunft behaupten. Wir sehen aber auch, dass wir in den nächsten Jahren keine Beschichtung haben werden, die uns eine 20- bis 25-jährige Wartungsfreiheit garantieren könnte. Wir können heute mit einer deckend weißen Beschichtung – vernünftig eingebaut – 10 bis 15 Jahre Haltbarkeit erreichen. Doch einen generellen Wartungszeitpunkt kann man nicht wegdiskutieren.

GLASWELT: Welche Entwicklungen sind beim Holzfenster zu erwarten?

Schober: Die HFA forscht aktuell in Sachen „Leist­ungskenndaten der Rahmenmaterialien“. Was heißt das für die Praxis? Wir arbeiten im Fens­terbau immer noch mit dem Holz, das im konstruktiven Holzbau definiert ist. D.h., die Kenndaten, die wir im Fensterbau verwenden, sind die Daten, die wir aus den Normen des klassischen Holzbaus kennen. So ist beispielsweise das Lambda (Wärmeleitfähigkeit) für Fichte mit 0,13 W/mK angegeben – dies gilt für alle Hölzer unter einer Rohdichte von 500 kg/m3. Wenn wir jedoch heute Fichtenholz messen, ermitteln wir 0,09 bis 0,10 W/mK. Das sind also wesentlich bessere Werte, als das, was die Norm widerspiegelt. Wir in der HFA kommen bei einem konservativen Ansatz und unter Berücksichtigung von Sicherheitsbeiwerten auf den Wert von 0,11 W/mK für Fichtenholz. Das ist 15 Prozent besser. Auch wenn es heißt, das Thermoholz z.B. sei um 15 bis 25 Prozent besser als Fichte, werden aktuelle Messwerte immer noch mit dem konservativen Normwert verglichen.

Und Gleiches gilt für die Statik, denn auch dort fußt die Berechnung auf klassischem Bauholz mit all den Ästen und Inhomogenitäten, die ein Holz eben hat. Fakt ist jedoch, dass die heutigen Holzfensterkanteln eine völlig andere Qualität aufweisen. Das Problem ist jedoch: Wenn wir heute ein Fenster statisch bemessen, liegen wir immer viel zu weit auf der sicheren Seite. Hier wäre eine Initiative der europäischen Kantel- und Fensterindustrie nötig, um neue Bemessungswerte festzulegen. Wir sind mit den Bieler und Rosenheimer Kollegen in engem Kontakt und stellen unsere Messungen dafür gerne zur Verfügung.

GLASWELT: Vertiefen Sie bitte das Segment ­Sicherheit im Zusammenhang mit der HFA.

Schober: Wie die Einbruchsstatistiken zeigen, steigen die Zahlen der Einbrüche – insbesondere in den Großstädten – und dadurch steigt auch das Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung. Die Statistiken zeigen aber auch wie wirkungsvoll einbruchhemmende Elemente sind. Das führte sogar dazu, dass in Österreich heute die Einbruchhemmung in der Bauordnung verankert ist. Wenn man z.B. in Salzburg neu bauen möchte, benötigt man im Wohnungsbau bei Türen eine Einbruchhemmung der Widerstandsklasse 3. Dass der Boom bei der Einbruchhemmung ungebrochen ist, schlägt sich in unseren Prüfungen nieder.

Die HFA beschäftigt sich seit mehr als 30 Jahren mit dem Thema Einbruch. Früher haben wir versucht, die Konstruktionen ausschließlich mit standardisierten Methoden zu prüfen. Jetzt haben wir den manuellen Einbruchsversuch in unser Prüfprogramm aufgenommen. Diese Versuche beschreiben wir aber bestmöglich, damit wir eine europaweite Reproduzierbarkeit der Prüfungen erreichen. Durch unseren Prüfstellenausschuss, der von Deutschland, Österreich und der Schweiz gegründet wurde und heute alle namhaften europäischen Institute umfasst, können wir uns in diesem Kreis regelmäßig zur gemeinsamen Schulung treffen, unsere Prüfer diskutieren neue Methoden und darüber, wie Werkzeuge entsprechend einzusetzen sind. Alles, was in der Norm nicht vollständig oder ausreichend exakt beschrieben ist, wird in diesem Ausschuss innerhalb der europäischen Prüfstellen abgestimmt. Das hat zu einer sehr guten Reproduzierbarkeit der Methoden geführt.

GLASWELT: Hat sich das in der Materialwahl niedergeschlagen, dass man z.B. von Holz vermehrt zu Stahltüren wechselte?

Schober: Das, was heute sicherheitstechnisch gefordert ist, lässt sich mit allen Materialien realisieren. Die klassischen Holztürenhersteller erreichen problemlos WK 4. Für unser Institut haben die erhöhten Sicherheitsanforderungen neue Kunden gebracht: Während wir früher mehrheitlich Kunden aus dem Bereich Holz hatten, sind jetzt auch viele Metalltürenhersteller dabei.

GLASWELT: Wie entwickelt sich das Themenfeld des Energiesparens?

Schober: Die energetische Optimierung wird in unserem Institut und dem Fenster-Türen-Treff (FTT) weiterhin ein zentrales Thema bleiben. Da entwickelt sich viel auf Seiten der Gesetzgebung und Normen. Die Glasindustrie hat vieles vorgegeben und wir werden in nächster Zeit noch diverse Entwicklungen erleben.

Das Thema der sommerlichen Überhitzung, das nicht nur von den Fensterbauern, sondern von der gesamten Bauindustrie heute noch unterschätzt wird, sollte sich auch sehr stark entwickeln. Die Branche kämpft mit immer größeren Fensterelementen und entsprechenden Wärmeeinträgen, was sich bis in unseren Prüfalltag hinein verfolgen lässt. Zusätzlich stellen wir fest, dass große Elemente oft die Windbelastung nicht überstehen. Auch hier werden viele Kräfte unterschätzt, die mit der Statik des Fensters zusammenhängen.

GLASWELT: Das führt zur Frage nach den Beschlägen…

Schober: Betrachtet ­man das klassische Dreh-Kipp-Fenster: Der Trend geht hier zu komplett verdeckt liegenden Beschlägen, die jedoch in den schmalen Rahmen kaum noch Platz finden und erst recht keine noch höheren Gewichte mehr aufnehmen können. Meiner Meinung nach ist das Dreh-Kipp-Fenster nicht der Weisheit letzter Schluss. Der Fensterkunde kennt ja auch nichts anderes und daher traut sich kein Hersteller, andere Mechanismen anzubieten.

Bei den Großflächenelementen laufen aktuell ­ einige Entwicklungen, die Schiebeelemente grundsätzlich anders anzutreiben, denn sie sind mit Muskelkraft kaum noch zu bedienen. Das gilt besonders für große Elemente mit Dreischeibenverglasungen. Die heutigen Antriebstechniken sind auf jeden Fall noch entwicklungsfähig. Derzeit ist das noch ein Forschungsthema.

GLASWELT: Wird das Kastenfenster bei der HFA noch thematisiert?

Schober: Aber natürlich. Bei dem FTT 2010 wird es um die geschichtliche Entwicklung des Fens­ters im städtischen Raum gehen. Es wird über das historische Fenster informiert und was es leis­tet. Des Weiteren, warum es wichtig ist, gewisse ­his­torische Fenster so zu erhalten, wie sie sind. Das ist gerade bei Handwerkern ein immer aktuelles Thema. Und es gibt einen Beitrag über das klassische Kastenfenster, wobei gerade das Wiener Kastenfenster einige Besonderheiten aufweist. Hier geht es darum, wie dieses Fenster konstruktiv vernünftig zu sanieren ist. Zum Teil werden nur die Außenflügel getauscht oder in den alten Fensterstock ein neues Fenster montiert. Der Nachteil einer derartigen ­Teilsanierung besteht jedoch darin, dass kein vernünftiger Maueranschluss hergestellt wird. Das Fenster mag in diesem Fall zwar dicht sein, es pfeift jedoch zwischen Mauerwerk und Stockrahmen hindurch.

GLASWELT: Was steht bei dem Programm des 10. Fenster-Türen-Treffs im Fokus?

Schober: Die Sanierung wird das Hauptthema sein. Schließlich gewinnt die Sanierung von Gebäuden – und damit auch von Fenstern und Türen – unabhängig von den unterschiedlichen Konjunkturprogrammen immer mehr an Bedeutung. Wir beginnen am ersten Programmtag mit dem Denkmalschutz und dem Vortrag „Die Entwicklung des Fensters im städtischen Raum“, der Erhaltungsperspektiven aufzeigt. Dann geht es zur Sanierung des Kastenfensters, Möglichkeiten der Bauaufnahme und zur beispielhaften energetischen Sanierung durch Fenstertausch.

Auch einer Hochhaussanierung – nämlich der Wirtschaftskammer in Wien, in der auch die Veranstaltung stattfindet – wird ein Vortrag gewidmet sein. Dabei geht es auch um Haustechnik und über den Einsatz von Photovoltaik, ihre Grenzen, Möglichkeiten und Grundlagen.

GLASWELT: Ist auch der Wärmeschutz ein Thema?

Schober: Da gibt es einige Programmpunkte: Beispielsweise die klassischen Grundlagen wie Psi-Werte und Rahmen U-Werte. Und es wird einen Beitrag zur Thermographie geben, sowie das unendliche Thema „Kondensat am Fenster“, für das die Branche dringend Lösungen benö­tigt. Unserer Erfahrung nach ist eine Familie, die in einem luftdichten Neubau oder entsprechender Sanierung lebt, kaum in der Lage, die Feuchtigkeit, die sie durch normales Wohnen produziert, ausschließlich durch Fensterlüftung abzutransportieren, denn sie sind tagsüber nicht zu Hause. Die Lösung der aktuellen Kondenswasserproblematik liegt in einer nutzertunabhängigen Grundlüftung durch das Fenster und 3-Scheibengläser.—

Der Jubiläums-Fenster-Türen-Treff

Der 10. Fenster-Türen-Treff (25.+26.02.2010) stellt das Thema Sanierung in den Mittelpunkt. Im Reigen der Vorträge wird dabei der Bogen von den Fragen des Fenstertausches über die hochwertige Fassadensanierung unter Einbeziehung der Photovoltaik bis hin zu innovativen Fensterkonstruktionen aus aller Welt gespannt.

Aus Anlass des runden Jubiläums findet der FTT 2010 in Wien statt, und damit in unmittelbarer Nähe der Holzforschung Austria. Ausreichend Raum und Zeit für Kommunikation ­und Ideenaustausch werden die Teilnehmer in den Pausen und bei der Abendveranstaltung finden. Mehr Infos: https://www.holzforschung.at/

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