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Farbige Solarpaneele aus Glas

Photovoltaik gestaltet Fassaden

Die EU Energie- und Umweltziele ­ ­20-20-20 – 20 % weniger Treib­haus­gase, 20 % weniger Energieverbrauch und 20 % Strom aus erneuerbarer Energie – führen dazu, dass in der novellierten Gebäuderichtlinie bis 2020 ein Null-Energiegebäude zwingend ge­fordert werden wird. Dabei kann die Erzeugung erneuerbarer Energien (Wärme, Licht) positiv angerechnet werden. In diesem Zusammenhang gewinnt die Photovoltaik als integraler Bestandteil energetisch und gestalterisch betrachtet zunehmend an Bedeutung.

In der Vergangenheit beschränkte sich die Rolle der Fassadenkonstruktion energetisch betrachtet eher auf die eines passiven Elementes. Einerseits wird die Minimierung der Energieströme von innen nach außen über eine möglichst effiziente Wärmedämmung umgesetzt. Andererseits werden solare Gewinne durch die Verwendung transparenter Bauteile realisiert.

Durch die Möglichkeiten der Integration von Photovoltaik in die Fassade wandelt sich diese passive in eine aktive Rolle. Zwar liegen ausrichtungsbedingt keine idealen Voraussetzungen für maximale Erträge wie beispielsweise bei einer ­ Freianlage vor, dennoch kann dieser Nachteil durch die Multifunktionalität als gleichzeitiges Außenwand­element kompensiert werden.

Photovoltaik-Elemente lassen sich in unterschiedliche Fassadenkonstruktionen integrieren. Geeignet sind vorgehängte, hinterlüftete (VH-)Fassaden, Pfosten-Riegel-Fassaden, Doppelfassaden und Elementfassaden.

Die VH-Fassade ist aufgrund ihrer Hinterlüftung prädestiniert für den Einsatz von PV-Elementen. Die elektrischen Installationen und Anschlüsse lassen sich auf der Modulrückseite unterbringen. Die Hinterlüftung garantiert geringere Modultemperaturen und wirkt sich damit positiv auf den Wirkungsgrad aus. In der Betriebsphase bei Reparatur oder Wartung sind die PV-Elemente leicht zugänglich und einzeln austauschbar.

Beim Einsatz in Pfosten-Riegel-Fassaden bieten sich vorrangig opake Bereiche wie Brüstungs- oder Attikabereiche für die Integration der PV-Module an. Im Bereich von Oberlichtern können teiltransparente Module als Sonnenschutz eingesetzt werden.

Aber auch Doppel- oder Elementfassaden bieten sich für die Integration von PV-Elementen an und bieten vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten.

Farbige Module setzen Akzente

Der architektonische Einsatz von PV-Modulen traf bei Bauherren, Architekten und Behörden lange Zeit auf verhaltene Akzeptanz. Neben den relativ hohen Investitionskosten und dem z.T. fehlenden Know-how auf Planerseite lag dies nicht zuletzt an der eingeschränkten Produktpalette und dem auffälligen Erscheinungsbild herkömmlicher ­ PV-Module aus kristallinen Silizium-Zellen.

Module in Dünnschichttechnologie bestechen durch ihr homogeneres Erscheinungsbild. Zudem eröffnen sich durch farbige Module völlig neue Möglichkeiten der Gestaltung, die die niedrigeren Wirkungsgrade im Vergleich zu PV-Modulen mit kristallinen Silizium-Zellen relativieren.

In einer Forschungs-Arge und mit Industriepartnern, gefördert vom Bundesamt für Bauwesen im Rahmen der Forschungsinitiative „Zukunft Bau“, wurde ein praxistaugliches Bauprodukt für VH-Fassaden entwickelt. Damit sind nun auch homogen weiße, gelbe, rote, grüne, blaue oder schwarze Oberflächen möglich. Die PV-Dünnschichtmodule werden auf einer Trägerplatte aus geschäumtem Recyclingglas vollflächig verklebt und über rückseitig angebrachte Tragprofile in die Unterkonstruktion eingehängt, sodass keine Befestigung sichtbar wird. Der Wärmeschutzstandard wird über individuelle Dämmstoff­dicken auf der Außenwand gewährleistet.

Im Rahmen des Forschungsprojektes wurde am Institut für Baubetriebswesen, Lehrstuhl für Bauverfahrenstechnik, ein Simulationstool entwickelt, das einen wirtschaftlichen Vergleich der Investitions- und Lebenszykluskosten einer VH-Fassade mit Glasbekleidung gegenüber der PV-Bekleidung realistisch zulässt. Die Berechnungen beruhen grundsätzlich auf der Überlegung, dass ein potenzieller Bauherr nicht vor der Entscheidung zwischen PV-Anlage und keiner PV-Anlage steht, sondern für sein Gebäude eine Wahl zwischen zwei Fassadensystemen unter monetären Gesichtspunkten treffen will.

Das Inbetriebnahmejahr, der Anteil an Eigen- und Fremdkapital sowie die unterschiedlichen Fördermöglichkeiten für den Fremdkapitalanteil flossen wie der Standort in Deutschland in die Simulation ein. Die Herstellkosten der PV-VH-Fassaden sind einmalige Ausgaben für PV-Module, Unterkonstruktion sowie elektrische Systemtechnik. Da die PV-VH-Fassade deutlich höhere Anforderungen an Planung und Koordination stellt, wurden die Baunebenkosten mit einem doppelt so hohen Ansatz berücksichtigt. Die Lebenszykluskosten beinhalten beispielsweise Betriebsführung, Reparaturen, Wartung und Instandhaltung, aber auch Versicherung oder Zählermiete.

Einnahmen existieren ausschließlich auf der Seite der PV-VH-Fassaden. Sie resultieren aus der Einspeisevergütung nach dem Erneuerbare-Ener­gien-Gesetz (EEG). Für eine neu errichtete PV-Anlage ist die zum Inbetriebnahmezeitpunkt geltende Vergütung für eine Dauer von 20 Jahren gesetzlich festgeschrieben, allerdings sieht das EEG ein degressives Vergütungssystem vor: je später der Inbetriebnahmezeitpunkt, desto geringer die Vergütung. Dies soll den Innovationsdruck auf die Hersteller erhöhen und dafür sorgen, dass sich die Erzeugerkosten für PV-Strom und der Endpreis des konventionellen Stroms angleichen. Der Betrachtungszeitraum im Simulationstool ist angelehnt an die nach EEG festgesetzte Förderdauer von 20 Jahren, da sich aus wirtschaftlicher Sicht die Mehrkosten der PV-Fassade auch in dieser Zeit amortisiert haben sollten.

Die erzielbaren Jahreserträge sind primär abhängig vom Makro- und Mikrostandort und damit von der standortspezifischen, über das Jahr veränderlichen Sonneneinstrahlung unter Berücksichtigung von Verschattung und Verschmutzung. Darüber hinaus spielen anlagenspezifische Parameter eine Rolle, wie beispielsweise die Leistungsminderung infolge der Farbigkeit der Module. Die Leistungsverluste variieren dabei in Abhängigkeit der Farbe, aber auch der jeweiligen Farbintensität des Moduls. Aber: Mithilfe des Simulationstools konnte aufgezeigt werden, dass für einzelne Farben sogar eine reine Ost- oder Westausrichtung der PV-Fassade über 20 Jahre wirtschaftlich rentabel sein kann.

Bei den heutigen Entwicklungen stehen die Chancen gut, dass die PV-Fassadensysteme auch nach Ablauf der 20 Jahre weiter PV-Strom erzeugen. Insofern würde sich die wirtschaftliche Rentabilität weiter zu Gunsten der PV-Fassade verändern. Aufgrund der Vielzahl variabler Eingangsgrößen, ist eine monetäre Bewertung im Einzelfall zu empfehlen.

Fassaden mit innovativen farbigen PV-Modulen – aktuell nur für repräsentative Gebäude mit hochwertigen Fassaden wirtschaftlich darstellbar – könnten bereits in naher Zukunft durch ihren positiven Beitrag zur geforderten Gesamtenergiebilanz auch aus Effizienzgründen sehr attraktiv werden. —

Die Autoren

Prof. Dr.-Ing. Peter Jehle, Dipl.-Ing. Nadine Schubert; Technische Universität Dresden Institut für Baubetriebswesen.

http://www.tu-dresden.de/biwibb

Weiterführende Literatur

[1] Prof. Dr.-Ing. Bernhard Weller, Claudia Hemmerle, Sven Jakubetz, Stefan Unnewehr: Photovoltaik, 2009.

[2] Prof. Dr.-Ing. Bernhard Weller, Dr.-Ing. Susanne Rexroth: Adaption und Weiterentwicklung der Photovoltaik-Dünnschichttechnologie für Kompositpaneele mit teils farbigem Glas für den Einsatz in vorgehängten hinterlüfteten Fassaden, 2008.

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