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Einzelfallprüfung für Punkthalter (Teil 2)

Konstruieren ohne Planungskorsett

Bei der Fassadenplanung reduziert die frühe detaillierte Betrachtung einer (Punkthalter-) Konstruktion in allen ihren relevanten Fragen das Risiko, dass kostenintensive und sicherheitsrelevante Punkte unbemerkt bleiben. Aber auch bei Verglasungen ohne sicherheitsrelevante Anforderungen kann die Zustimmung im Einzelfall (ZiE) sinnvoll sein: aufgrund gestalterischer Freiheiten, oder weil wirtschaftlichere Scheibenaufbauten möglich sind. Es besteht kein Planungskorsett und alle Beteiligten können von vorne herein alle technischen, konstruktiven und montagetechnischen Fragen optimal abstimmen.

Mit einer Einzelfallzulassung muss man in Bezug auf Design, Kreativität bei der Planung und in der Technik sowie bei der Ausführung keine Einschränkungen in Kauf nehmen.

Mit einer ZiE wird die anwendungsbezogene Verwendbarkeit von geregelten und nicht geregelten Bauprodukten für ein Bauvorhaben festgelegt. Für die Verwendbarkeit, die Gebrauchstauglichkeit, die Tragfähigkeit und die Dauerhaftigkeit eines Punkthaltersystems dienen Typenprüfungen, Langzeitversuche, statische Berechnungen, Gutachterstellungnahmen und langjährige Referenzen um die Genehmigung bzw. eine ZiE zu vereinfachen. Die Produkthersteller wirken meist am Genehmigungsverfahren mit, welches bei oft verwendeten Produkten häufig stark abgekürzt werden kann.

Ein Antrag auf ZiE ist nicht automatisch ein langwieriger, komplizierter Prozess mit aufwändigen Bauteilprüfungen. Um auch für innovative Glaskon­struktionen eine unkomplizierte Lösung anzubieten, haben die obersten Baubehörden konstruktive Standardbedingungen festgelegt. Werden diese eingehalten, muss aus formalen Gründen eine ZiE beantragt und erteilt werden. Die zuständigen Stellen wickeln solche Anträge auf Zustimmungen je nach Situation und Arbeitsaufkommen zügig ab.

Anfang 2008 hat die Landesstelle für Bautechnik alle Merkblätter zum Thema Zustimmung im Einzelfall aktualisiert. Darunter ist u.a. das Merkblatt H1 vom 14.01.2008 – Glashalter im Rahmen von Zustimmungsverfahren in Baden-Württemberg – zu finden. Dort sind die Mindestkriterien definiert, die Punkthalterungen zu erfüllen haben, um einfach eine Zustimmung zu erhalten. Auf den Internetseiten der zuständigen Behörden können die aktuellen Bestimmungen abgefragt werden.

Der Antrag auf die ZiE erfolgt formlos mit einer Projektbeschreibung unter Angabe folgender Punkte: Antragsgegenstand (Art und Verwendung des Bauprodukts), Bauvorhaben (genaue Adresse), Antragsstelle (Adresse mit Telefon/Fax/E-Mail), Bauherr (genaue Adresse), zuständige untere Bauaufsichtsbehörde (genaue Adresse), Aufsteller der Standsicherheitsnachweise (ein in dieser Materie erfahrener Statiker) sowie ein Prüfingenieur für die Baustatik (genaue Adresse). Oft wird das Statikbüro, das bereits die erforderlichen Nachweise führt beauftragt, die Antragstellung und die Betreuung der ZiE zu übernehmen.

Zusätzlich sollten als Anlagen noch dem Antrag hinzugefügt werden:

  • Konstruktionszeichnungen (Übersichtsplan zum Einbauort der Gläser/Zeichnungen mit Glasmaßen mit Glaslisten/Details zur Lagersituation)
  • Nachweis der Standsicherheit (Statik mit FEM-Berechnung)
  • Nachweis der Gebrauchstauglichkeit (Gutachterliche Stellungnahme für Punkthalter, Glasqualität, Versuchsberichte usw.)
  • Falls verfügbar, ähnliche Referenzprojekte, Versuchsberichte anderer Bauvorhaben, wenn diese analog übertragbar sind.

Nach Abgabe der o.g. vollständigen Unterlagen wird in der Regel die Zustimmung im Einzelfall erteilt. Empfehlenswert ist es, den formlosen Antrag rechtzeitig einzureichen und mit der zuständigen obersten Bauaufsicht die Anforderungen abzuklären bzw. bei welchen konstruktiven Änderungen auf bestimmte Untersuchungen verzichtet werden kann.

Die ZiE ist nicht so schlimm: Weder Dauer, Planungsrisiken noch Kosten sind hoch einzuschätzen (variieren aber von Bundesland zu Bundesland).

Sicher ist, dass zum Thema „Punktgehaltenes Glas“ die obersten Bauaufsichten auf fast 20 Jahre Erfahrung und Kenntnisse zurückblicken können und zu unterscheiden wissen, ob einem Antrag relativ rasch zugestimmt werden kann oder ob weitere Untersuchungen, Versuche und spezielle Gutachten erforderlich sind.

Falls spezielle versuchstechnische Untersuchungen für das Bauvorhaben geführt werden müssen, sollten diese vorab mit der obersten Baubehörde abgestimmt werden. Die Versuche können entweder an einer amtlichen Materialprüfungsanstalt oder einer anerkannten Prüfstelle durchgeführt werden. Unter Aufsicht von Mitarbeitern der Prüfstelle ist es auch möglich, die Prüfungen beim Antragsteller selbst oder auf der Baustelle durchzuführen. Die Ergebnisse werden in Form eines Prüfberichtes dokumentiert. Mittlerweile gibt es außerdem anerkannte Rechenverfahren, die einen Pendelschlagversuch simulieren.

Was ist bei den Prüfungen relevant?

Das Ziel von Versuchen ist es, eine Gefährdung von Verkehrsflächen unterhalb der Verglasungen durch herabfallende Glasbruchstücke auszuschließen. Diese Versuche betreffen hauptsächlich das Glas. Der Bruch einer Scheibe kann durch Planungs- bzw. Ausführungsfehler, durch den Einsatz von vorbeschädigtem Glas, durch herabfallende Gegenstände oder durch Vandalismus verursacht werden.

Solche Szenarien versucht man durch Planungskontrolle, Versuche und Einbaukontrollen weitgehend im Vorfeld auszuschließen. Auch die Verwendung eines Produktes mit AbZ oder nach den TRPV Richtlinien, ändert an dieser Situation und den genannten Gefahren nichts.

Aus Erfahrung und nach der Realisierung von weit über 1000 punktgehaltenen Glasanwendungen mit in allen Bundesländern erteilten Zustimmungen im Einzelfall, kann ohne weiteres bestätigt werden, dass beim Einsatz eines bewährten Systems unter kontrollierten und beherrschten Bedingungen und bei der Vorlage aller geforderten Unterlagen die Erlangung einer Zustimmung im Einzelfall problemlos war und ist, und sich in einem vernünftigen Zeit- und Kostenrahmen bewegt.

Die Bearbeitung des ZiE-Antrags dauert je nach Auftragsaufkommen der jeweiligen Baubehörde zwischen zwei bis vier Wochen. Die Gebühren der Behörde belaufen sich abhängig vom Aufwand in der Regel zwischen einem zweistelligen bis vierstelligen Eurobetrag. Nur in Sonderfällen können Kosten für zusätzliche Gutachten und Bauteilversuche anfallen.

Auf dem Markt zeichnen sich zwei Tendenzen/Vorgehensweisen ab. Eine Gruppe vertritt die Meinung, ein Marktvorsprung lasse sich nur über eine AbZ verschaffen. Die andere Gruppe weiß (nach 20 Jahren Praxiserfahrung), dass sich dieser Vorsprung durch eine durchdachte Technik und über eine ZiE problemlos, effektiv und wirtschaftlicher erzielen lässt.

Es geht nicht nur rein um den Verkauf eines Katalogprodukts, sondern auch um verantwortungsvolles Bauen in puncto Sicherheit, Gestaltung, wirtschaftlicher Montage und wartungsfreier, langlebiger Materialen. —

Der Autor

Henri Balekjian ist geschäftsführender Gesellschafter der osp präzisionsteile GmbH. Als Bauingenieur entwickelt und ­kon­struiert er seit fast 20 Jahren Glasbeschläge und Punkthalterkonstruktionen.

https://www.gebo-net.com/

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