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Interview mit Prof. Christian Niemöller

Die aktuelle Rechtslage bei ESG

Glaswelt – Sehr geehrter Herr Niemöller, wie sieht heute die aktuelle, gängige Sichtweise bei ESG bzw. ESG-H in der Rechtsprechung aus?

Christian Niemöller – Bereits seit einigen Jahren zeichnet sich in der Rechtsprechung der Trend ab, im Falle von Spontanbruchereignissen bei ESG bzw. ESG-H den Glasproduktionsprozess genauer unter die Lupe zu nehmen. „Kriegsentscheidend“ ist hierbei, ob der Nachweis eines ordnungsgemäßen Heat Soak Tests (HST) gelingt oder nicht. Vorläufiger Endpunkt dieser Rechtsprechungsentwicklung ist ein Urteil des OLG Dresden vom 15.12.2009 (Az. 14 U 912/08, Anmerk. d. Red.: Den Download-Link findet man am Ende des Beitrags). Das Gericht hat die Verpflichtung eines Lieferanten von ESG-Fassadenverglasungen zum Schadensersatz festgestellt. Der Lieferant wurde verurteilt, weil er nicht den Nachweis erbringen konnte, dass sein Vorlieferant (der Glashersteller) einen ordnungsgemäßen HST durchgeführt hat. Der Bundesgerichtshof hat die Nichtzulassungsbeschwerde des Lieferanten aktuell mit Beschluss vom 10.02.2011 zurückgewiesen (Az. VII ZR 2/10).

Glaswelt – Was hat sich gegenüber den letzten beiden Jahren verändert?

Niemöller – Neu an der Entscheidung des OLG Dresden und der Bestätigung des BGH vom Februar 2011 ist vor allem die durch das Gericht vorgenommene Beweislastverteilung: Grundsätzlich muss ein Käufer bzw. Auftraggeber, der Mängelrechte geltend macht, beweisen, dass ein Sachmangel bereits bei Abnahme bzw. Übergabe vorgelegen hat. Im Falle des Heat Soak Tests muss, so das OLG Dresden, hiervon abweichend der Lieferant beweisen, dass der HST tatsächlich ordnungsgemäß durchgeführt wurde, denn nur dieser habe Kenntnis über Einzelheiten des Produktionsablaufs. Das Gericht stützte die Verurteilung des Lieferanten primär auf eine unzureichende Dokumentation, da nicht für sämtliche Gläser Werksbescheinigungen vorgelegt werden konnten. Ebenso konnte das seinerzeit geführte Ofenbuch des Glasherstellers nicht vorgelegt werden. Dem Lieferanten half es dabei nicht, dass er das Glas nicht selbst hergestellt hatte.

Glaswelt – Wo sehen Sie nach wie vor Fallstricke beim Verwenden und Verbauen von ESG für den ESG-Hersteller sowie für den Fensterbauer bzw. für den Montagebetrieb?

Niemöller – Alle Beteiligten, vom Glashersteller über die Lieferanten und Verarbeiter bis hin zum Bauherrn, sind gehalten, ihr Augenmerk auf eine ordnungsgemäße Dokumentation des normgerechten Glasproduktionsprozesses zu richten. Mängel der Dokumentation sind jeweils unverzüglich zu rügen. Im Schadensfall muss gegenüber dem Kunden der lückenlose Nachweis eines ordnungsgemäßen HST für alle gelieferten bzw. verarbeiteten Gläser erbracht werden können. Da Spontanbruchereignisse über mehr als zehn Jahre auftreten können, ist die Dokumentation über einen entsprechenden Zeitraum aufzubewahren. Zudem gilt weiterhin, dass das Spontanbruchrisiko auch bei ESG-H-Erzeugnissen, die einem ordnungsgemäßen HST unterzogen wurden, nicht vollständig auszuschließen ist. Hierauf ist der Bauherr, der eine ESG-H-Fassadenverglasung beauftragt, schriftlich hinzuweisen, um der Aufklärungspflicht zu genügen. —

Die Fragen stellte MatthiasRehberger, der Chef­redakteur der GLASWELT. Das Urteil des OLG Dresden zu ESG (Az. 14 U 912/08) ist u.a. auf IBR-online veröffentlicht und dort kostenlos abrufbar unter

http://www.ibr-online.de

Tipp der Redaktion: Weitere Informationen zum Thema findet man im ESG-Dossier auf https://www.glaswelt.de/. Dort im Suchfeld einfach den Webcode 970 eingeben.

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