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Aus Forschung & Entwicklung: Geklebte Ganzglaskonstruktion (Teil 2)

Keine leichte Aufgabe

Das Bauprojekt war für alle Beteiligten Neuland und die enge Zusammenarbeit ein Muss: Art und Umfang der notwendigen Bauteiltests wurden zwischen der Obersten Bauaufsichtsbehörde, der Prüfstelle und dem Planungsteam genau abgestimmt. Frühere Untersuchungen zu geklebten Rahmenecken lieferten bereits vielversprechende Ergebnisse: die Klebungen blieben intakt, während das Glas versagte. Im Zuge des Zustimmungsverfahrens waren Versuche an Substanzproben, kleinteiligen Prüfkörpern und Bauteilmustern erforderlich, um belastbare Materialkennwerte zur Bewertung der Tragfähigkeit zu ermitteln. Die Alterungsbeständigkeit und die Tragfähigkeit wurden geprüft sowie die Herstellung der Klebungen erprobt.

Die numerische Berechnung der Glaskonstruktion erforderte eine detaillierte Aussage zum Materialverhalten des Acrylatklebstoffs bei unterschiedlichen Temperaturen und Dehnungen. Der maßgebende Temperaturbereich für die Klebung wurde gutachterlich auf -20 °C bis +60 °C bestimmt. Die Materialkennwerte wurden daher im Zugversuch an standardisierten Schulterstäben bei -20 °C, +23 °C und +60 °C ermittelt. Bei höheren Temperaturen zeigte der ­Acrylatklebstoff eine deutlich reduzierte Material­steifigkeit. Die Messdaten erlaubten die direkte Ableitung des Elastizitätsmoduls gemäß der Querdehnzahl. Die Haftung des Acrylatklebstoffs wurde in Druck-Scherversuchen an ungealterten und gealterten Prüfkörpern untersucht.

Tragfähigkeit an Musterbauteilen

Die Tragfähigkeit der geklebten Glas-Rahmen­ecke musste im experimentellen Nachweis bestätigt werden. Sechs Bauteilmuster wurden einem Belastungstest bei Raumtemperatur unterzogen. Die Muster, einhüftige Rahmen mit kurzen Schenkeln von 0,75 m Länge, entsprachen in den Abmessungen der Eckverbindung und dem Verglasungsaufbau dem Originalbauteil und wurden in Prüfrahmen eingespannt.

Als charakteristische Belastung für den Versuch wurde das maßgebende Moment an der Rahmenecke aus den statischen Berechnungen zugrunde gelegt und über eine Ersatzlast am vorderen Ende der Musterecke aufgebracht. Die Vertikallast wird über einen Kunststoffklotz identisch zur endgültigen Ausführung abgetragen. Das Versuchsprogramm sah eine stufenweise Laststeigerung bis zum 3-fachen charakteristischen Bemessungsmoment vor. Sämtliche geprüften Musterbauteile hielten der geforderten Belastung stand, ohne dass die Klebverbindung oder das Glas versagten. Im Rahmen des Zustimmungsverfahrens konnte die Verwendbarkeit somit nachgewiesen werden.

Untersuchung zur Klebtechnologie

Eine blasenfreie Herstellung der nur knapp 2 mm breiten Klebfuge und die homogene Aushärtung einer verhältnismäßig großen Menge Klebstoffes, war eine der wesentlichen Herausforderungen dieses Projektes. Bisherige Anwendungen des gewählten Acrylatklebstoffs waren auf punktuelle Klebverbindungen beschränkt. Es bestanden keine Erfahrungen in Bezug auf die Umsetzung von Klebungen mit flächiger Geometrie. Der verwendete einkomponentige und lösungsmittelfreie Acrylatklebstoff härtet unter Bestrahlung mit sichtbarem Licht oder UV-Strahlung im Wellenlängenbereich von 320 bis 420 nm aus. Danach verfügt der Klebstoff über seine Endfestigkeit und alle weiteren, für die Klebung relevanten Materialeigenschaften. Die Aushärtung der Klebschicht wird von Werkstoffdicke und Absorption des Glases sowie Klebstoffdicke, Lampentyp und Abstand der Lampe beeinflusst. Der Ausführung ging daher eine umfassende Technologiestudie voraus.

Die Untersuchungen erfolgten an miteinander verklebten Glasscheiben mit einer Größe von 250 x 250 mm und an Musterbauteilen analog zu den Prüfkörpern der Tragfähigkeitsversuche. Beide wiesen dieselbe Klebfugengeometrie wie die späteren Glasrahmen auf. In Abhängigkeit von der Bestrahlungsleistung änderte sich der Transparenzgrad der Verbindung bei der Aushärtung. Durch eine Modifizierung der Bestrahlungsleistung konnte die gewünschte hohe Transparenz jedoch erzielt werden.

Besonderer Beachtung bedarf der Schrumpf des Klebstoffes von etwa 8 Vol. %. An der Kontraktion ­ durch die Steifigkeit der Fügeteile behindert, kann die Volumenabnahme bei zügiger Aushärtung zum Ansaugen von Luft und somit zu Fehlstellen und Blasenbildung in der Klebung führen. Signifikante Beeinträchtigungen infolge dieses Effektes werden sowohl in Bezug auf die Tragfähigkeit als auch auf die Optik der Verbindung kritisch bewertet. Im Zuge der Technologieerprobung konnte durch Aufbringen von zusätzlichen Klebstoffreservoirs entlang der seitlichen und oberen Klebflächenränder sowie durch intermittierende Bestrahlung beider Fugen diesem Verhalten positiv entgegengewirkt werden. Am Ende der Erprobungsphase ließen sich Musterbauteile in hochwertiger Optik ohne kritische Fehlstellen reproduzierbar fertigen.

Herstellung und Montage

Die Herstellung der gläsernen Rahmen erfolgte unter kontrollierten Umgebungsbedingungen bei Raumtemperatur in einer nahe der Baustelle gelegenen Halle. Ein Lehrgerüst diente zur exakten Ausrichtung und Fixierung der einzelnen Verglasungselemente. Vor Beginn der Klebarbeiten wurde der Arbeitsbereich eingehaust, um eine unkontrollierte Aushärtung durch Tageslichteinfall zu vermeiden. Über eine eigens entwickelte Flachdüse mit ovalem Querschnitt wurde der Klebstoff in den Spalt zwischen den einzelnen Glasscheiben injiziert.

Ein Anwärmen der Glaselemente verbesserte die Fließeigenschaften des pastösen Klebstoffes. Nach Befüllung beider Klebfugen der zweischnittigen Verbindung wurde der Klebstoff durch intermittierende Bestrahlung mit UV-Leuchtröhren schrittweise ausgehärtet. Nachträglich erfolgte eine kurzzeitige Bestrahlung mittels Flächenstrahler mit hoher Leistung, um die geforderte Endfestigkeit und Steifigkeit sicherzustellen. Überflüssiger Klebstoff wurde nach der Aushärtung entfernt. Die vier fertig geklebten Rahmen wurden zur Baustelle transportiert und dort in die vorbereiteten Edelstahlköcher gehoben, verklotzt und vergossen.

Anschließend erfolgte die Montage der seitlichen Verglasungen. Deren Transport und Montage stellte hohe Anforderungen an die Ausführenden, da die Abmessungen der Elemente die übliche Liefergröße von Flachglas deutlich überschritten. Die seitlichen sowie alle weiteren Verglasungen der Außenhaut waren für die anschließenden Baustellenklebungen mit einem dünnen Silikonfilm vorbereitet worden. Dadurch ließen sich ein guter Haftverbund sowie eine hohe optische Qualität der Silikonklebungen erreichen. Die Ausführungsbedingungen und -qualität der Klebungen wurden durch Fremdüberwachung kontrolliert. —

Die Autoren

Prof. Dr.-Ing. Bernhard Weller leitet das Institut für Baukonstruktion der TU Dresden. .

Felix Nicklisch und Volker Prautzsch sind als wissenschaftliche Mitarbeiter am Institut tätig.

http://www.bauko.bau.tu-dresden.de

Die Baubeteiligten

Bauherr: Leibniz-Institut für Festkörper- und Werkstoffforschung Dresden; Architekt: Blum und Schultze Architekten, Dresden; Tragwerk: GSK - Glas Statik Konstruktion, Dresden (Planung), Glasbau Gipser, Halle (Umsetzung); Klebstoff: Delo Industrie Klebstoffe, Windach; Glasveredelung: Thiele Glas, Wermsdorf.

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