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CE-Kennzeichen

Früher Richtline, jetzt Verordnung

Nach sehr langwierigen und komplizierten Verhandlungen – galt es doch, europäisch ausgeglichene Regelungen festzulegen – ist die neue europäische Bauproduktenverordnung (BPV) am 4. April 2011 veröffentlicht worden und am 24. April 2011 in Kraft getreten, also damit auch anwendbar (die GLASWELT berichtete online und in ihrer Maiausgabe). Zwingend anzuwenden wird sie ab dem 1. Juli 2013 sein. Bauprodukte, die vor dem 1. Juli 2013 in Verkehr gebracht wurden und der BPR entsprechen, gelten mit der neuen Verordnung als konform.

Bereits in 1988 wurde vom europäischen Rat die Bauproduktenrichtlinie (BPR) erlassen, welche in Deutschland 1992 mit dem Bauproduktengesetz umgesetzt wurde. Diese Regelungen bildeten die Grundlage für die CE-Kennzeichnung von Bauprodukten. Da diese Umsetzung in einzelnen europäischen Staaten völlig unterschiedlich angegangen wurde – in Großbritannien z.B. mussten nur importierte Bauteile eine CE-Kennzeichnung tragen – sahen sich das Europäische Parlament und der Rat in der Pflicht, die Rechtsgrundlagen zu überarbeiten und für alle EU-Mitgliedsstaaten gleichermaßen rechtsverbindlich zu machen. Dazu wählte man dieses Mal die Form einer Verordnung, die ohne nationale Umsetzungsgesetzte unmittelbar für alle Mitglieder gilt. Dies schafft nun bei den Ländern Stress, die es bis dato mit einer CE-Kennzeichnung nicht so eng gesehen haben.

Mehr „wesentliche Eigenschaften“

Eine sehr wesentliche Änderung ist die Umformulierung und Erweiterung der „wesentlichen Eigenschaften“ an Bauwerken, die jetzt „Grundanforderungen“ heißen und sich wie folgt darstellen:

  • Mechanische Festigkeit und Standsicherheit
  • Brandschutz
  • Hygiene, Gesundheit und Umweltschutz
  • Sicherheit und Barrierefreiheit der Nutzung
  • Schallschutz
  • Energieeinsparung und Wärmeschutz
  • Nachhaltige Nutzung der natürlichen Ressourcen

Die hervorgehobenen Bereiche sind neu dazu gekommen und bedingen in der Umsetzung zusätzliche Überlegungen.

Ausnahmen bei der CE-Kennzeichnungspflicht

Anders als bislang, wo sich BPV und Bauproduktengesetz (BPG) lediglich auf das „Inverkehrbringen“ von Bauprodukten bezogen hat, wird zukünftig darüber hinaus auch das allgemeine „Bereitstellen auf dem Markt“ in die Regelungen einbezogen. Damit ist eindeutig bestätigt, dass auch die handwerkliche Bautätigkeit ohne die „­Handelsstufe“ zunächst voll von der Verordnung erfasst ist. Die BPV definiert dann zunächst die Herstellerpflicht zu einer „Leistungserklärung“ – ­bisher hätte man dazu CE-Erklärung gesagt –, wenn sein Produkt von einer harmonisierten Norm erfasst ist. Dabei bleibt die Verantwortung des Erklärenden für die Konformität des Bauproduktes mit der erklärten Leistung bestehen.

Schnell kommt die BPV dann zu der „Ausnahme von der Pflicht zur Erstellung einer Leistungserklärung“. Die hier genannten Tatbestände lesen sich wie speziell auf die übliche handwerkliche Vorgehensweise zugeschnitten:

  • individuell oder als Sonderanfertigung nicht im Rahmen einer Serienfertigung hergestellte Bauprodukte, denen ein besonderer Auftrag zugrunde liegt und die in einem bestimmten einzelnen Bauwerk vom Hersteller „nach den geltenden nationalen Vorschriften für die sichere Ausführung des Bauwerkes“ selbst eingebaut werden.
  • auf der Baustelle … gefertigte Produkte
  • auf traditionelle Weise oder zum Erhalt des kulturellen Erbes in nicht industriellen Verfahren nach den geltenden nationalen Vorschriften hergestellte Bauprodukte.

Sehr eindeutig kommt bei diesen Ausnahmen zum Ausdruck, dass „keine CE-Kennzeichnung“ nicht heißt: es muss überhaupt nichts gemacht werden oder es bestünden keine Anforderungen. Die hier genannten „nationalen Regelungen“ würden etwa für Fenster die Anwendung der langjährig bestehenden Ü-Zeichen-Vorgaben in der Bauregelliste bedeuten.

Der neu eingeführte Begriff der „Leistungserklärung“ entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als eine Zusammenführung der bisherigen „CE-Konformitätserklärung“ mit der eigentlichen CE-Kennzeichnung. Durch die zukünftig deutlich erweiterten Angaben, die neben vielen bürokratischen Hinweisen insbesondere die (maximalen) Leistungseigenschaften z.B. des Fenstersystems enthalten, werden speziell die Hersteller zu mehr Papierkrieg gezwungen. Die Leistungserklärung kann in gedruckter oder elektronischer Form zur Verfügung gestellt werden; für die Veröffentlichung auf einer Internetseite muss die Europäische Kommission eine separate Genehmigung erteilen. Eine individualisierte CE-Kennzeichnung ist an den Bauprodukten anzubringen, für die eine Leistungserklärung erstellt worden ist. „Indem er die CE-Kennzeichnung anbringt oder anbringen lässt, gibt der Hersteller an, dass er die Verantwortung übernimmt für die Konformität des Bauproduktes mit dessen erklärter Leistung sowie für die Einhaltung aller geltenden Anforderungen, die in dieser Verordnung und in allen einschlägigen Harmonisierungsvorschriften der Union, die die Anbringung vorsehen, festgelegt sind.“

Die Anbringung der CE-Kennzeichnung soll in erster Linie auf „dem Produkt oder einem daran befestigten Etikett“ erfolgen. „Falls die Art des Produkts dies nicht zulässt oder nicht rechtfertigt, wird sie auf der Verpackung oder den Begleitunterlagen angebracht.“ Für Fenster und Haustüren wird die direkte Kennzeichnung am Produkt selbst – so GLASWELT Experte und Autor Reiner Oberacker – nicht für sinnvoll gehalten. Die „Begleitunterlage“ ist doch eher das Mittel der Wahl. Diese kann gleichzeitig für mehrere Fenster gelten. Auch können darin tabellarisch verschiedene Fensterausführungen beschrieben werden (siehe beigefügte Tabelle).

Neu ist, dass die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, „Produktinformationsstellen“ einzurichten. Diese Stellen haben die Aufgabe, „Informationen über Bestimmungen in transparenter und leicht verständlicher Formulierung bereitzustellen, mit denen darauf abgezielt wird, dass die für den Verwendungszweck […] geltenden Grundanforderungen an Bauwerke erfüllt werden.“ In Deutschland wird diese Aufgabe wahrscheinlich der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung (BAM) zugeordnet werden.

Pflichten der Wirtschaftsakteure

Als Wirtschaftsakteur hat der Hersteller von Bauprodukten eine ganze Reihe von Pflichten:

  • Erstellung einer Leistungserklärung und Anbringen der CE-Kennzeichnung.
  • Als Grundlage der Leistungserklärung ist eine technische Dokumentation zu erstellen.
  • Bei Serienfertigung sollen entsprechende Verfahren angewendet werden, die die erklärte Leistung beständig sicherstellen.
  • Der Hersteller muss seine Bauprodukte mit einer Typen-, Chargen- oder Seriennummer oder durch eine andere Kennzeichnung identifizierbar machen (siehe Foto). Der Name und die Anschrift können auch in dem Begleitpapier verzeichnet sein.
  • Dem Produkt sind eine Gebrauchsanleitung und die Sicherheitsinformationen in der Sprache des Verwendungslandes beizufügen.
  • Der „Hersteller händigt den zuständigen nationalen Behörden auf deren Verlangen alle Unterlagen, die für den Nachweis der Konformität des Bauproduktes mit der Leistungserklärung […] erforderlich sind aus.“

Anmerkung des Autors: Nur im Streitfall müssen Prüfzeugnisse, Berechnungen und Aufzeichnungen der werkseigenen Produktionskontrolle (WPK) auf den Tisch gelegt werden.

Andere Akteure – andere Pflichten

Mit Bevollmächtigten, Importeuren und Händlern sind weitere von der BPV betroffene Wirtschaftsakteure benannt. Speziell die Händler, die bei Fenstern und Türen sehr häufig nicht selbst produzierende Monteure sind, haben ebenfalls eine Reihe von Pflichten. Die Wichtigste davon dürfte sein, dass er sich zu vergewissern hat, dass das von ihm auf dem Markt bereitgestellte Produkt rechtmäßig mit der CE-Kennzeichnung versehen ist und dass die Anleitungen und Sicherheitsinformationen beigefügt sind. Sie haben weiterhin sicherzustellen, dass weder durch Lagerung, noch durch Transport die für die Produkte erklärten Leistungen beeinträchtigt werden.

Harmonisierte technische Spezifikationen

Harmonisierte Normen (hEN) enthalten Verfahren und Kriterien für die Bewertung von Bauprodukten in Bezug auf ihre wesentlichen Merkmale. Sie sollen angemessene Verfahren zur Bewertung der Leistung enthalten, die möglichst weniger aufwändig sind als Prüfungen – was so viel heißt, als dass z.B. Berechnungen oder Tabellen-Ablesungen vorzusehen und möglichst vorzuziehen sind. Auch ist die anzuwendende WPK unter besonderer Berücksichtigung des Fertigungsprozesses dort zu beschreiben. Weiter wird beschrieben, dass die hEN`s die einzige Grundlage für eine Beschreibung der von der Norm erfassten Bauprodukte ist.

Eine neue Form der Beurteilung von Bauprodukten, für die keine hEN besteht oder bei denen dortige Bewertungsverfahren nicht geeignet sind, wurde mit dem „europäischen Bewertungsdokument“ eingeführt. Dieses wäre auf Antrag eines Herstellers von der (ebenfalls neuen) „Organisation der Technischen Bewertungsstellen“ unter Beachtung umfangreicher Grundsätze und Pflichten zu erstellen. Auch diese Stellen unterliegen einem umfassenden Paragraphenwerk.

Vereinfachte Verfahren

Dieses Thema war einer der Hauptgründe für die Erarbeitung der BPV. Danach kann ein Hersteller eine Typprüfung (bisher: Erstprüfung) oder Typberechnung durch eine „Angemessene Technische Dokumentation“ unter bestimmten hohen Voraussetzungen ersetzen. Der interessanteste Punkt ist hier aber die sehr eindeutige Klarstellung, dass ein Hersteller die Prüfergebnisse eines anderen Herstellers oder Systemanbieters verwenden darf, wenn hierüber eine entsprechende Vereinbarung getroffen wurde.

Anmerkung des Autors: Diese Vorgehensweise entspricht dem derzeitig angewendeten Cascading-ITT (Systemhaus-Modell).

Dass Kleinstunternehmen (das sind solche mit max. 10 Mitarbeitern und maximal 2 Mio. Euro Jahresumsatz) bei eigenen Prüfnachweisen nicht das Konformitätslevel 3, sondern 4 anwenden dürfen, ist aber keine wirkliche Erleichterung: Da diese Betriebe keine eigenen Prüfkapazitäten haben, besteht die Verfahrensvereinfachung immerhin darin, dass sie nicht in notifizierte Prüfstellen gehen müssen, sondern z.B. auf Prüfstände bei ihren Vorlieferanten zurückgreifen können. Da diese Möglichkeit theoretisch bisher bei Einzel- und Nicht-Serienfertigung für alle Betriebe bestanden hat, ist hier mit der Einschränkung auf Kleinstbetriebe eher eine Verschärfung vorgenommen worden. Für die letztgenannten Hersteller besteht die neue Möglichkeit, die Leistungsbewertung durch eine “Spezifische Technische Dokumentation“ (STD) zu ersetzen.

Anmerkung des Autors: Da solche STD`s für Fenster und Türen bisher nicht existieren, wäre dieser Nachweisweg mit erheblichen Anfangsinvestitionen für die Erstellung verbunden.

Marktüberwachung und Schutzklauselverfahren

Neben Vorgaben zu Verfahren zur Behandlung von mit Gefahr verbundenen Bauprodukten auf nationaler Ebene wird die Rolle von Marktüberwachungsbehörden neu definiert und gestärkt. Für Deutschland ist davon auszugehen, dass dies durch die Bundesländer umgesetzt werden soll. Diese werden aber in einigen Ländern im operativen Geschäft nicht ohne die Kompetenz und das Personal der unteren Bauaufsichtsbehörden auskommen. Im Rahmen eines Schutzklauselverfahrens müssen die Marktüberwachungsbehörden tätig werden und ggf. die anderen Mitgliedstaaten unterrichten, wenn ein Bauprodukt die erklärte Leistung nicht erbringt bzw. die Grundanforderungen an Bauwerke gefährdet.

Von einer gewissen Bedeutung ist der Anhang V der BPV, in dem es mit der „Bewertung und Überprüfung der Leistungsbeständigkeit“ um die Details der verschiedenen Konformitätsnachweissysteme geht. Hier hat eine Bereinigung stattgefunden: Von den bislang sechs Systemen ist das zweite weggefallen. Welches der verbliebenen Systeme für welche Produktbereiche anzuwenden ist, wird in dem jeweiligen Mandat für die entsprechende Produktnorm und in deren Anhängen benannt. Bei Fenstern und Außentüren kommt aber wie bisher im Regelfall das Konformitätssystem 3 und bei Flucht- und Paniktüren das System 1 mit der „Fähigkeit zur Freigabe“ zur Anwendung.

Kommentar des Autors

Wirklich dramatische Änderungen sind mit dem Übergang von der Bauproduktenrichtlinie auf die -verordnung nicht verbunden. Auch fehlt ein großer Wurf hin zur Vereinfachung der Nachweise oder Erleichterungen für Handwerksbetriebe. Themen zu den Regelungen bezüglich Baustoffen, Bauprodukten und Bauarten sind leider auch nicht sauber abgegrenzt. Dies ist deshalb problematisch, weil diese Regelungen nur im Zusammenspiel mit den (nationalen) Anforderungen an Gebäude greifen. Vielleicht wird es an mancher Stelle, z.B. bei Denkmalfenstern oder bei absoluten Sonderkonstruktionen durch eindeutigere Vorgaben mehr Sicherheit für die Betriebe geben. Offen ist, wie mit der Betonung der Barrierefreiheit und der ganz neuen Grundanforderung „Nachhaltigkeit“ umgegangen werden wird.

Nutzer, d.h. Lizenznehmer von großen CE-Systemen in Deutschland können davon ausgehen, dass diese Systeme die ggf. erforderlichen geringen Anpassungen an die neue Verordnung vornehmen und den Herstellern weiterhin rechtssichere Grundlagen für die CE-Kennzeichnung zur Verfügung stellen werden.

So können jedenfalls Lizenznehmer des großen handwerklichen Systems „CE-plus“ darauf bauen, dass ihr Systemgeber die neuen Anforderungen berücksichtigen und in das System einarbeiten wird. Auch die für Nachhaltigkeit erforderlichen Umwelt-Produkt-Erklärungen (EPD`s) wird es zeitgerecht geben – auch wenn die BPV mit der Formulierung „so weit als vorliegend“ einen Handlungsspielraum andeutet. Im Übrigen macht die Nutzung eines Lizenz-Systems wie „CE-plus“ das Reflektieren auf irgendwelche Ausnahmetatbestände in der BPV weitgehend überflüssig, da in diesem System für Holzfenster die allermeisten Praxisfälle enthalten sind. Deshalb gibt es keinen nachvollziehbaren Grund – falls nicht schon geschehen – sich diesem oder einem ähnlichen CE-System für Holzfenster anzuschließen. Bei Holz-Alu, Kunststoff- oder Alu-Fenstern gilt nach wie vor: Fragen Sie Ihren Systemgeber oder Lieferanten. —

Es fehlt der große Wurf hin zur Vereinfachung der Nachweise

Alles über die CE-Kennzeichnungspflicht

Daniel Mund, Fensterexperte und stellv. Chefredakteur empfiehlt: Die GLASWELT hat in der Vergangenheit umfangreich über die Kennzeichnungspflicht und über das CE-Kennzeichen berichtet. Diese Berichte haben wir für Sie in einem Dossier – also in ­einer ­Beitragssammlung – online zusammengefasst. Damit liefern wir Ihnen detaillierte Grundinformationen zur Produktnorm DIN EN 14351-1 „Fenster und Türen“ und zeigen, anhand von Reportagen, wie Unternehmen dies umgesetzt haben.

Wie und mit wessen Hilfe bekommt man die Kennzeichnungsbefähigung? Welche rechtliche Konsequenzen drohen, wenn man etwas falsch gemacht hat oder gar kein CE-Zeichen hat? Im Dossier stehen die Antworten. Wählen Sie einfach Ihr Thema aus unserer interessanten Dossierliste.

http://www.glaswelt.de/dossier

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