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Aus dem Vollen geschöpft

Wie man Wohnen und Leben unter Glas auf ganz hervorragende Weise umsetzen kann, zeigt das vorliegende Beispiel. Natürliches Tageslicht und der Blickkontakt ins Grüne waren dabei eine der Hauptforderungen der Bauherren. So sollte der Wintergarten zur Südseite an das Wohnzimmer anschließen und mindestens fünf Meter tief werden und einen Großteil der Hausbreite einnehmen.

Das Anforderungsprofil beinhaltete beim Erstgespräch folgende Punkte: Man wollte einen Wintergarten mit einem verglasten Übergang zur bestehenden Überdachung. Der Glasanbau sollte mit Fußbodenheizung, Klimaanlage, Wandverkleidung mit Naturstein, Bodenfliesen und Kamin ausgestattet sein. Dazu kamen Spots und indirekte Beleuchtung, Licht-TV-Musik-Telekom und Alarmanlage. Sonnenschutz und Photovoltaik waren gewünscht auf dem obersten Teil der Dachfläche, die mit einer steileren Neigung ausgebildet sein sollte. Weiter wurden Pflanzmöglichkeiten mit automatischer Bewässerung gefordert, Insektenschutzgitter, Patio vor dem Wintergarten mit Heizstrahlern (unauffällig befestigt); dazu noch Außenanlagen mit Gartenumgestaltung und diversen Beleuchtungen vom Wintergarten in den Garten und im Garten selbst.

Die Behörden blockieren

Nach vielen Gesprächen wurden die ersten Vorschläge ausgearbeitet, um mit der Genehmigungsbehörde die Möglichkeiten abzustimmen. Der erste Knüppel zwischen die Beine kam postwendend: Zu groß, zu tief, zu hoch.

Obwohl weder eine Baulinie noch eine Baugrenze vorhanden war, wurde der Antrag negativ beschieden. Laut Sachbearbeiter wäre in diesem Quartier, einem von der Behörde festgelegten Karree in einem Teil der Straße sowie der Rückseite, kein Wohn- oder Aufenthaltsgebäude bzw. Gebäudeteil über eine virtuell gezogene Linie nach hinten in die Gärten überstehend erlaubt. Man muss hier anführen, dass die Grundstücke in diesem „Karree“ alle relativ groß sind und die Nachbarhäuser der angrenzenden Grundstücke im Sommer aufgrund belaubter Bäume kaum zu sehen sind. Auch die Änderungsvorschläge hatten nicht den gewünschten Erfolg. Ich habe mich daraufhin unerlaubt über Zäune in die Grundstücke dieses Quartiers begeben und Fotos von zu Wohnraum umgebauten und aufgestockten Anbauten und Garagen gemacht und dem Sachbearbeiter vorgelegt. Daraufhin wurde das Quartier verändert, sodass diese „Wohn- und Aufenthaltsräume außerhalb „unseres“ Quartiers lagen.

Um nach mittlerweile zweijährigen erfolglosen Versuchen eine Baugenehmigung zu bekommen, unternahmen wir den Schritt zu einem angesehenen Fachanwalt für öffentliches Baurecht.

Erstaunlicherweise wurde daraufhin die Bewilligung sofort erteilt mit der Vereinbarung, von Regressansprüchen abzusehen, da offensichtlich einige zuständige Entscheidungsträger weit über Ihr Ziel hinausgeschossen waren.

Lange Wartezeit bringt neue Ideen

Durch die lange Leidenszeit entstanden aber auch viele neue Gedanken und Ideen hinsichtlich architektonischer Gestaltung. Da die Wohnung im 1. OG vermietet ist, sollte der oberste Bereich der Dachverglasung vor Einblicken nach unten in den Wintergarten vermieden werden. Mit dem ursprünglich steiler geplanten Dach mit Photovoltaik wäre das möglich gewesen. Darunter hätte jedoch die mögliche Firsthöhe und Dachneigung sowie die statische Umsetzung stark gelitten. So wurde darauf verzichtet.

Im oberen Dachbereich wurde auf einer Länge von ca. 70 cm die Verglasung mit weißer Folie in der raumseitigen VSG Scheibe ausgeführt. Die komplette übrige Dachverglasung ist mit ISO-Roll-Isoliergläsern (Ug-Wert ca. 1,3 W/m²K) aus ESG (außen) und VSG (innen) erstellt.

Hierbei dient eine Folie im Scheibenzwischenraum (SZR) als Verschattung. Diese Folie wird elektromotorisch mit einer Steuereinheit betrieben, die auf Lichtempfindlichkeit-, Raumtemperatur- und Zeitparameter reagiert. Wind- und Regenmelder sind nicht erforderlich. Zudem ist die Nutzung bei Schnee und Eis nicht eingeschränkt.

Die leicht perforierte, silbergraue Folie hält die Sonnenstrahlen optimal ab und wirkt auch im Winter in gewisser Weise wärmedämmend. Der Fc-Wert liegt nach Herstellerangabe bei rund 0,5 und somit zwischen den Werten einer Innenbeschattung und einer Außenmarkise.

Die Dachfläche mit der möglichen Firsthöhe beim Anschluss an den darüber liegenden Balkon sowie die nach meinem Dafürhalten erforderliche Dachneigung von mind. 10 Grad gaben die Traufhöhe vor.

Beim Blick vom Wohnzimmer durch die 3,5 m breite Öffnung der Schiebetüre wurde die Idee geboren, das Bodenniveau des Wintergartens unter das Geländeniveau abzusenken. Aus dem ursprünglich geplanten vorspringenden fünf- bzw. sechseckigen Erker wurde ein Erker mit nur zwei leicht abgeschrägten Seiten. Das vordere Feld sollte so groß wie möglich als Panoramascheibe mit Durchblick in den Garten werden. Von der Couch des Wohnzimmers aus ist sowohl bei geschlossener, einflügeliger Schiebetüre des Wohnzimmers als auch bei geöffneter, ein ungehinderter Blick hinaus in den Garten möglich.

Die Größe der Panoramascheibe im Erker ist dabei durch die Höchstmaße des ISO-Shadow-Glases vorgegeben. Bei diesem sind im SZR zwischen der äußeren ESG- und der inneren Floatscheibe Sonnenschutz-Lamellenjalousien eingebaut, die elektromotorisch verstellt werden können.

Auch die Verglasung der Seitenteile, Fenster und Türen ist mit ISO-Shadow-Gläsern ausgestattet. Hier ist ebenso mit automatischer Steuerung eine Bedienung nach Lichtempfindlichkeit, Raumtemperatur und Uhrzeit möglich. Der Ug-Wert liegt hier bei einer Gasfüllung mit Argon bei einer Größe von ca. 1,2 W/m²K. Beide, im SZR ­integrierten Beschattungssysteme können am Abend und in den Nachtstunden zur Verdunkelung eingesetzt werden und bringen selbst geschlossen wärmetechnische Vorteile.

Optimierte Wärmedämmung

Auf eine optimale Wärmedämmung wurde größter Wert gelegt. Auch mussten in die Fundament­arbeiten Leitungen für Beleuchtung und Bewässerung in den Garten mit eingebunden werden.

Die Untersicht der Balkondecke wurde ausreichende gedämmt und mit Gipskarton verkleidet. Hier wurde ein Beamer eingelassen, der nach vorne Richtung Panoramascheibe projiziert.

Hinter der Traufpfette ist eine Leinwand verdeckt und fast unsichtbar angebracht, und bei Bedarf elektrisch nach unten fahrbar. Auch Elektroleitungen für Beleuchtung und TV wurden weitestgehend unsichtbar in der Konstruktion verlegt.

Trotz bester Wärmedämmmaßnahmen lässt sich in der kalten Jahreszeit möglicher Kondensatausfall an den Scheibenrändern nicht vermeiden. Die vollflächig eingebaute Fußbodenheizung ist als träges Heizmedium für den Wintergarten nicht als alleinige Wärmequelle tauglich, sondern sollte als Unterstützung gesehen ­werden.

Im Bereich der senkrechten Verglasung wurden unter der umlaufenden Marmorbank Konvektoren eingebaut. Der Stein wurde ausgefräst und die Öffnung mit Edelstahlgittern abgedeckt, über die die Wärme direkt an die Scheiben gelangt. Selbst im ersten Winter war nie Kondensat an den Scheibenrändern zu sehen, trotz hoher Baufeuchte des Betons. Hier spiegelte sich auch das durchdachte Lüftungskonzept positiv wider.

Mit Dosierlüftern im Sockelbereich über den Marmorbänken, die mit sogenannten Winterklappen abgedeckt werden können, wird mittels automatisch öffnender Trapezkippfenster in den Seitenteilen und einer durchgehenden Firstentlüftung zu allem ein optimales Raumklima erzielt. Dies wird zu allen Jahreszeiten im Zusammenspiel mit der wirkungsvollen Beschattung erzielt. Über die Firstentlüftung kann über motorisch angetriebene (nach innen öffnende) Klappen warme und verbrauchte Luft entweichen. Dies erfolgt über den gedämmten und mit Insektenschutzgittern ausgestatteten Aufbau. Zudem ist damit auch bei Regen eine Luftführung möglich.

Eine Klimaanlage musste sein

Trotz der im Vorfeld aufgrund von 30 Jahren Erfahrung in Planung und Bau von Wintergärten gemachten Aussagen zu bestem Wohn- und Aufenthaltsklima bei Beachtung und Nutzung der geplanten und eingebauten Vorrichtungen, wollten die Bauherren ein Klimagerät.

Mit dieser Maßnahme sollte die Möglichkeit geschaffen werden, Temperaturspitzen abzufangen sowie bei 30 Grad Außentemperatur im 20 Grad temperierten Wintergarten sitzen zu können.

Die Stonewallverkleidung der Wände mit indirekter Beleuchtung dahinter sollte ein mediterranes Flair bringen. Die Türen als Zugang zum Garten wurden so platziert, dass sie sich in die Neugestaltung des Gartenumfeldes einfügen, und die Pflanzen so gewählt, dass sie sich hinter Glas wohlfühlen und bestens gedeihen.

Die alten und die beim Bau in Mitleidenschaft gezogenen Sträucher und Bäume wurden durch neue ersetzt. Mit einem großen Autokran wurden dafür bis zu 8 m hohe Bäume über das Wohnhaus in den Garten gehoben und dort eingepflanzt. Ein unterirdisches, computergesteuertes Bewässerungssystem versorgt alle Pflanzen mit dem notwendigen Nass.

Bei diesem Beispiel haben die Bauherren aus dem Vollen geschöpft. Mit der Summe der Detaillösungen wurde eine Geasmtlösung geschaffen, die Wohnen und Leben unter Glas auf ganz hervorragende Weise ermöglicht und mit dem Ausblick und dem Kontakt ins Grüne einen lang gehegten Wunsch der Bewohner erfüllt. —

Franz Wurm

Der Autor

Franz Wurm ist Sachverständiger und Vorsitzender des Winter­garten Fachverbandes.

Er war für die Planung und das Gesamtkonzept, inklusive Ausschreibung, Vergabe und Bau­leitung verantwortlich.

http://www.wintergartenprofi.com

Mit der praktischen Umsetzung des Wintergartens war die Max Renaltner GmbH, Ruhstorf/Rott, betraut.

https://renaltner.de/

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