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Hochfeste Structural Glazing Klebstoffe

Neue Klebe-Ära

Silikone sind die einzige Produktgruppe, die für Structural Glazing-Verklebungen zugelassen sind, da sie genügend UV- und feuchtigkeitsbeständig für die Lebensdauer einer Fassade sind und ausreichend Bewegungen aufnehmen, um die Anforderungen von internationalen Richtlinien und Normen (z.B. ETAG 002 [1] und ASTM C1184 [2]) zu erfüllen. An H-Prüfkörpern erreichen Structural Glazing (SG) Silikone eine Reißfestigkeit von ca. 1,0 bis 1,2 N/mm². Neue Entwicklungen aus der Schweiz weisen den Weg zu hochfesten Silikonen für das Fassadenkleben, die deutlich bessere Leistungsmerkmale bei geringerem Materialeinsatz versprechen.

Ein kurzer Rückblick: Aufgrund von Energieeinsparverordnungen sind in Fenstern seit 20 Jahren Argon gefüllte Isolierglaseinheiten mit Polyurethan oder Polysulfid im Sekundärrandverbund Stand der Technik. Anders bei Structural Glazing Fassaden, bei denen Silikondichtstoffe als Sekundärversiegelung vorgeschrieben sind. Wegen ihrer hohen Argon-Permeabilität war man lange Zeit der allgemeinen Auffassung, dass Silikone für Argon gefülltes Isolierglas für SG-Fassaden ungeeignet seien.

Seit gut 10 Jahren legt die Isolierglas-Industrie ihr Augenmerk mehr auf den Herstellungsprozess von ISO, besonders die Butylierung [3]. Butyl im Primärrandverbund ist die Hauptbarriere gegen das Eindringen von Feuchtigkeit und gegen Argon-Verlust. In ersten Tests nach DIN 1286-2 (in 2002 ersetzt durch EN 1279-3) wurde bereits von Argon-Verlustraten von unter 1Prozent pro Jahr berichtet. Erst durch Entwicklung von ISO-Sekundärdichtstoffen mit einem bedeutend höheren Modul bei geringer Ausdehnung konnte man Gasverlustraten bis zu 0,2Prozent p.a. im regulären Produktionsprozess erzielen.

Die neue hochmodulige Silikon-Generation minimiert die Bewegungen im ISO-Randverbund und verhindert Leckagen im Butyl-Primärrandverbund. Mit solch niedrigen Gasverlustraten ist eine Lebensdauer des Isolierglases von mehr als 30 Jahren zu erwarten. Dabei verschlechtert sich der Ug-Wert nur um weniger als 0,1 W/m²K [4].

Diese Isolierglas-Silikone haben zwar einen hohen Modul bei sehr niedrigen Ausdehnungen. Aber ihre geringe Reißdehnung von ca. 50Prozent ist etwas kurz für die hohen thermischen Bewegungen in SG-Anwendungen in mitunter stockwerkhohen Fassadenelementen.

Eine neue Entwicklung steht kurz vor der Markteinführung, die mit einer fast doppelt so hohen Reißfestigkeit als herkömmliche SG-Klebstoffe aufwartet, also fast 2 N/mm², und das bei 100Prozent Reißdehnung. Schon heute gibt es im Markt einkomponentige SG-Klebstoffe mit einer zulässigen Designlast für die Fugenberechnung von 0,17 N/mm² (nach EOTA ETAG 002). Da aber für 1-K-Klebstoffe die Fugentiefe auf 15 bis 18 mm begrenzt ist, sind sie nicht für wirklich große SG-Elemente bei hohen Windlasten geeignet.

Für den neuen 2-K-Klebstoff wurde eine Designlast von 0,20 N/mm² bestimmt, mit weitreichenden Folgen. Das Bild unten vergleicht die Zug-Spannungskurven von herkömmlichen SG-Klebstoffen mit der neuen Generation.

Als erster Aspekt sei hier die Materialeinsparung genannt. Ein Beispiel soll das enorme Einsparpotenzial beziffern: Ein Fassadenprojekt mit einer Glasfläche von 50000 m² (Elementgröße: 3.5 × 1,6 m) in einem Gebiet mit 5 kPa Windlast würde ca. 42 t eines herkömmlichen SG-Silikons (Designlast σdyn: 0,14 N/mm²) bei einer Fugendimension von 30 × 9,5 mm benötigen. Mit dem neuen Klebstoff (Designlast σdyn: 0,20 N/mm²) kann die Fuge auf 21 × 6,4 mm reduziert werden. Das resultiert in einer Klebstoffmenge von ca. 20 t und einer Einsparung von 53Prozent.

Neben der Materialeinsparung ergibt sich auch eine Energieeinsparung. Obwohl Silikone eine 100-fach niedrigere Wärmeleitung als Aluminium haben, sind sie doch ein wesentlich schlechterer thermischer Isolator als Luft. Deshalb verringert sich der Energiedurchgangswert am Rahmen (Uf-Wert) je schmaler die Klebefuge ist.

Mit einer Materialeinsparung kann man gegebenenfalls auch beim Aluminium-Profil rechnen. Im genannten Beispiel könnte der Profil­querschnitt um 18 mm verkleinert werden. Schlankere Profile bedeuten aber nicht nur Materialeinsparung. Für die moderne Architektur bringen sie auch mehr Fassadentransparenz und Licht und dazu noch einen solaren Energiezugewinn. Die selben Argumente – Energieeinsparung durch niedrigeren Uf-Wert, solarer Energiezugewinn durch kleineren Rahmenquerschnitt – treffen auch auf strukturell verklebte Fenster zu, ein zunehmend starker Trend in der PVC-Fensterindustrie. Dabei werden die Isolierglaseinheiten mit einem Klebstoff (oftmals hochmodulige Silikone) in den Flügelrahmen eingeklebt. Das Glas stabilisiert so den Flügelrahmen, dessen Metallaussteifung überflüssig wird. Bei so manchen Fensterneuentwicklungen im Markt haben sich dadurch schlankere Fensterprofile verwirklichen lassen, also zur Energieeinsparung auch noch solarer Zugewinn [5].

Was für linenförmige Verglasungen gilt, trifft auch für punktförmig verklebte Halterungen zu. Je höher die Zugfestigkeit des Klebstoffs ist, desto kleiner ist auch die Klebefläche der Punkthalter. Die Anwendung der ETAG 002-Regeln (z.B. der hohe Sicherheitsfaktor 6) führt zu großen, unattraktiven Metallplatten. Die Gedenkskulptur auf den Londoner BBC Haus von Jaume Plensa, 2008 vom UNO-Generalsekretär Ban Ki Moon eingeweiht, ist eine Glaskonstruktion mit gekrümmten Glasscheiben, gehalten von großen geklebten Metallhaltern (Bild links oben). Diese Platten könnte man heute zu wesentlich attraktiveren Halterungen verkleinern, die visuell mit dem grauen Metallrahmen verschmelzen würden.

Die Optimierung von Metallhaltern ist ein viel beforschtes Thema an Universitäten. Viel wurde z.B. von Prof. Bernhard Weller, Uni Dresden, über das dynamische Verhalten von Klebstoffen publiziert [6], wie auch von A. Hagl zum Einfluss von Form und Größe der Plattenhalter [7]. Die neuen Klebstoffe werden diesen Forschungen sicher zu neuen Impulsen verhelfen.

Ausblick

Schon die Ergebnisse der ersten Tests an dieser jungen Silikon-Entwicklung lassen ihr großes Potenzial erkennen: Beim Einsatz dieser Kleber erreichen Architekten mehr Transparenz und Gestaltungsfreiheit, Fassadenbauer können Material und Kosten einsparen und Bauherren sparen Energie und somit laufende Kosten. Nach weiteren, eingehenden Tests und Erfahrungen über ihre Grenzen werden diese hochfesten Klebstoffe sicher Einzug halten in weitere Anwendungen, wie das Kleben von kalt gebogenem Glas, Hybrid-Glasträgern, Ganzglaskonstruktionen und von Schutzverglasungen gegen Bombenexplo­sionen. Die ersten Ergebnisse machen uns auf jeden Fall neugierig auf mehr. —

Literaturnachweis

[1] EOTA (European Organisation for Technical Approvals), ETAG 002, Leitlinie für die ­europäische technische Zulassung für geklebte Glaskonstruktionen, Ausgabe 1998, und Änderungen 2001 und 2005

[2] ASTM C1184 – 05 Norm für Spezifikationen für Structural Glazing Klebstoffe

[3] Isolar Glas-Beratung: Qualität macht’s möglich: UV-stabiler Randverbund mit Gasfüllung. In GFF (S. 43, 12/2001)

[4] Wagner W.; Müller U.: Russia Federation Towers – A structural glazing façade at the highest stage of energy saving. Konferenzbuch Glass Performance Days 2007; Tampere 2007

[5] Aegerter S.; Wagner W.; Window Technology – Quo vadis? Intelligent Glass Solutions 01/2008

[6] Weller, B.; Nicklisch, F.; Wünsch, J.: Dynamic Behaviour of Adhesives for Structural Glass Applications. Konferenzbuch Glass Performance 2009; Tampere 2009

[7] A. Hagl: Understanding Complex Adhesive Behaviour: Case Study U-type Bonding ­Geometry, Proceedings of “Challenging Glass 2 – Conference on Architectural and ­Structural Applications of Glass”, Bos, Louter, Veer (Eds.), TU Delft, May 2010.

Dr. Werner Wagner

Optimierte Silikone

In geklebten Vorhangfassaden werden die zulässigen Designlasten von Structural Glazing-Klebstoffen bzw. von Sekundärversiegelungsdichtstoffen nach EOTA ETAG 002 (1999) aus deren Reißfestigkeit und einem Sicherheitsfaktor von 6 bestimmt. Die üblichen Produkte am Markt liegen dabei meist bei 0,14 N/mm².

Die Sika AG stellt zwei neue Produkte vor, die weit darüber liegen. Die Isolierglas-Sekundärversiegelung Sikasil IG-25 HM Plus wurde in der aktuellen ETA-Zulassung mit 0,19 N/mm² bewertet. D.h. eine mögliche Verringerung der Versiegelungs­höhe von über 25 %, ein Vorteil der besonders bei großen Scheiben und hohen Windlasten zum Tragen kommt. Die niedrigste jährliche Argon-Verlustrate betrug mit 0,2 %, gemessen nach EN1279-3, nur ein Fünftel des von der Norm festlegten Grenzwerts von 1,0 %. Übertroffen wird diese Designlast von dem neuem SG-Klebstoff ­Sikasil SG-550 mit 0,20 N/mm². Sie liege laut Hersteller 40 % über den am Markt bekannten Klebstoffen. Für große Fugen kann dies eine Klebstoffeinsparung von bis zu 50 % bedeuten. Durch die schmaleren Fugen kann gegebenenfalls auch die Ansichtsbreite des Aluminiumprofils reduziert werden. Das bringt zur Materialein­sparung beim Alu noch zusätzlich solaren Energiezugewinn.

https://industry.sika.com/

Der Autor

Dr. Werner Wagner verantwortet bei Sika den Bereich

Marketing Fenestration & Facade.

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