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Auf dem Weg zur energieneutralen Fensterverglasung

Kastenfenster = Lösung?

„Energieneutral“ soll bedeuten, dass der Wärmeverlust in der Nacht soweit wie möglich durch solare Einstrahlung (auch schon bei bedecktem Himmel) tagsüber kompensiert wird, sodass die über die Heizperiode gemittelte Energiebilanz ausgeglichen ist. Dies ist mit den Verglasungen auf der Basis von 2- und 3-fach-Isolierglas nicht möglich.

Im gemäßigtem mitteleuropäischen Klima hat die Heizperiode HP (1.10. - 31.3.) ­ca. 4370 Stunden. Davon sind ca. 2600 Nachtstunden (∼ 60 %), ca. 490 Sonnenstunden (∼ 10 %, Mittelwert für München) und der Rest ca. 1280 Tagstunden (∼ 30 %) mit bedecktem Himmel.

Aus dieser Stundenaufteilung kann man folgern: Priorität bei der Konzeption von energieneutralen Verglasungen muss haben, die Wärmeverluste in der Nacht so niedrig wie möglich zu halten. Zweitens sollte tagsüber bei bedecktem Himmel möglichst viel solare Strahlung durchgelassen werden. An dritter Stelle muss bei Sonnenschein (klarem Himmel) – zum Ausgleich des Wärmeverlustes bei Nacht/bedecktem Himmel – so viel wie nötig solare Energie durchgelassen werden; gleichzeitig muss überschüssige solare Energie abgehalten werden, um den Wohnkomfort zu sichern. Da in gut gedämmten Gebäuden bei Sonnenschein i.d.R. nur ein geringer Anteil der einstrahlenden solaren Energie wegen des Treibhauseffektes nutzbar ist, lässt sich in diesem Fall rechtfertigen (ebenso wie bei bedecktem Himmel) nur diffuse Einstrahlung bei den Berechnungen zu berücksichtigen. Daraus folgen Energiebilanzen, die von der Himmelsrichtung unabhängig sind.

Energiebilanzberechnungen

Hierzu wurden Berechnungen mit einem Excel-Programm ­durchgeführt und die Energiebilanzen in der Heizperiode Bil./HP für unterschiedliche Fensterkonstruktionen (senkrechtem Fenstereinbau) verglichen. Neben den oben aufgeführten Stundenaufteilungen wurden folgende Durchschnitts-Klimadaten für die Heizperiode angesetzt: Für Nachtstunden: Außenlufttemperatur ta = 0 °C; für Tagstunden (bedeckter Himmel): solare diffuse Einstrahlung Qsol, diff =30 W/m2 und ta = 3 °C; für Sonnenstunden: ­ Qsol, diff < 100 W/m2 und ta = 6 °C; bei Innentemperatur ti = 20 °C.

Der Vergleich der Energiebilanzberechnungen an 2- bis 4-fach-Wärmedämmglas, im Folgenden abgekürzt mit 2xWDS bis 4xWDS, basierend auf Isoliergläsern von Interpane, ergab:

  • Unter gleichen klimatischen Bedingungen verbessert sich beim Übergang von 2xWDS zu 3xWDS die Energiebilanz in der Heizperiode um circa Faktor 4; beim Übergang zu 4xWDS etwa um Faktor 100.
  • Mit der 4xWDS kommt man in den Bereich der Energieneutralität im Sinne der eingangs genannten Definition.

Bei 4xWDS Scheiben erreichen aber die mittleren Scheiben bei maximaler Solareinstrahlung Temperaturen von 70 bis 80 °C. Das hat einen erheblichen Isolierglas-Effekt mit hoher Belastung des Randverbunds zur Folge, und wirkt sich auf dessen Alterungsbeständigkeit sehr nachteilig aus.

Weitere gravierende Nachteile sind sehr dicke ISO-Einheiten mit hohen Scheibengewichten sowie eine aufwendigere Montage. Dazu kommt ein höherer Aufwand bei der Anpassung des Rahmen-U-Wertes Uf an den Ug-Wert der Verglasung (Ug) als bei einem 3-fach-ISO. Aufgrund dieser Nachteile ist es kaum vorstellbar, dass die 4xWDS ein marktgängiges Produkt wird.

Kastenfenster als Alternative

Das im Bild oben dargestellte modifizierte Kastenfenster besteht aus zwei 2xWDS und einer variablen Sonnen-/Wärmeschutzvorrichtung, z. B. in der Form einer innen liegenden Jalousie, die mit niedrig emittierenden Oberflächen zu beiden Seiten hin versehen ist, bei gleichzeitig hoher solarer Reflexion nach außen. Dieses Fenster hat die gleiche Scheibenzahl, jedoch nicht die Nachteile der 4xWDS. Es kommt thermisch auch in den Bereich der Energieneutralität. Kastenfensterkonstruktionen sind sehr alt und heute in den nordeuropäischen Ländern in unterschiedlicher Ausführung marktgängig. Die Jalousie übernimmt hier Sonnenschutz- und Wärmedämmfunktion. Im geschlossenen Zustand wirkt das Fenster wie eine wärmegedämmte 5-fach-Schalen-Anordnung.

In den Bereich der Energieneutralität kommen neben der 4xWDS und dem modifizierten Kastenfenster auch noch das seit Jahren in der Entwicklung befindliche Vakuum-Isolierglas (VIG), mit einem prospektierten Ug-Wert von 0,5 W/m2. Auch die wärmetechnischen VIG-Daten lassen sich mit dem ­Excel-Programm simulierten. In der Tabelle sind die Energiebilanzen/HP dieser drei Verglasungen vergleichend dargestellt.

Betrachtet man dort Bil.II/HP, so hat das modifizierte Kastenfenster von den drei untersuchten Verglasungen die beste Energiebilanz, obwohl es die niedrigsten solaren Gewinne bei bedecktem Himmel (siehe Tabelle: Bil.bed. Hi.) und nur niedrige Gewinne bei Sonnenschein (siehe Bil.Sonne) hat; Ursache hierfür ist der sehr niedrige Wärmeverlust bei Nacht (siehe Bil.Nacht).

Im Vergleich dazu hat VIG die höchsten Verluste bei Nacht, aber auch die höchsten Gewinne bei bedecktem Himmel und Sonnenschein (siehe Bil.Sonne); Bil.II/HP ist jedoch schlechter.

Daraus lässt sich schließen: Bei der Optimierung der Energiebilanz von Verglasungen bzgl. Energieneutralität unter Berücksichtigung insbesondere niedriger solarer Einstrahlung (Qsol < 100 W/m2) kommt der Wärmedämmung eine wichtigere Rolle zu als den solaren Energiezugewinnen.

Betrachtet man Bil.I/HP, d.h. die Energiebilanz für den kritischsten Fall der Klimabedingungen (nachts und bei bedecktem Himmel am Tag), so ist das modifizierte Kastenfenster mit Abstand überlegen; und kommt selbst bei dieser Bilanzierung der Energieneutralität am nächsten.

Da die Sonnenscheinstunden im gemäßigten mitteleuropäischen Klima gering sind und schwanken, ist die Energiebilanz gemäß Bil.I/ZR die korrekteste Beschreibung der Qualität einer Verglasung bzgl. der Energieneutralität.

Schlussfolgerungen

Betrachtet man Bil.I/HP, d.h. die Energiebilanz für den kritischsten Fall der Klimabedingungen (nachts und bei bedecktem Himmel am Tag), so ist das modifizierte Kastenfenster mit Abstand überlegen. Bei den drei, in den Bereich der Energieneutralität kommenden Verglasungen, kann bei bedecktem Nachthimmel Reifbeschlag auf der Außenscheibe auftreten. Ursache ist die hohe Wärmedämmung solcher Verglasungen (Ug=0,5 W/m2K bei VIG, Ug=0,4 W/m2K für 4-fach-Scheiben und 0,3 W/m2K für modifizierte Kastenfenster bei Nacht). Viel gravierender ist jedoch die Reifbeschlaghäufigkeit bei klarem Nachthimmel, der kritischsten Bedingung für Außenbeschlag. Reifbeschlag auf der Außenoberfläche macht die wesentliche Funktion einer Verglasung – die freie Durchsicht – zunichte.

Zur Verhinderung des Reifbeschlags bzw. dessen Verminderung sind niedrig emittierende Schichten auf der Glasaußenoberfläche geeignet: Diese müssen witterungsbeständig sein und sollten möglichst niedrig absorbierend und -reflektierend sein. Hierfür werden heute ITO-Schichten mit einem thermischen Emissionsvermögen von ε = 0,2 angeboten. Diese wurden für die Berechnungen der drei Verglasungen zugrunde gelegt. Sie verhindern zwar den Reifbeschlag nicht, vermindern aber dessen Häufigkeit. Die betrachteten Verglasungen haben einen hohen Sonnenkollektor-Effekt und müssen deshalb zur Begrenzung des Treibhauseffektes mit einer Sonnenschutzvorrichtung kombiniert werden. Bei dem modifizierten Kastenfenster ist sie schon als variabler Sonnen-/Wärmeschutz integriert.

Bei den drei untersuchten Verglasungen (mit ITO-Schichten auf der Außenseite) zeigte sich das modifizierte Kastenfenster bzgl. Energiebilanz/HP den beiden anderen überlegen. Weitere Vorteile des Kastenfensters:

  • Der variable Sonnen-/Wärmeschutz ist unwettersicher angebracht und zudem zugänglich. Nur begrenztes Aufheizen der Verglasung bei Sonneneinstrahlung infolge Luftkonvektion zwischen den beiden 2xWDS
  • Die Anpassung des Uf an die Wärmedämmung der Verglasung (Ug) ist Stand der Technik (bei 4-fach-ISO und bei VIG ist das problematisch).
  • Schnelles Abtauen im Falle von Au&szlig;enbeschlag am Morgen bei offenem variablen Sonnen-/Wärmeschutz, da die Wärmedämmung dann wegen der 4-fach-Scheibenanordnung reduziert ist.
  • Vereinfachte Montage, da das Gewicht des Fensters aufteilbar ist.
  • Alle Fensterelemente sind Stand der Technik. Hans Joachim Gläser

Tipp der Redaktion: Eine um viele Berechnungen erweiterte Textversion finden Sie zum Download unter https://www.glaswelt.de/, dort dann einfach im Suchfeld rechts oben den Webcode 1101 eingeben. Oder Sie gehen direkt auf glaswelt.de/downloads.

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