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Ein Blick nach Österreich

Müssen Holzfenster noch maßhaltig sein?

Der Begriff der „Maßhaltigkeit“ wird in der EN 927-1 definiert, welche eine Einteilung der Beschichtungssysteme nach den vorgesehenen Anwendungsstufen „nicht maßhaltig“, „begrenzt maßhaltig“ und „maßhaltig“ vorsieht. Zu Letzterem wurden Holzbauteile einschließlich Fenster und Türen als typische Beispiele angeführt.

Im bestehenden Schutzkonzept für Holzfenster ­ ist es Aufgabe der Beschichtung, unter anderem die Maßhaltigkeit über die Funktion des Feuchteschutzes der Beschichtung sicherzustellen. Daraus abgeleitet werden Beschichtungen mit geringer Durchlässigkeit für Wasserdampf und Wasser gefordert, durch die Schwankungen der Holzfeuchtigkeit und damit Dimensionsänderungen der Bauteile unterbunden werden sollen (ÖNORM C 2354, ÖNORM EN 927-2).

Was macht die Dickschicht hinter der Vorsatzschale?

An der Holzforschung Austria wurden in den Jahren 2000 bis 2005 gemeinsam mit Holzfensterherstellern und Lackherstellern Forschungsarbeiten über Beschichtungen auf geschützten Holzfensterkonstruktionen (Holz/Aluminium-Fensterkonstruktionen) durchgeführt. Untersuchungen bei Differenzklimabeanspruchungen zeigten, dass die Beschichtungen bei einer extremen Klimabeanspruchung den Feuchtehaushalt des Holzes beeinflussen. Dickschichtige Beschichtungssysteme können bei einem Kondenswasseranfall hinter der Vorsatzschale die Feuchteaufnahme reduzieren. Bei der sehr häufig vorkommenden Diffusion von Feuchtigkeit von innen nach außen können sie jedoch die Feuchteabgabe an der Außenseite vermindern und damit zu einer Feuchteansammlung in den Holzprofilen beitragen. Ein sehr guter Feuchteschutz für geschützte Holzfensterkonstruktionen konnte mit mittelschichtigen Beschichtungssystemen erreicht werden.

Einen optimalen Feuchtehaushalt ergaben die Berechnungen für Holz/Aluminium-Fenster, die an der Außenseite mit einer durchlässigeren Beschichtung als an der Innenseite beschichtet waren. Während einer dreijährigen Bewitterung der Fenster mit verschiedenen Beschichtungssystemen zeigte sich, dass die Feuchtebelastung der Holzrahmen sehr gering war und nur sehr selten und über sehr kurze Zeiträume Kondenswasser zwischen den Aluminiumprofilen und den Holzrahmen aufgetreten ist. Aus den Ergebnissen konnte geschlossen werden, dass aufgrund des guten Witterungsschutzes durch die Aluminium-Vorsatzschalen die Anforderungen an den Feuchteschutz des Holzbeschichtungssystems bei geschützten Fensterkonstruktionen reduziert werden können. Auf Basis der oben beschriebenen Forschungsergebnisse wurden die ÖNORM C 2350 und ÖNORM B 3803 überarbeitet, es wurden neue Kapitel über die Anforderungen an Beschichtungen auf geschützten Konstruktionen erstellt. Die neuen Normen ermöglichen die Anwendung von farblosen Beschichtungssystemen mit einer Trockenfilmdicke von mindestens 40 µm auf geschützten Holzfensterkonstruktionen und traten im Mai 2006 in Kraft.

Dimensionsänderungen: Wie viel ist zulässig?

Für die Definition der Maßhaltigkeit lagen jedoch keine Maßtoleranzen vor, in denen Dimensionsänderungen der Fensterbauteile zulässig sind, um deren Funktionstauglichkeit zu gewährleisten. Durch Forschungsarbeiten in den Jahren 2005 bis 2008 wurde geklärt, ob die Anforderungen an die Maßhaltigkeit bei heute üblichen Holzfensterkonstruktionen noch relevant sind und in welcher Form sie neu definiert werden müssen.

An vier Dreh-Kipp-Versuchsfenstern, aus 3-schichtig verleimten Fichtenholz-Fensterkanteln mit unterschiedlichen Beschichtungen (unbeschichtet (UNBEH), Dünnschicht (DNS), Mittelschicht (MS) und Dickschicht (DS)) wurden während eines Differenzklimaversuches an mehreren Stellen die Holzfeuchte und die Dimensionsänderungen untersucht. Dabei wurden bewusst Bedingungen mit einem hohen partiellen Dampfdruckgefälle zwischen Innen- und Außenklima gewählt, um eine extreme Beanspruchung der Fenster zu erzeugen.

Es zeigte sich, dass die Holzfeuchteverläufe und die Dimensionsänderungen häufig in guter Übereinstimmung standen, Profile mit hohen Feuchteaufnahmen zeigten auch große Quellungen. Das Dickschicht- und Mittelschichtsystem zeigten im Durchschnitt halb so große Quellungen, wie Profile die unbehandelt oder nur mit einem Dünnschichtsystem beschichtet waren. Im Gegensatz dazu war aber fallweise erkennbar, dass die aufgenommene Feuchtigkeit bei den Dickschicht- und Mittelschichtsystemen nur sehr langsam wieder abgegeben wurde. Die höchste Feuchtebeanspruchung und Quellung trat an den unteren Flügelprofilen durch Kondenswasserbildung im Bereich des Glasfalzes auf. Besonders deutlich war dieser Umstand beim Dickschichtsystem zu erkennen (Grafik 1).

Es wurde festgestellt, dass die 2 %-Quellung (Mittelwert) des unbehandelten Fensters auf der Fensterinnenseite während einer starken Feuchtebeanspruchung von innen durch eine Beschichtung mit einem sd-Wert von ca. 0,9 m (Dry-Cup) halbiert werden konnte.

Die 4,3 % Quellung (Mittelwert) des unbehandelten Fensters auf der Fensteraußenseite, während einer starken Feuchtebeanspruchung von außen inklusive Beregnung, konnten durch eine Beschichtung mit einem Wasseraufnahmewert von ca. 90 g/m2 (72 h) halbiert werden.

Die graphische Auswertung in Form von Schnittzeichnungen der Fensterprofile ergab folgendes Bild: An den oberen Rahmenprofilen waren geringere Quellungen bei Beschichtungen mit höherem Feuchteschutz, insbesondere bei DS, zu erkennen. Bei den unteren Profilen zeigte sich am Stock ein ähnliches Bild mit geringeren Quellungen in Abhängigkeit des Feuchteschutzes der Beschichtung. Von den unteren Flügelprofilen zeigte DS allerdings die stärksten Quellungen, die vor allem an der Außenseite aufgetreten sind. Bei allen Versuchsfenstern traten in den Falzbereichen und den Glasanschlüssen sowohl in Fensterebene als auch senkrecht dazu nur relativ geringe Dimensionsänderungen auf.

Die Auswirkungen der Dimensionsänderungen auf die Dichtheit von Fenstern wurden unter Verwendung unterschiedlicher Dichtungstypen untersucht. Bei den Untersuchungen der Luftdurchlässigkeit in mehreren Druckstufen (Druck von der Fensteraußenseite) erreichten beim ­Soll­einbaumaß (Dicke der Dichtungsfuge 5 mm) ­alle Dichtungstypen die Luftdichtheitsklasse 4 gemäß ÖNÖRM EN 12207.

Vergleicht man die kumulierten Verformungen aus Verschleiß der Beschläge, Windlast und Feuchteänderung, mit den Ergebnissen der Luftdichtheitsmessungen (Druck von der Fensteraußenseite) bei sich ändernder Dicke der Dichtungsfuge, ist ersichtlich, dass die Dichtungstypen deutlich größere Dimensionsänderungen ausgleichen können. Alle untersuchten Dichtungen würden unter den angenommenen maximalen Verformungen zumindest Luftdichtheitsklasse 3, zwei Dichtungstypen würden die höchste Luftdichtheitsklasse 4 erreichen.

Die Untersuchungen zeigten, dass mit den heutigen Fensterkonstruktionen und Dichtungstypen sehr große Dimensionsänderungen ausgeglichen werden können. Dem Feuchteschutz der Beschichtung ist im Besonderen in Hinblick auf das Verhalten bei Bewitterung und weniger zur Reduktion der Dimensionsänderungen unter dem Begriff Maßhaltigkeit Aufmerksamkeit zu schenken.

Das Ausmaß der Dimensionsänderungen eines Fensters wird nicht alleine von der Beschichtung beeinflusst. Es ist zusätzlich von der Holzqualität (Rohdichte, Jahrringlage, etc.) abhängig. Beim Einsatz von Beschichtungen mit geringem Feuchteschutz ist im Besonderen auf eine sorgfältige und einheitliche Holzauswahl zu achten.

Michael Truskaller

Der Autor

Michael Truskaller ist als Ingenieur bei der Holzforschung Austria tätig. Er wird bei der ift Fachtagung Holzfenster am 19. Und 20. April 2012 in Köln einen Vortrag zum Thema Maßhaltigkeit moderner Holzfenster halten.

Kontakt: m.truskaller@holzforschung.at

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