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VFF Jahrestreffen

Inside(r) in Frankfurt

In der Mainmetropole versammelte sich Anfang Juni die Fenster- und Fassadenbranche zum VFF-Jahrestreffen „Inside 2012“. Verbandspräsident Bernhard Helbing eröffnet die Tagung mit der Aufforderung, dass auch unsere Branche den Politikern immer ihr Spieglein vorhalten sollte: „Erinnern Sie diese an ihre Versprechungen – insbesondere auch im Bezug auf die Zielsetzungen für den klimaneutralen Gebäudebestand, der ja bis 2050 erreicht werden soll.“ Dafür müssen verlässliche Rahmenbedingungen geschaffen werden, die bislang so noch nicht bestehen würden.

Gerade für Deutschland, das selbst kaum auf eigene Bodenschätze zurückgreifen könne, sei die Energieeffizienz der wertvollste Rohstoff. Leider würde dieses Thema aber noch immer im „DornRöslerschlaf“ schlummern, so sein verbaler Seitenhieb auf die unklaren Beschlüsse innerhalb der Bundesregierung. Seine Empfehlung: „Wir sollten uns ein eigenes Energieministerium leisten, um diese wichtige Zukunftsaufgabe zu stemmen.“

Ift-Institutsleiter Ulrich Sieberath zeigte zuallererst auf, womit die Branche bei der Neuauflage der EnEV rechnen könne: Es „geistere“ ein erster Entwurf durch die Medienlandschaft, der aber noch kein offizieller Referentenentwurf sei, in dem eine Zielmarke von 0,95 für den Uw-Wert für Neubauten aufgetaucht sei: Das sei praktisch nur mit 3-fach- ISO umsetzbar und man müsse davon ausgehen, dass dieses Glasprodukt sich zum Standard entwickele. Trotzdem rechnet er aber damit, dass „der künftige Referentenentwurf noch ganz anders aussieht, als diese jetzt aufgetauchten Gedankenspiele vom Bundesbauministerium.“

Was die Gebrauchstauglichkeit von 3-fach-ISO angeht, warnte er, dass die Glasbruchgefahr bei kleinen Seitenverhältnissen zunehme. Daraus ergebe sich: Die Scheibendicken müssen den Gegebenheiten angepasst werden. Und zum Produkt „leichtes 3-fach-ISO“ beschrieb er die Angebote, die auf der fensterbau zu sehen waren. Es gebe entweder die Möglichkeit durch dünnere Scheiben (3x3 mm) oder durch die Substitution der inneren Scheibe mit einer Kunststofffolie das Gewicht deutlich zu reduzieren. Die Produkte seien verfügbar, aber man müsse dabei beachten, dass die Grenze des Machbaren bei großen Dimensionen eher erreicht sei. Generell sei immer darauf zu achten, Rahmenkonstruktionen so auszulegen, immer schwerere Lasten aufzunehmen. Ein Fingerzeig dabei von ihm: Unsymmetrische Profilkonstruktionen – wie sie in letzter Zeit wieder häufiger vorkommen – würden die Rahmenstabilität herabsetzen und unerwünschte Durchbiegungen verursachen können. Ein Lösungansatz biete hier die Fensterfalzklebung.

Erwähnenswert für Sieberath war auch ein wichtige Stichtag für die Branche: Die Bauproduktenverordnung tritt zum 01. Juli 2013 in Kraft. Dann habe man es nicht mehr mit einer Richtlinie, sondern einem Gesetz zu tun – mit anderen Regularien bis hin zu Straftatbeständen bei Mißachtung. Die Leistungserklärung der CE-Kennzeichnung muss gedruckt oder in elektronischer Form übergeben werden. Und: Sie ist ein allgemein gültiger Vordruck, an den sich jeder zu halten hat. Das ift halte es aber für statthaft, dass das CE-Zeichen auf der Produktverpackung angebracht werde; nur der Firmenname, die Herstellnummer und Kontaktadresse müsse auf dem Produkt selbst angebracht werden. Als Schlussbemerkung zu Sieberaths Vortrag gab es das ironische Fazit vom Verbandspräsident Helbing: „Wir freuen uns schon auf die Dinge, die wir in nächster Zeit alle noch zusätzlich zu dokumentieren haben.“

Lutz Wiegand, Glasberater des VFF, referierte über die kommende Glas-DIN 18008 – Glas im Bauwesen, Bemessungs- und Konstruktionsregeln. Ein wesentlicher Teil der neuen DIN widmet sich nach Auskunft von Wiegand den absturzsichernden Verglasungen. Die Teile 1 und 2 der Glas-DIN wurden bereits im Dezember 2010 veröffentlicht und sollen künftig die TRLV ersetzen. Wiegand: „Die große wesentliche Änderung der DIN 18008 ist ein grundsätzlich anderes Glasbemessungskonzept. Mit dem neuen Nachweisverfahren wird der Aufwand der Berechnung jedoch deutlich größer.“ Die Bemessung und Berechnung der Verglasungen werde so aufgrund der hohen Komplexität mehr und mehr eine Aufgabe für Ingenieure und Statiker. Um die entsprechenden Werte zu ermitteln, werden spezielle Softwareprogramme nötig. Positiv sei, dass das Nachweisverfahren vereinfacht wurde: Mit der Glas-DIN sind jetzt auch Rechensimulationen statt Bruchversuche zulässig. Der Statiker wird in die Lage versetzt, nach Normvorgabe einen Pendelschlagversuch rechnerisch zu simulieren. Damit müssen keine Probescheiben mehr zerstört werden.

Auf dem Jahresstreffen wurden aber auch neue Wege beschritten: Das Diskussionsforum „Zwei bei Tschorn“ – bei dem in lockerer Art und Weise Ulrich Sieberath, Prof. Niemöller und der Verbandsgeschäftsführer die Fragen der Teilnehmer erörterten. Folgende Punkte wurden dabei u.a. ­behandelt:

  • Wann wird die DIN 18008 eingeführt sein? Sieberath: „Wenn alles gut geht in einem halben Jahr – ansonsten in 2 Jahren.“
  • Rückverfolgbarkeit: Die sei auf den Fensterhersteller gemünzt. Dieser müsse sicherstellen, dass auch die Zulieferteile entsprechend rückverfolgbar seien. Das hätte zwangsläufig auch Auswirkungen auf die Materialwirtschaft der Hersteller. Niemöller: „Das werde wohl auch dazu führen, dass man sich längerfristig an einen Zulieferer binden möchte.“
  • Nachlieferfähigkeit von Zulieferprodukten? Diesbezüglich würde es keine gesetzliche Verpflichtungen geben. Aber Prof. Niemöller dazu: „Mindestens die Verjährungspflicht sollte gegeben sein.“
  • Warum sind Tabellenwerte, Rechenwerte und Prüfwerte so unterschiedlich? Sieberath: „Jedes Verfahren birgt eine gewisse Ungenauigkeit. Es gebe aber eine Hierarchie: An oberster Stelle stehe der gemessene Wert und an zweiter Stelle die Berechnung.“ Prof. Niemöller ließ aber offen, ob ein Richter sich immer davon überzeigen lasse, dass gerade der angegebene Wert – aus welcher Grundlage er auch ermittelt werde – auch bei Gericht bestand haben würde.

Einen sehr erhellenden Blick über den Tellerrand vermittelte auf der Tagung anschließend der Wirtschafts- und Finanzwissenschaftler Prof. Dr. Wolfgang Wiegard. In rhetorisch überzeugender Art und Weise erläuterte er den Teilnehmern die Ursachen, Symptome und Wege aus der europäischen Schuldenkrise: Seiner Meinung nach trete Griechenland bald aus der EU aus. Er skizzierte, warum die Risikoprämien auf spanische und italienische Staatsanleihen so stark angestiegen sind und warnte davor, dass künftig der politische Konsens über das weitere Vorgehen aus der Krise weiter bröckeln werde. Seine Konklusion: „Wenn es gut geht, sollte die Schuldenkrise in 3 bis 4 Jahren wieder abklingen.“ Aber wenn nicht das richtige getan werde, könnte es sehr viel länger dauern und auch deutlich teurer werden für Deutschland.

Mit der Wahl des Präsidiums startete der zweite Tag: Neu an Bord sind Petra Hautau (Hautau GmbH) sowie Thomas Lauritzen (Schüco International KG). Präsident des VFF ist und bleibt Bernhard Helbing (TMP Fenster + Türen GmbH).

Anschließend stellte Professor Dr. Dirk Hass die aktuelle Branchenstrukturanalyse und die Zufriedenheitsanalyse des Künzelsauer Instituts für Marketing vor. Zur Branchenstruktur sagte er, dass ein weiterer Konzentrationsprozess festgestellt wurde. Er erklärte, dass im Rahmen dieses Prozesses immer mehr kleinere Hersteller aus der Branche ausscheiden oder zu Händlern werden (die GLASWELT berichtete). Seine anschließende Zusammenfassung der Zufriedenheitsanalyse kam zu dem Schluss, dass der VFF als Verband die Ergebnisse eines sehr guten, kundenorientierten Industrieunternehmens erreiche. Besonders gut bewertet wurden danach die Nähe zum Markt, die Aktualität der angebotenen Informationen sowie die insgesamt gute Lobbyarbeit.

Daniel Mund

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