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Bruch bei Glaseinspannungen

Wenn der Druck zu stark wird

Die Ausgangssituation: In einem Museum sind an verschiedenen Standorten Glasstelen mit Informationen aufgestellt. Diese sind auf Folien gedruckt, die als Zwischenschicht in den Verbund der Scheibe eingearbeitet wurde. Die Glasscheiben sind im unteren Bereich linienförmig in einen Stahlfuß eingespannt. Bereits kurze Zeit nach dem Einbau kam es an einigen Stelen im Bereich der Einspannung zu Rissen. Die Glasscheiben wurden ausgetauscht.

Nachdem es dann abermals zum Glasbruch kam und die Anzahl der gebrochenen Stelen sich auf über 12 erhöhte, beauftragte der Liegenschaftsverwalter des Museums den Gutachter mit der Untersuchung der Ursache für diese Brüche.

Beim Ortstermin wurden folgende Fakten ermittelt: Die Glasstelen bestehen aus 16 mm VSG (2 x 8 mm Floatglas mit 0,76 mm PVB Folie). Die Stelen sind 70 cm breit und 240 cm hoch. An der Unterkante haben sie zwei Bohrungen mit einem Durchmesser von 16 mm. Der Abstand der Bohrungen von den Seitenkanten beträgt 15 cm, der Abstand untereinander beträgt 40 cm.

Jede Stele ist in einem Stahlfuß aufgestellt. Dieser besteht aus einer Grundplatte von 50 cm x 50 cm, 8 mm dick. Auf dieser Grundplatte ist mittig eine 8 mm dicke und 14,2 cm hohe Klemmplatte aufgeschweißt, die ebenfalls 50 cm breit ist. Diese Klemmplatte hat im Abstand von 40 cm zwei Bohrungen mit einem M10-Gewinde.

Um den Kontakt von Glas mit dem Stahl zu vermeiden, ist die Klemmplatte zur Glasscheibe hin mit einer Schutzfolie aus Kunststoff versehen. Die Glasstele wird auf eine 2 mm dicke Kunststoff-Unterlage aufgestellt. Es ist von der Gegenseite mittels zweier M10-Senkkopfschrauben eine zweite 8 mm dicke Klemmplatte aus Stahl durch die Glasbohrungen hindurch angeschraubt und so die Glasstele eingeklemmt. Um auch hier einen möglichen Kontakt zwischen Schraube und Glasbohrungskante zu vermeiden, hat die Glasbohrung einen Durchmesser von 16 mm, in die zusätzlich ein Kunststoffschlauch eingelegt ist.

An drei Glasstelen wurden die Klemmplatten abgenommen. An allen Glasbohrungen gingen die Sprünge von den Kanten der Bohrungen aus.

Ursache der Glassprünge

Es wurde weiter überprüft, ob die Glassprünge möglicherweise aus einer Berührung mit der M10-Schraube resultieren. Hierzu wurden die Schrauben von der Gegenseite in die feststehende Klemmplatte eingeschraubt. Das Ergebnis: An allen Glasbohrungen war erkennbar, dass die Schraube mittig in der Glasbohrung sitzt und genügend Luft zum eingelegten Kunststoffschlauch hat.

Die Feststellung, dass die Glassprünge von den Kanten der Glasbohrungen ausgehen und teilweise noch nicht einmal bis zu den äußeren Kanten der Stelen verlaufen, weist auf ein statisches Problem beim Stahlfuß und hier speziell bei den Klemmplatten hin.

Bei einseitig an der Unterkante eingespannten Glasscheiben muss es das Ziel sein, die Klemmkraft der Schrauben gleichmäßig und flächenförmig auf den gesamten Klemmbereich der Glasscheibe zu übertragen. Weil die Klemmplatten nur 8 mm dick sind, wird bei der Verschraubung mit der M10-Schraube ein punktueller Druck im Bereich der Glasbohrung ausgeübt.

Dies zeigt sich eindeutig in dem von den Bohrungen sternförmig ausgehenden Verlauf der Sprünge. Auch der Abstand der Bohrungen zueinander von 40 cm ist zu hoch.

Dadurch führen die zu dünnen Klemmplatten und der zu große Bohrungsabstand zu einer punktuellen Überlastung der Scheiben im Bereich der Bohrungen und lösen hier die Glassprünge aus.

Das meint der Gutachter

Bei den Glasstelen handelt es sich zwar nicht um eine Verglasung im Sinne der technischen Richtlinie für absturzsichernde Verglasungen (TRAV), dennoch können Besucher bei Unachtsamkeit in die Stelen hineinlaufen oder hineinfallen.

In Ermangelung anderer Vorschriften wäre es daher denkbar, die TRAV bei Bemessung der Glasscheiben und der Mindestanforderung an die Verglasung heranzuziehen. In diesem Fall würde man von einer Verglasung der Kategorie B ausgehen, d.h. von einer linienförmig gelagerten Glasscheibe, die an ihrem unteren Rand in einer Klemmkonstruktion gehalten wird.

Im Anhang B der TRAV sind Konstruktionsmerkmale einer solchen Einspannung vorgegeben:

  • Einspannhöhe ≥ 10,0 cm
  • Klemmblech aus Stahl (Dicke ≥ 12 mm)
  • Verschraubungsabstand ≤ 30 cm
  • Klotzung am unteren Ende der Scheiben
  • Bohrung mittig zum Klemmblech (2,5 cm ≤ d ≤ 3,5 cm)
  • Kunststoffhülse über Verschraubung
  • In Längsrichtung durchgehende Zwischen­lage aus druckfestem Elastomer
  • Die Klemmung der Scheibe darf auch über hinreichend steife andere Haltekonstruktionen realisiert werden

Nach diesen Vorgaben sind die Klemmplatten der Unterkonstruktion mit nur 0,8 cm statt 1,2 cm zu dünn bemessen und auch die Bohrabstände sind mit 40 cm statt 30 cm um 10 cm zu groß.

Vor gut 30 Jahren war es eine meiner ersten Aufgaben als Anwendungstechniker der Flachglas AG die Mindestanforderungen an Geländerverglasungen mit verschiedenen Auflagerungen der Glasscheiben zu bestimmen.

Nach einer theoretischen Festlegung der Parameter wurden dann beim MPA Darmstadt Pendelschlagversuche durchgeführt. Die Ergebnisse sind als Grundsätze in das Glashandbuch der Flachglas sowie in die TRAV eingeflossen. An den Mindestanforderungen für einseitig eingespannte Verglasungen hat sich nichts geändert. Sie sind nach wie vor gültig. —

Tipp der Redaktion: Eine PDF-Datei mit Glasschäden und ihren Ursachen finden GLASWELT-Abonnenten zum kostenlosen Download auf https://www.glaswelt.de/; dort im Suchfeld rechts oben den Webcode 1115 eingeben.

Wolf-Dietrich Chmieleck

Der Autor

Dipl.-Ing. Wolf-Dietrich Chmie­leck ist öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Glastechnik.

IGA Institut für Glas-Anwendung

Tel. (0 23 02) 7 53 83

https://www.iga-chmieleck.de/

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