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Der Kommentar

Wir müssen umdenken

In den letzten Monaten explodieren in den Niederlanden die Konkurse bei den Fensterbauern. Betroffen sind besonders die mittelgroßen Unternehmen, die seit über 75 Jahren existierten. Diese Firmen hatten die Krise in den 1930er-Jahren, einen Weltkrieg und die Krise in den 1980er-Jahren überlebt. Was ist jetzt passiert? Nach dem Sommerurlaub wurden die Bankkredite aufgekündigt. Die Banken begründen dies damit, dass die bauorientierten Unternehmen im Verdacht stehen, aufgrund der schwachen Baukonjunktur in den Niederlanden ihre Verpflichtungen nicht mehr erfüllen zu können. Das ist frech!

Und es ist unfair, die Firmen im schwächsten Moment des Jahres zu treffen, wenn die Liquidität am niedrigsten ist. Vorangegangen war, dass die Firmen kurz zuvor die Urlaubsgelder und die Lohnsteuer zu zahlen hatten und es aufgrund der Urlaubszeit wenig Umsatz gab.

Das ist um so ärgerlicher, da die Banken über Debitoren und Sicherheitsverträge die Kreditgelder so oder so kassieren. Und gerade die Banken, die zur schwachen Konjunktur beigetragen haben, die vom Staat Milliarden bekommen haben zerstören in den Niederlanden jetzt unseren Mittelstand. Hier müsste der Staat eingreifen, da der Mittelstand auch in schlechten Zeiten die Wirtschaft am Laufen hält und die meisten Menschen in Lohn und Brot bringt. Die Politiker sollten den Mittelstand nachhaltig stimulieren – und das ohne Blick auf schnelle und hohe Rendite.

Helmut Schmidt hatte im Interview mit Sandra Maischberger in der ARD darauf hingewiesen: Wir in Europa dürfen nicht mehr nur in Wachstumsraten denken, sondern das Konsolidieren wird wichtiger, gerade auch im Hinblick auf die demographische Entwicklung.

Das gilt im übertragenen Sinn auch für die Baubranche. Hier müssen wir den ungenutzten Bestand mehr im Blick haben. In den Niederlanden werden aktuell 50000 Wohnungen zu wenig gebaut. Das wird bald zu Engpässen führen, die der Neubau nicht mehr abfangen kann.

Deswegen müssen wir leer stehende Büro- und Lagerhäuser etc. zu Wohnungen umrüsten. Wir müssen Gebäuden ein zweites Leben geben, Bestandshäuser mit schlechter Dämmung in Passivhäuser umwandeln etc. Dazu braucht es auch neue, intelligente Sanierungslösungen aus unserer Branche. Das gilt auch in Bezug auf Recycling.

Die Glas- und Fensterbranche muss bei den Politikern massive Lobbyarbeit betreiben, um neue Umnutzungskonzepte für den Bestand zu fördern. Außerdem sollte die Umnutzung von einzelnen Gebäuden schnell und zügig genehmigt werden. Die Staaten der EU müssen generell mehr Unterstützung geben, um die Situation am Bau europaweit wieder zu konsolidieren.

Paul Bastianen

Als gelernter Bauingenieur ist Bastianen seit 1981 in der Glasbranche ­tätig. Der ­Niederländer füllt im Wechsel mit anderen Branchen­kennern diese Gast­kolumne. Sein Fokus zielt auf die ­europäische und internationale Glasbranche.

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