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Fassadenentwicklung von morgen

Integrale Konstruktion als Antwort?

Integration gilt heute oft als das Credo einer fortschrittlichen Entwicklung. Wir sind umgeben von zahlreichen integralen Produkten und Konstruktionen.

Nehmen wir als Beispiel das iPhone. Dieses Gerät ist sozusagen der Inbegriff eines integralen Produkts: Es ist klein und leicht und vereint viele Funktionen, inklusive zwei Kameras, Bildschirm und Tastatur auf kleinstem Raum. Von solchen Produkten geht eine große Faszination aus und betrachten wir unsere eigene Disziplin, müssen wir uns fragen, warum wir nicht ähnlich bauen und durch integrales Konstruieren bessere Fassaden bauen?

Wie ist es aktuell um die Gebäudehülle bestellt? Wir haben verschiedene Fassadenkonstruktionen analysiert. Eine Pfosten-Riegel-Konstruktion ist ein gutes Beispiel für ein erfolgreiches Bauprodukt, das Planern und Fassadenbauern geläufig ist und in allen Bausegmenten zum Einsatz kommt. Untersucht man, auf welche Art die Bauteile bestimmten Funktionen zugeordnet werden zeigt sich, dass Pfosten-Riegel-Konstruktionen extrem monofunktional und modular aufgebaut sind. Etwas vereinfacht gesehen sind Pfosten und Riegel für die Statik verantwortlich. Nach Bedarf wird einfach die Tiefe angepasst. Die Dichtigkeit wird durch die inneren und äußeren Dichtungsprofile gewährleistet. Verschiedene Einsatzelemente erlauben eine funktionale Anpassung des Systems. Durch verschiedene Rasterbreiten und Deckleistenformen gibt es ein bestimmtes Maß an architektonischer Variabilität.

Warum hat also hier keine Entwicklung zu integralen Lösungen stattgefunden, wie etwa in der Automobilindustrie? Die Antwort lässt sich nur mit den Eigenheiten des Baumarktes erklären.

Die Konstruktion folgt dem Bauprozess

Wir haben den Fassadenmarkt durch zahlreiche Interviews und Literaturstudien analysiert. Das Schema rechts oben zeigt das komplexe Zusammenspiel der verschiedenen Beteiligten. Systemlieferanten entwickeln Produkte und greifen dabei einer zu erwartenden Nachfrage am Markt vor. Die Entscheidungen trifft in den meisten Fällen das entwerfende Team aus Architekten und Ingenieuren. Gekauft werden die Produkte jedoch durch den Fassadenbauer, der durch den Auftraggeber bezahlt wird.

Die Nutzer werden beim Entwicklungsprozess meistens nicht einbezogen. Wieder andere, nämlich Facility Manager, müssen dafür sorgen, dass die Fassade betriebsfähig bleibt.

Innovation findet in diesem Prozess deshalb nur dezentral statt. Jede Partei versucht sozusagen Ihr Bestes, aber an allen Schnittstellen sind dabei Risiken vorhanden. Deshalb schreiten Entwicklungen nur langsam voran. Radikal neue Lösungen kommen selten vor und finden nur schwer Eingang in den Marktprozess.

Und noch etwas zur Situation am Bau: Dieses komplexe und fragmentierte Zusammenspiel wiederholt sich für jedes Projekt mit meist neuer Zusammenstellung des Teams. Wir deklinieren sozusagen vor Ort einen komplizierten Prozess. Und das ist nur möglich, wenn wir uns dabei auf bestehende Konstruktionsmethoden verlassen können. Modularität von Fassadenkonstruktionen ist dabei ein wesentlicher Bestandteil, um auf den fragmentierten Prozess reagieren zu können.

Das unterscheidet unsere Branche fundamental vom Fahrzeugbau und von der Produktentwicklung, wo ein Produkt bis zur Serienreife entwickelt und getestet wird, bevor es in Massen und in vordefinierten Varianten auf den Markt kommt. Um es noch einmal deutlich zu sagen: Aktuelle Fassadenkonstruktionen sind nicht rückständig. Es ist eher so, dass die spezifische Bauaufgabe und die fragmentierte Marktsituation zu Konstruktionen führen, die eben nicht integriert sind.

Sind integrale Systeme besser zu bauen?

Aber zurück zur Ausgangsfrage: Können wir durch integrales Konstruieren bessere Fassaden bauen? An dem Beispiel der Komposit-Sandwich Fassade des Windesheim Gebäudes in Zwolle von Broekbakema Architekten lässt sich dies gut erläutern. Die Fassade besteht aus vorgefertigten 3 x 12 m großen Sandwichelementen von Holland Composites. Die Produktion dieser Elemente verlangt besondere Planungsschritte. Nach dem Entwurf und ­Engineering wird die Fassade in einem Formungsverfahren produziert – wie im Bootsbau. Dazu wird zunächst eine negative Form erstellt, in die dann die Fassade durch Einlegen von Fasermatten und anschließender Vakuuminjektion von Harz gebaut wird. Dieser Vorgang ist teuer und benötigt viel Zeit. Innerhalb eines Tages ist die Fassade ausgehärtet und fertig. Schließlich werden die Gläser in die Konstruktion geklebt. ­ Die eigentliche Produktion verläuft so relativ schnell.

Interessant ist dabei der Prozess. Er beruht nicht auf der Anwendung eines Fassadensystems, wie bei Pfosten-Riegel-Fassade, sondern auf einer speziellen Technologie.

Die ausführende Firma muss deshalb sehr früh in den Entwurfsprozess mit eingebunden werden. Das heißt, dass auch die Konstruktionsweise der Fassade in einem sehr frühen Stadium festgelegt werden muss. Entwurfsänderungen sind nicht mehr möglich, wenn die Negativform in Produktion geht. Dieser Prozessablauf muss sehr integriert erfolgen und ist ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr flexibel, während bei herkömmlichen Konstruktionen durchaus noch Änderungen eingepflegt werden können.

Ausblick

Die Antwort auf die Frage, ob Fassaden in der Zukunft integral konstruiert sein sollten, fällt also nicht so eindeutig aus. Neben der oben beschriebenen Sandwich-Konstruktion drängen auch andere Technologien auf den Markt. Denken wir zum Beispiel an Konstruktionen mit Folienkissen oder den Einfluss den Rapid Manufacturing (Bauteilfertigung mittels 3-D-Drucker), was Einfluss auf die zukünftige Baukonstruktion haben wird.

Wir beobachten aktuell eine Tendenz vom systembezogenen hin zum technologiebezogenen Bauen. Den Fassadenbauern und den Fassadenplanern werden so in der Zukunft mehr und unterschiedliche Möglichkeiten zur Verfügung stehen. Eins ist dabei deutlich: Integrale Konstruktionen verlangen nach einem integrierten Planungs- und Bauprozess und dieser ist bisher nicht der aktuelle Standard im Fassadenbau. —

Der Autor

Tillmann Klein ist Leiter der Forschungsgruppe Fassade an der Architekturfakultät in Delft. Dort werden am Lehrstuhl von Prof. Dr. Ulrich Knaack die jüngsten Trends bei Fassaden untersucht sowie an der Weiterentwicklung der Gebäudehülle geforscht.

t.klein@tudelft.nl

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