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GLASWELT Gespräch

Nicht jedes Dünnglas muss vorgespannt werden

Glaswelt – Herr Sack, welches Ergebnis der Untersuchungen hat Sie besonders überrascht?

Norbert Sack – Für mich gab es im Rahmen des Vorhabens kein Ergebnis, das mich jetzt besonders überrascht hat. Was mich aber sehr gefreut hat, ist die Tatsache, dass das Vorhaben von Seiten der Glasindustrie unterstützt worden ist. Das hatte ich am Anfang nicht für selbstverständlich erachtet, da im Rahmen des Vorhabens ja Lösungen untersucht wurden, bei denen weniger Glas zum Einsatz kommt bzw. Glas durch Kunststoffe ersetzt werden soll. Das Projekt wurde daher zu Beginn aus allen Blickwinkeln betrachtet und intensiv diskutiert – und letztendlich dann positiv bewertet. Daher an dieser Stelle nochmals meinen Dank für das Engagement des Bundesverbands Flachglas sowie der Forschungsinitiative Zukunft Bau als Förderstelle.

Glaswelt – Wenn wir von ISO mit Dünn­gläsern sprechen, ist das Vorspannen ein Muss. Aber halten Sie Vorspannen generell für sinnvoll?

Sack – Die Untersuchungen haben ergeben, dass für Scheiben mit einer kurzen Kante unter ca. 6570 cm sowohl bei 4 mm als auch geringeren Scheibendicken ein Vorspannbedarf besteht. Für dünne Scheiben besteht im Vergleich zu 4 mm Float jedoch kein signifikant erhöhter Bedarf zum Vorspannen infolge einer Bemessung für Wind- und Klimalasten. Aufgrund des Scheibenhandlings könnte sich aber ein Vorspannbedarf bei dünnen Scheiben ergeben. Ebenso sind generell die thermischen Belastungen zu beachten, z.B. bei Beschichtungen auf der mittleren Scheibe von 3-fach-Isolierglas.

Aus einer thermischen Behandlung der einzelnen Scheiben ergeben sich naturgemäß Konsequenzen für die Kosten und die Logistik. Ich halte es daher nicht für sinnvoll Gläser vorzuspannen, wenn keine Notwendigkeit dazu besteht.

Glaswelt – Gibt es deutlich abweichende Ergebnisse bei den getesteten Glasaufbauten in Bezug auf die verschiedenen Scheibenformate?

Sack – Unsere Untersuchungen im Projekt bezogen sich auf Isoliergläser, die im Wohnungsbau verwendet werden. Gläser für den Fassadenbau wurden nicht betrachtet, da hier im Regelfall aufgrund der Scheibenformate und -aufbauten bei 2-fach-Glas bereits Gewichte erreicht werden, die den Einsatz von Hebewerkzeugen notwendig machen. Für Formate, die im Wohnungsbau eine Rolle spielen, können prinzipiell alle im Rahmen des Vorhabens untersuchten Produktlösungen verwendet werden. Hier gibt es keine signifikanten Einschränkungen.

Glaswelt – Wo liegen die optischen Qualitätsunterschiede bei den untersuchten Typen.

Sack – In Bezug auf die Lichttransmission sind die untersuchten Typen vergleichbar mit „konventionellen“ 3-fach-Isoliergläsern. Durch den Einsatz von Dünngläsern ist keine gravierende Veränderung des Lichttransmissionsgrads zu erwarten; auch die solaren Gewinne verändern sich nicht signifikant. Diese beiden Eigenschaften sowie der Farbwiedergabeindex werden im Wesentlichen von der verwendeten Beschichtung beeinflusst, sodass es eine Abhängigkeit von der Funktionsschicht gibt. Die untersuchte ISO-Lösung „Folie im Scheibenzwischenraum“ hat ihren Ursprung in der Sonnenschutzanwendung. Es gibt hier Funktionsschichten die hohe solare Energiegewinne und Lichttransmissionsgrade ermöglichen.

Im Rahmen des Projekts haben wir auch die Frage diskutiert, ob beim Einsatz von Dünnglas durch die höhere Durchbiegung optische Effekte entstehen, die die Akzeptanz negativ beeinflussen könnten, speziell bei großformatigen Scheiben. Solche Untersuchungen konnten wir leider nicht durchführen, da es bislang für die subjektiven Wahrnehmungsunterschiede keine objektiven Beurteilungskriterien gibt. Die Entwicklung dieser Kriterien hätte den Projektrahmen überschritten. Ich kann daher nur empfehlen, auf den Effekt der höheren Durchbiegung und der daraus eventuell auftretenden optischen „Auffälligkeiten“ schon im Vorfeld den Bauherren hinzuweisen.

Glaswelt – Nach welchen Kriterien sollte man in der Praxis zwischen den untersuchten Typen auswählen?

Sack – Das ist wie bei allem im Leben. Es gilt, die Vorteile der verschiedenen Produktlösungen den möglichen „Nachteilen“, wie Kosten, Verfügbarkeit etc., gegenüberzustellen und dann zu bewerten. Hier wird es wohl sein wie bei der Auswahl unterschiedlicher Rahmenmaterialen: Auch bei diesen gibt keine allgemein gültigen Empfehlungen, sondern jeder muss eigene Entscheidungskriterien definieren.

Unabdingbar ist jedoch bei allen untersuchten Varianten die Erfüllung und der Nachweis der Dauerhaftigkeit und der geforderten Leistungseigenschaften nach EN 1279.­—

Die Fragen stellte Matthias Rehberger, Chefredakteur der GLASWELT.

Tipp der Radaktion: Den kompletten Forschungsbericht „Flächengewicht Mehrscheiben-Isolierglas – ­Untersuchungen von technischen Maßnahmen zur ­Reduzierung des Flächengewichts“ finden Interessierte ­unter https://www.ift-rosenheim.de im Literaturbereich unter „Forschungsberichte“.

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