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Konstruktiver Glasbau im Denkmalschutz

Transparent und lastabtragend

Das Grimmaer Schloss zählt zu den bedeutenden profanen Bauten in Sachsen. Das denkmalgeschützte Gebäudeensemble des Schlosses bleibt jetzt dank der Transparenz der neuen Konstruktionen mit seinen historischen Raumbezügen erlebbar. Bei einem gläsernen Verbindungsgang des Schlosses beschritt man bautechnisch neue Wege. Die Verbindungen der lastabtragenden Glasträger und Glasstützen erfolgten ausschließlich mit hochfesten, transparenten Klebungen. Nachfolgend werfen wir einen detaillierten Blick auf diese nicht alltägliche Konstruktion.

Im März dieses Jahres wurden die historischen Gebäude und die neuen Glaskonstruktionen feierlich an die neuen Nutzer übergeben. Bedingt durch die geänderten funktionalen Zusammenhänge sowie die Anforderungen an ein zeitgemäßes Gerichtsgebäude, waren Eingriffe in die bestehende Bausubstanz unvermeidbar. Mit den transparenten Trag­konstruktionen aus Glas ließ sich dennoch Neues schaffen, ohne dass das Alte seinen Charakter verlor.

So entstanden in den letzten drei Jahren ein gläsernes Foyer, ein komplett verglaster Treppen- und Aufzugsturm sowie ein transparenter Verbindungsgang zwischen dem historischen Kornhaus und dem Schloss.

Der rund 25 m lange Verbindungsgang findet dabei das besondere Interesse der Glasfachleute. Die Tragkonstruktion der Gangüberbauung – siebzehn Halbrahmen aus Verbundsicherheitsglas mit einer Querschnittshöhe von 300 mm – besteht vollständig aus Glas.

Die Spannweite der leicht geneigten Träger beträgt rund 2,50 m. Die Höhe der Rahmenstützen variiert aufgrund der veränderlichen Geländekante des Schlosshofes zwischen 3,10 und 3,90 m.

Um einen maximalen Grad der Transparenz zu erreichen, wurden die Rahmen in den Ecken nicht verschraubt, sondern ausschließlich mit einer transparenten, hochfesten Klebung verbunden. Die oberen Auflager der Rahmen sind in die bestehende Natursteinmauer eingelassen. Die Rahmen wurden am Fußpunkt an einer neuen Rampe aus Stahlbeton befestigt. Und eine Klebverbindung aus Silikon trägt die Verglasung der Außenhülle.

Verklebte Rahmenecken ähneln einer Schlitz- und Zapfenverbindung

Die geklebten Glasrahmen aus Verbundsicherheitsglas bestehen aus viermal 10 mm heißgelagertem Einscheibensicherheitsglas. Die Eckverbindung ähnelt dabei einer Schlitz- und Zapfenverbindung (aus dem Holzbau).

Bei den Rahmenstielen laufen die jeweils äußeren, bei den Rahmenriegeln die beiden inneren Glastafeln des Laminats bis in die Ecke durch, sodass eine Gabellagerung entsteht. Im Bereich der Überschneidung wurden die einzelnen Elemente flächig mit einem transparenten Klebstoff gefügt. Der verwendete Acrylatklebstoff härtet durch UV-Strahlung aus. Die Breite des Klebspaltes ergibt sich aus der Dicke der Zwischenschichten aus Polyvinyl-Butyral zu 1,90 mm. Die mittlere Folie hat eine Schichtdicke von 1,52 mm.

Schritt für Schritt zum passenden Klebstoff

Im Auftrag des Bauherrn, dem Staatsbetrieb Sächsisches Bau- und Immobilienmanagement (SIB), führte bei diesem Bauvorhaben das Institut für Baukonstruktion der Technischen Universität Dresden umfangreiche Untersuchungen zur Entwicklung und Optimierung der geklebten Konstruktion durch.

Mittels Voruntersuchungen an geeigneten Klebstoffen konnte so das beste Material für die Klebung herausgefiltert werden.

Die Materialkennwerte und die Haftfestigkeit des gewählten Klebstoffs wurden experimentell bestimmt. Darüber hinaus wurde die Transparenz geprüft und die Herstellung erprobt. Im Rahmen von Genehmigungsverfahren für nicht geregelte Bauprodukte und Bauarten – dies gilt insbesondere für geklebte Glastragwerke – sind häufig experimentelle Nachweise zu erbringen.

Die enge Kooperation zwischen den Behörden, Fachplanern und der Überwachungsstelle führte bei diesem Projekt zügig zum Erfolg.

Ein Monitoring der Klebverbindungen und der Umwelteinflüsse auf die Konstruktion soll hier wertvolle Daten liefern, um die Leistungsfähigkeit transparent geklebter Verbindungen weiter hervorzuheben.

Ausblick

So häufig das Kleben im Flugzeug- und Automobilbau sowie bei Schienenfahrzeugen bereits angewendet wird, so selten ist diese Fügetechnik noch im Glasbau zu finden. Lastabtragende Klebungen gewinnen aber als materialgerechte Verbindungsform für Glas zunehmend an Bedeutung.

Abschließend sei dem Bauherrn für seinen Willen und seine Bereitschaft gedankt, eine solche innovative Glaskonstruktion zu realisieren. Zudem hat das große Engagement der beteiligten Planer der Bauconzept Planungsgesellschaft mbH und des Dresdener Büros der GSK – Glas Statik Konstruktion GmbH sowie der ausführenden Hunsrücker Glasveredelung Wagener GmbH die Umsetzung der Ganzglaskonstruktion erst möglich gemacht. —

Die Autoren

Prof. Dr. Bernhard Weller leitet das Institut für Baukonstruktion an der Technischen Universität Dresden.

Felix Nicklisch ist am Institut als Assistent tätig und betreut wissenschaftliche Projekte zum konstruktiven Glasbau.

http://www.bauko.bau.tu-dresden.de

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