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Glaskonstruktionen im Privatbereich

Besser auf der sicheren Seite

Beim Einsatz von Glas in der Fassade und im Interieur werden die sicherheitstechnischen Anforderungen seitens der Gesetzgeber und Unfallversicherungsträger immer konkreter. Das heißt: Eventuelle Verletzungsfolgen sollen durch den Einsatz geeigneter Bauprodukte und/oder durch konstruktive Maßnahmen im Voraus vermieden werden.

Heute existiert eine Vielzahl von Sicherheitsregeln in Unfallverhütungsvorschriften (UVV), Arbeitsstättenverordnungen und Verordnungen, in denen die Verkehrssicherheit mit Glas geregelt wird.

Generell richtet sich die Auswahl und Bemessung von Glaserzeugnissen nach den Technischen Baubestimmungen wie z.B. den Bauordnungen der Länder und/oder der Liste der Technischen Baubestimmungen (LTB). Die wesentlichen Technischen Baubestimmungen für Glas sind derzeit noch die TRLV, TRPV, TRAV und die DIN 18516-4. TRLV, TRPV und TRAV werden zwar in Zukunft nach Aufnahme der DIN 18008 in die LTB durch diese ersetzt; wesentliche Änderungen sind dabei jedoch nicht zu erwarten.

Die Anforderungen zur Nutzung von Glaserzeugnissen in öffentlichen und gewerblichen Bauten wie Schulen, Büros und Kindergärten sind klar und eindeutig gesetzlich geregelt.

Dies gilt jedoch nicht für den Privatbereich. Dort sind die Anforderungen an die Verkehrssicherungspflichten nicht umfassend gesetzlich geregelt; vielmehr werden in einer umfangreichen Einzelfallrechtsprechung kontinuierlich bestimmte Maßstäbe vorgegeben, auf deren Beispiele im Text noch ­Bezug genommen wird.

Verkehrssicherungspflicht – was ist das?

Sicherheitsrelevante Bereiche sind Örtlichkeiten, wo mit Ansammlungen von Menschen und demnach mit Menschengedränge zu rechnen ist. Sie sind aber auch dort, wo besonders schutzbedürftige Personengruppen (Ältere, Kinder, Behinderte) sowie sehschwache oder gehunsichere Personen mit Glasflächen in Berührung kommen können. Dazu zählen u.a. Altenheime, Schulen, Versammlungsstätten, Sportstätten und Krankenhäuser.

Als ausreichend verkehrssicher gelten an Verkehrs- bzw. Aufenthaltsbereichen grenzende Verglasungen, wenn sie als bruchsicher gelten und bei üblicher und angemessener Nutzung das Unfallrisiko beurteilt werden kann sowie durch bauliche Maßnahmen minimiert wird.

Kriterien zur Beurteilung der Verkehrssicherheit von Verglasungen sind z.B.:

  • die Standsicherheit, die besagt, welche vorhersehbaren und kalkulierbaren Belastungen sicher getragen bzw. abgeleitet werden,
  • die Glasdicke sowie Art und Ausführung der Halterung als Hinweis für maximal aufzunehmende Verkehrslasten,
  • Vorgaben für die Eignung von Verglasungen für den vorgesehenen Verwendungszweck im Rahmen einer Technischen Regel, einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (abZ), eines allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses (abP) oder einer Zustimmung im Einzelfall (ZiE) und
  • die Art und Weise der Abschirmung von nicht ausreichend verkehrs­sicheren oder nicht bruchhemmenden Verglasungen.

Die sich daraus ableitende Verkehrssicherungspflicht ist eine Verhaltenspflicht zur Abwehr und Sicherung von Gefahrenquellen.

Das heißt, dass jeder, der eine Gefahrenlage schafft dazu verpflichtet ist, eine Schädigung anderer möglichst abzuwenden – auch im Privatbereich. Zu den Anforderungen an Glas im Hinblick auf die Verkehrssicherheit listen die Technischen Richtlinien für das Glaserhandwerk unterschiedliche Regelwerke auf. Diese geben Auskunft über die Anforderungen an den Werkstoff Glas in den unterschiedlichen Verkehrsbereichen. Hier sei auf die Technischen Richtlinien des Glaserhandwerks Nr. 8 und auf das VFF-Merkblatt V.05 Sicherheitsglas verwiesen, das auf konkrete Ausführungsbeispiele, Anwendungen und Konstruktionen eingeht.

Widersprüchliche Rechtsprechung

Die Verkehrssicherungspflichten für den Privatbereich sind gesetzlich nicht geregelt, leiten sich aber aus der Norm des § 823 BGB ab. Sie wurden in einer Fülle von Einzelfällen von der Rechtsprechung entwickelt und konkretisiert.

Dementsprechend existiert eine umfangreiche Einzelfallrechtsprechung, die jedoch teilweise widersprüchlich ist. Dazu zwei Beispiele:

In einem Urteil des OLG Karlsruhe vom 10.10.1996 (AZ 5 U 138/95) heißt es: „Die Verkehrssicherungspflicht erfordert Vorkehrungen auch gegen ein Verhalten, das möglicherweise beanstandet werden kann, jedoch bei Beobachtung der jeweiligen Verkehrsgepflogenheiten als üblich und daher hinnehmbar bezeichnet werden muss.

Es ist nichts Ungewöhnliches, dass Bewohner und Besucher eines Hauses wegen mitgeführter Gegenstände davon absehen, den Türdrücker zu benutzen und sich stattdessen mit der Schulter gegen die nach innen öffnende Haustüre lehnen, um in das Gebäude zu gelangen, sobald der elektrische Türöffner betätigt wird.“

Hingegen lautet ein Urteil des Bundesgerichtshofes vom 16. Mai 2006 (VI ZR 189/05 LG Siegen), das sich mit der Verwendung von Sicherheitsglas in Innentüren beschäftigte: „Der Vermieter einer Wohnung verstößt nicht gegen seine Verkehrssicherungspflicht, wenn er die mit einem Glasausschnitt versehenen Zimmertüren der Wohnung, die insoweit den baurechtlichen Vorschriften entsprechen, bei einer Vermietung an eine Familie mit Kleinkindern nicht mit Sicherheitsglas nachrüsten lässt.“

Sicherheitsglas zuhause – keine Pflicht, aber eine Verpflichtung

Trotz dieser unterschiedlichen Auffassungen der Gerichte ist es für Bauherren und Fachplaner ratsam, Sicherheitsgläser in ihre Planungen von Anfang an aufzunehmen und die Anforderungen für die ausführenden Gewerke klar zu formulieren. Auch der nachträgliche Einbau von Sicherheitsgläsern lohnt sich – selbst dann, wenn die eigentliche Scheibe keinerlei Beschädigungen aufweist.

Der Glasaustausch ist im Regelfall unkompliziert, technisch problemlos machbar und für den Bauherren mit einem vertretbaren Aufwand umzusetzen. Mögliche Mehrkosten rechnen sich durch den besseren Schutz vor Verletzungen in jeden Fall und sollten kein Argument gegen einen Glastausch sein.

Entscheidend ist jedoch die Aufgabe des Planers, mögliche Gefahrenquellen zu erkennen und nach sorgfältiger Abwägung (z.B. durch eine zu dokumentierende Gefährdungsanalyse) Sicherungsmaßnahmen zu treffen. Art und Umfang solcher Maßnahmen hängen stets von den Umständen des Einzelfalles ab, wobei unter anderem auch die Art und die Nutzung einer baulichen Anlage berücksichtigt werden muss.

Ausdrücklich ratsam ist hier eine genaue Absprache zwischen Bauherrn, Planer und ausführendem Handwerker, die zudem schriftlich dokumentiert werden sollte. Konkret heißt dies: Der Glaser sollte den Bauherren in Privatbauten auf die für den öffentlichen Bereich geltenden Regelungen und auf eine erhöhte Gefährdung der Nutzer ausführlich schriftlich hinweisen. Sollte sich der Bauherr für eine andere Lösung entscheiden, sollte sich der ­Glaser dies schriftlich bestätigen lassen. —

https://glassolutions.de/de

Wolfgang Böttcher, Glassolutions

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