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Fensterwerkzeuge

Dünne Schicht — große Wirkung

„Schneller produzieren, eine bessere Qualität erreichen, aber bitte preiswert sein“, so die allgemeine Marktanforderung, die auch für die Holzfensterbranche gilt. Die Oberflächen der Fenster müssen höchsten Anforderungen genügen und trotzdem kostengünstig hergestellt werden. Ein erster Schritt: Die Oberflächen der Holzkanteln werden bereits nach dem Fräsen in einer Qualität hergestellt, dass vor dem Lackieren gar nicht mehr oder nur minimale Schleifvorgänge benötig werden.

Um dies zu erreichen ist der Fräsprozess zu optimieren: Einerseits müssen die Maschinen schwingungsarm arbeiten, andererseits haben die Werkzeuge einen wesentlichen Einfluss auf die Oberflächenqualität der Holzkanteln. Viele Faktoren spielen dabei eine Rolle – ein wichtiger davon ist die Werkzeugschneide.

Es stellt sich nun die Frage: Wie kann eine sehr gute Oberflächenqualität erreicht werden, ohne dass die Werkzeugkosten pro Fenster ­steigen?

Ein Blick in andere Industriezweige kann da Lösungen aufzeigen: In der Metallindustrie sind Beschichtungen schon seit Jahren Standard. Führende Werkzeugfirmen im Bereich der Metallbearbeitung geben an, dass 80 bis 90 Prozent der Schneidenwerkzeuge aus beschichtetem Hartmetall bestehen. Weshalb soll dies in der Holzindustrie nicht auch möglich sein?

Dieser Gedanke hat vor zwei Jahren die Firmen Oertli Werkzeuge AG und W. Blösch AG dazu bewegt, zusammen mit der Berner Fachhochschule ein KTI*-Projekt zur Entwicklung einer neuen Werkzeugbeschichtung für die Fensterbranche zu starten.

An verschiedensten europäischen Hochschulen und Instituten wurden immer wieder Versuche mit aus der Metallindustrie bekannten Beschichtungen durchgeführt – allerdings ohne durchschlagenden Erfolg. Viele der Versuche kamen zum Ergebnis, dass eine Standzeiterhöhung um den Faktor 2 bis 3 das Maximum sei. Dabei wird in der Metallindustrie je nach Anwendungsfall eine bis zu 100-fache Standzeit erreicht. Interessanterweise kam es bei den Versuchen im Holzbereich oft vor, dass die Beschichtungen komplett versagt haben. Dies wurde immer auf die Eigenschaften des natürlichen Werkstoffes Holz geschoben.

Ziel des Forschungsprojektes war es nun, eine Werkzeugbeschichtung für die Fertigung von Fensterkanteln zu entwickeln, welche die Standzeit von konventionellen, unbeschichteten Werkzeugschneiden auf das 10-fache erhöht.

Für den Kunden bedeutet dies: Anstelle von 10 Schneiden werden jetzt nur noch eine bis drei benötigt. Im gleichen Rahmen nehmen auch die Werkzeugwechsel ab, wodurch die Maschinenverfügbarkeit bei gleichbleibender Qualität erhöht wird. Hier liegt ein wesentlicher ökonomischer Vorteil für den Anwender. Dieser Vorteil bleibt trotz des notwendigen Mehrpreises wegen der Beschichtung größtenteils bestehen.

Ebenso wollten die Projektpartner die ökologische und arbeitstechnische Seite nicht außer Acht lassen. Die gesundheitliche Belastung am Arbeitsplatz sollte durch die Feinstaubreduzierung gesenkt, andererseits auch ein ökonomischerer Umgang mit den Ressourcen erzielt werden. Mit der Erhöhung der Standzeit der Schneiden werden weniger Schneiden verbraucht, somit werden die Ressourcen geschont und die Anlagen laufen effizienter.

Wer bestimmt die Qualität?

Bei der Herstellung von Fenstern ist für den Anwender allein die Fräsqualität entscheidend. Wann diese Qualität erreicht ist, wird aber nicht durch ein genaues Messwerkzeug bestimmt, sondern durch den Bediener selbst, welcher mit der Hand über die Holzoberfläche fährt und das Werkstück allenfalls noch gegen das Licht hält.

Die Oberflächenqualität der Holzkanteln wird durch eine Vielzahl von Parametern während des Fräsprozesses beeinflusst. Um das Projektziel zu erreichen war es wichtig, die Parameter zu definieren, welche einen wesentlichen Einfluss auf diese Oberflächenqualität haben. Dazu wurde in einer frühen Phase des Projektes Unterstützung bei den Fensterherstellern ­eingeholt.

Die Schnittparameter (Vorschubgeschwindigkeit, Drehzahl, Eingriffswinkel und -tiefe) wurden auf Hinweis der Anwender als fest vorgegeben angenommen. Die Steifigkeit der Maschinen, das Schwingungsverhalten der Werkzeuggrundkörper, die Qualität der Werkstückspannungen wurden ebenfalls nicht weiter untersucht. In den Labortests wurde auf einer in der Branche üblichen Maschine (Weinig Conturex) möglichst praxisnah getestet.

In der metallverarbeitenden Industrie wird der Schneidenradius neben der Oberflächenrauheit als Indikator zur Beurteilung des Verwendungsgrades einer Schneide und somit der Standzeit genommen. In der Holzindustrie herrscht die Meinung vor, je schärfer eine Schneide ist, desto besser ist die Fräsqualität. Demnach soll eine absolut scharfe Schneide einen Schneidenradius von unter 2μm haben.

Eine Herausforderung im Projekt war es, diese sehr kleinen Schneidenradien zu bestimmen. Dazu wurden die Schneiden mit einem Rasterelektronenmikroskop (REM) vermessen, für die eine spezielle Vorrichtung gefertigt werden musste.

Durch die vielen Messungen an neuen und gebrauchten Schneiden konnte festgestellt werden, dass der Schneidenradius einer neuen unbeschichteten Schneide bei ca. 2 bis 5 μm liegt und der einer stark gebrauchten bei 10 - 13 μm. Dies widerspricht z.T. der gängigen Theorie, dass nur mit einer absolut scharfen Schneide eine Top-Oberflächenqualität erreicht werden kann.

Schichtentwicklung

Beim Beschichten wird das Ausgangsmaterial, die Werkzeugschneide, mit einer sehr dünnen Schicht im μ-Bereich überzogen. Diese Schicht hat die Aufgabe, das darunter liegende Material vor Verschleiß zu schützen. Die Schicht besteht im Normalfall aus einer Zusammensetzung von verschiedenen Metallen, welche in einem physikalischen Verfahren aufgedampft werden. Um den optimalen Schutzeffekt zu erzielen, muss die Werkzeugschneide vollständig mit der Beschichtung umschlossen sein. Sobald beim Zerspanungsprozess an einem Punkt die Beschichtung zerschlissen ist, beschleunigt sich der Abtrag der restlichen Schicht, und damit nimmt der normale Verschleiß seinen Verlauf.

In dem Projekt wurde bei der Schichtentwicklung vorwiegend auf die Erfahrung der Firma W. Blösch AG zurückgegriffen. Es wurden unterschiedlichste Zusammensetzungen und Schichtdicken getestet. Die optimale Schichtdicke ist deshalb wichtig, da ihr Auftrag die Schneidkantenverrundung verstärkt und damit die Anfangsqualität der Zerspanung maßgebend ­beeinflusst.

Mit der Beschichtung wird auch die Oberflächenrauhigkeit der Werkzeugschneide erhöht und damit die Fräsqualität negativ beeinflusst. Wird über die Beschichtung ein spezieller Decklayer aufgetragen, so wird diese Rauhig­keit wieder vermindert.

Labortests geben Hinweise

In den Labortests wurde mit einer Werkzeugschneide eine Standard-Fensterkantel bearbeitet. Die Schneidkantenverrundung und die Fräsqualität wurden nach einem vorgegebenen Raster in regel­mäßigen ­Abständen gemessen und beurteilt. Die Fräsqualität wurde durch ­eine ­Expertenrunde bestimmt, welche im Vergleich zu Referenzmustern die Qualität bei unterschiedlichen Standwegen beurteilte. Über den Vergleich der ­Ergebnisse der einzelnen Schichten untereinander und mit unbe­schichteten ­Schneiden konnte Schritt für Schritt eine optimale Schichtzusammensetzung ermittelt werden. In dieser Versuchsphase haben sich zwei Schichten ­herauskristallisiert, welche eine 7-fache Standzeit erreicht haben.

Industrietests belegen den Erfolg

In den anschließenden Industrietests wurden diese beiden Schichten in verschiedenen Zerspanungsprozessen und auf verschiedenen Maschinen getestet. Dabei wurden unterschiedliche Resultate ermittelt: Während in einem Fensterbaubetrieb eine 10-fache Standzeit erreicht wurde, konnte ein anderer lediglich eine 4- bis 5-fache Standzeit vorweisen. Diese Industrietests sind aber noch nicht vollständig abgeschlossen, jedoch kann bereits jetzt von einem großen Erfolg der beiden Beschichtungen gesprochen werden. Schließlich interessieren sich mehrere der Testfirmen dafür, diese Schicht in der Produktion einzusetzen. Und: Diese Schicht wird von Oertli seit Ende 2012 unter der Bezeichnung NanoCro vertrieben. Erste Schneidentypen sind bereits erhältlich.

Fazit

Mit der Entwicklung einer Beschichtung für Fensterwerkzeuge konnte aufgezeigt werden, dass auch in der Holzbranche Beschichtungen ihren Platz haben und jetzt schon eine deutliche Leistungssteigerung erreicht wird. Aber das erzielte Ergebnis wird sicher noch nicht der Weisheit letzter Schluss sein. Wir stehen erst am Anfang einer vielversprechenden Entwicklung und vor einem Quantensprung in der Holzverarbeitungsbranche. Es wird vergleichbar zur Metallindustrie eine Vielzahl von Folgeprojekten brauchen, denn auch in der Holzindustrie werden für die Fräsprozesse in den unterschiedlichsten Materialien unterschiedlichste Beschichtungen verwendet werden.

Das Gleiche gilt auch für andere Prozesse z.B. das Bohren, Hobeln, Sägen etc. In einigen Jahren werden wir aber mit beschichteten Werkzeugen (HM oder HSS) nahe an die Standzeit von Diamantwerkzeugen herankommen – aber mit einem Bruchteil an Energieaufwand und zu wesentlich geringeren Kosten. —

* Die Kommission für Technologie und Innovation (KTI) ist die Förderagentur in der Schweiz für wissenschaftsbasierte Innovation. Sie unterstützt Projekte im Bereich der anwendungs- bzw. marktorientierten Forschung & Entwicklung, die Unternehmen zusammen mit Schweizer Hochschulen durchführen.

Projektpartner

Die W. Blösch AG aus Grenchen ist im Bereich der Oberflächenbehandlung und Beschichtung für die Metall- und Uhrenindustrie eine traditionsreiche Firma. Heute zählt das Unternehmen mit seiner eigenen Technologie (Platit) zu den führenden PVD Beschichtern, Entwicklern und Beschichtungsanlagenherstellern weltweit.

http://www.bloesch.ch

Die Oertli Werkzeuge AG produziert seit 90 Jahren ­Holzbearbeitungswerkzeuge. Das Sortiment reicht vom einfachen Profilfräser über hochpräzise Hobelwerkzeuge und -messerköpfe bis zu den komplexen Präzisions-Systemwerkzeugen für die Fenster- und Türenbearbeitung. Besonders stark sieht sich das Unternehmen im Bereich der kunden- und maschinenspezifischen Sonderwerkzeugen.

http://www.oertli.ch

Die Berner Fachhochschule, Architektur, Holz und Bau ist im Bereich der ­Ausbildung von Holzingenieuren in der Schweiz einzigartig: Mit ihrer Abteilung Forschung und Entwicklung ist sie in den ­letzten Jahren immer mehr zu einem ­interessanten Partner für die Industrie bei der ­Lösung diverser Probleme geworden.

http://www.ahb.bfh.ch

Der Autor

Eduard Bachmann ist bei der Berner Fachhochschule in Biel Leiter der ­Forschungseinheit Produktion und Logistik.

Kontakt: eduard.bachmann@bfh.ch

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