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Im Gespräch mit Scott V. Thomsen

„Es gibt mehr als nur Kostenreduzierung”

Glaswelt – Herr Thomsen, der Glasverbrauch steigt nicht mehr so wie noch vor zehn Jahren, was macht die Glasbranche falsch?

Scott V. Thomsen – Die Glasverarbeiter haben in vielen Ländern mit Rezession und schwierigen Rahmenbedingungen zu kämpfen. Dann steht die Kostenreduzierung auf dem Plan, das ist das ganz große Thema. Häufig richten die Verarbeiter ihren Fokus viel zu stark ausschließlich auf die Kostenreduzierung. Deshalb sehen diese Firmen häufig keine neuen Geschäfts- oder Produktideen mehr, was wiederum die Entwicklung neuer Produkte behindert und hemmt. Das ist eine gefährliche Dynamik.

Dazu kommt, dass unsere Branche häufig nicht die richtigen Glasprodukte anbietet. Oft gehen diese an den Bedürfnissen unserer Kunden (B-to-B) und deren Kunden vorbei.

Glaswelt – Was muss sich ändern?

Thomsen – Wir brauchen viel mehr neue, clevere Glasprodukte. Und wir brauchen bahnbrechende Innovationen in beschleunigten Zyklen. ­Gegenwärtig brauchen wir für fundamentale Entwicklungsschritte in der Glasbranche um die 20 Jahre, das ist viel zu langsam. Solche Schritte müssten in einem Zeitrahmen von fünf bis sieben Jahren erfolgen. Deshalb müssen wir mehr Geld in die Entwicklung investieren. Dabei brauchen wir eine durchgängige Entwicklungskette mit allen Prozessbeteiligten, d.h. alle Zulieferindustrien müssen mit eingebunden sein. Ziel muss es sein, die Wertschöpfung sowie die Margen für alle Beteiligten zu verbessern. Nur wenn alle auf einem ­gleich hohen Niveau fertigen und stetig ihre Gewinne verbessern, kommt unsere Branche voran.

Zudem müssen wir für die Endverbraucher viel mehr innovative Glasprodukte anbieten, die wesentlich strikter an den Kundenbedürfnissen ausgerichtet sind und die gleichzeitig dem Nachhaltigkeitsgedanken Rechnung tragen.

Glaswelt – Reicht das alleine schon aus?

Thomsen – Leider nein. Es gibt heute schon viele spannende Glasprodukte (z.B. elektrochromes Glas), die kaum ein Endverbraucher kennt, da wir sie nicht genügend vermarkten. Das muss sich ändern. Hier schlummern große Potenziale.

Glaswelt – Wo liegen in Ihren Augen aktuell die größten Produktpotenziale?

Thomsen – Bei den elektrochromen Gläsern. In wenigen Jahren wird das der Renner sein. Gerade die Möglichkeit, solche Gläser in die Haussteuerung zu integrieren bringt viele Vorteile, allen voran die steuerbare Kombination aus schaltbarem Sonnenschutz und Dämmung. Damit kann der Nutzer zudem seine Verbrauchskosten reduzieren. Produkte dieser Art haben wir noch viel zu wenig. Deshalb braucht es z.B. radikale Veränderungen beim traditionellen Isolierglas, bei den Abstandhalten und in der Vakuumtechnologie etc. Wir brauchen mehr thermisch und chemisch vorgespannte Dünngläser und insgesamt weniger Glas im System. Allgemein gesprochen brauchen wir spezifischere und werthaltigere Produkte. Gleichzeitig muss die Kosteneffizienz steigen, denn auch die Glasverarbeiter brauchen bessere Margen, um zu überleben. Das werden wir aber nur erreichen, wenn der Kunde die Leistungsmerkmale unserer Gläser kennt und sie zu schätzen lernt. Und das ist die Aufgabe des Marketings.

Glaswelt – Wie sehen Sie die aktuelle Marktentwicklung der internationalen Glasbranche?

Thomsen – Die ganz große Herausforderung ist heute Europa. Dort müssen wir die Kapazitäten wieder in den Griff bekommen, diese sind viel zu hoch und der Preiskampf ist desaströs. Hier stimmt die Balance überhaupt nicht mehr. Mindestens 14 Float-Linien wurden abgeschaltet oder sind auf Standby. Das macht um die 20Prozent der europäischen Kapazitäten aus. Zudem sind die Lager immer noch zu voll. Dazu kommt, viele Floatstandorte passen geografisch nicht mehr zur Nachfrage.

Ein Lichtblick in Europa ist allerdings Deutschland. Sowohl beim Neubau als auch bei der Sanierung nimmt Deutschland oder genauer gesagt die DACH-Region aktuell eine absolut positive Sonderstellung ein.

Glaswelt – Sehen Sie weitere positive bzw. interessante Märkte?

Ja, allen voran Russland. Dort haben wir ein neues Floatwerk aufgebaut. Dann ist Brasilien sehr interessant in seiner Entwicklung. Aber die ganz großen Zukunftsmärkte liegen in Asien: Indien wächst wirklich stark, ebenso China. Und seit Kurzem scheint sich auch für die US-Glasbranche eine langsame Erholung auf niedrigem Niveau abzuzeichnen.

Glaswelt – Was können die Glasverarbeiter künftig von Guardian erwarten?

Thomsen – Wir wollen weltweit noch einige geografische Löcher mit unseren Produkten füllen. Dann haben wir ein neues Low E-Glas mit 3-fach Silberbeschichtung entwickelt. Und wir bieten einen verbesserten Service sowie neue Supporttools an, die eine höhere Wertschöpfung für Glasverarbeiter, Architekten and Fassadenplaner generieren sollen. Und beim Vakuum-Isolierglas überlegen wir gerade verschiedene Optionen.

Glaswelt – Wo steht für Sie der Wettbewerb?

Thomsen –Unsere wirklichen Wettbewerber kommen nicht aus der Glasbranche! Die Feinde von Glas sind Beton und Stein. Gegen diese müssen wir ankämpfen, um bei Gebäuden einen Oberflächenanteil von 60Prozent aus Glas zu erreichen, statt wie heute 40Prozent. Unser langfristiges Ziel muss eine Welt aus Glas sein. ­—

Das Gespräch führte Matthias Rehberger, der Chefredakteur der GLASWELT.

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