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Neue Serie Glasbau: Prüfen, Überwachen, Zertifizieren (Teil 2)

Wann sind Tests am Bauteil nötig?

Häufig sind für die Genehmigung nicht geregelter Glas-Produkte experimentelle Nachweise erforderlich. Nachfolgend erläutern wir die prinzipielle Vorgehensweise bei Bauteilversuchen zum Nachweis der Resttragfähigkeit, der Betretbarkeit, der Begehbarkeit und der Absturzsicherheit von Glasanwendungen. Bei allen Versuchen müssen die ­Originalbauteile verwendet werden und der Testaufbau bzw. der Prüfkörper muss der Einbausituation entsprechen. Die Verwendung bzw. Anwendung ungeregelter Bauprodukte und Bauarten erfordert Nachweise, die abhängig vom Einzelfall durch die Baubehörde oder Prüfstelle festgelegt werden.

Resttragfähigkeit: Horizontalverglasungen außerhalb des Geltungsbereiches derzeitiger Normen erfordern den experimentellen Nachweis der Tragfähigkeit nach Glasbruch – die sogenannte Resttragfähigkeit. Dabei ist eine ausreichende Splitterbindung an der Zwischenschicht (VSG-Folie) und damit ein ausreichender Splitterschutz der darunterliegenden Verkehrsflächen nachzuweisen.

  • Aufbringen der halben planmä&szlig;igen veränderlichen Last, mind. 0,5 kN/m<sup>2</sup>,
  • Anschlagen der Verglasung in allen Schichten (Hammer oder Stahl­kugelabwurf) zur Erzeugung eines ungünstigen Rissverlaufes,
  • Dokumentation des Rissbildes,
  • Standzeit des Versuches 24 h, 48 h oder 72 h, (meistens sind es 24 h).

Der Nachweis einer ausreichenden Resttragfähigkeit ist erbracht, wenn die Verglasung während des jeweiligen Versuchs nicht aus der Auflagerung fällt und sich keine Bruchstücke lösen, die die darunterliegende Verkehrsfläche gefährden könnten.

Betretbare Gläser: Auch die zu Wartungs- und Reinigungsarbeiten bedingt betretbaren Verglasungen sind nicht geregelt. Der Nachweis der bedingten Betretbarkeit kann in der Regel nur experimentell erbracht werden. Im Rahmen der Bauteilversuche wird dabei überprüft, ob die Verglasung in der Lage ist, die planmäßigen Betretungslasten bei stoßbedingtem Ausfall der obersten Verglasungsschicht abzutragen. Darüber hinaus soll das Verhalten der Konstruktion bei Stoßeinwirkung durch den Sturz einer Person oder das Herabfallen eines Werkzeugs untersucht werden.

Art und Umfang des geforderten Verwendbarkeitsnachweises variieren zwischen den Anforderungen der einzelnen Bundesländern und sind daher frühzeitig mit der zuständigen obersten Bauaufsichtsbehörde abzustimmen.

Exemplarisch wird nachfolgend ein typisches Versuchsprogramm für den experimentellen Nachweis einer bedingt betretbaren Mehrscheiben-Isolierverglasung (oben ESG, SZR, VSG aus Floatglas unten) beschrieben.

  • Aufbringen einer planmä&szlig;igen Betretungslast (in der Regel 100 kg) in ungünstigster Stellung,
  • Brechen der oberen Glastafel durch Anschlagen und Verbleiben der Belastung für einen festgelegten Zeitraum, in der Regel 15 Minuten,
  • Entfernen des Gewichtes,
  • Abwurf eines mit Glaskugeln gefüllten Leinensackes (50 kg) aus einer Fallhöhe von mindestens 1,20 m,
  • Belastung der Auftreffstelle mit Personenersatzlast (100 kg mit einer Aufstandsfläche 200 x 200 mm) für einen festgelegten Zeitraum, in der Regel 15 Minuten,
  • Dokumentation der Reststandzeit, der Verformung von Verglasung und Haltekonstruktion sowie des Splitterabgangs.

Der Nachweis der bedingten Betretbarkeit gilt als erbracht, wenn die Fallkörper die untere Scheibe aus Verbundsicherheitsglas nicht durchschlagen, die Verglasung in den Auflagern verbleibt und keine Bruchstücke herunterfallen, die Verkehrsflächen gefährden könnten.

Begehbare Gläser: Weichen begehbare Verglasungen von den Technischen Bestimmungen ab oder liegt keine abZ (allgemeine bauaufsichtliche Zulassung) vor, dann müssen sowohl eine ausreichende Stoßsicherheit als auch eine Resttragfähigkeit unter vergleichsweise hoher Verkehrslast nachgewiesen werden.

  • Aufbringen der halben planmä&szlig;igen Verkehrslast als Personenersatzlasten (100 kg mit einer Aufstandsfläche 200 x 200 mm),
  • Festlegung der Auftreffstellen des Sto&szlig;körpers nach voraussichtlich grö&szlig;ter Schädigung von Verglasung und Haltekonstruktion (Feldmitte, Eckbereich, Glaskante),
  • Abwurf des Sto&szlig;körpers (40 kg) aus einer Fallhöhe von 800 mm,
  • Anschlagen nicht gebrochener Glasschichten bei frei liegenden Glaskanten,
  • Personenersatzlasten und Sto&szlig;körper verbleiben für einen festgelegten Zeitraum auf der Verglasung, in der Regel 30 Minuten,
  • Bei Gefährdung darunterliegender Verkehrsflächen, Prüfung der Resttragfähigkeit ohne zusätzliche Belastung für weitere 24 Stunden.

Der Versuch gilt als bestanden, wenn die Verglasung nicht vom Stoßkörper durchstoßen wird, die Konstruktion innerhalb der Standzeit unter der Belastung tragfähig bleibt und keine Bruchstücke herunterfallen, die zu einer Gefährdung darunterliegender Verkehrsflächen führen.

Der Umfang und der prinzipielle Ablauf der ­experimentellen Nachweise orientieren sich in der Regel an den Vorgaben des Berichts „Anforderungen an begehbare Verglasungen; ­Empfehlungen für das Zustimmungsverfahren“. Dieser Bericht kann in der Novemberausgabe der DIBt-Mitteilungen von 2009 nachgelesen werden.

Absturzsicherung: Absturzsichernde Verglasungen ohne nachgewiesene Stoßsicherheit oder mit wesentlichen Abweichungen zu eingeführten Technischen Baubestimmungen benötigen einen Nachweis der Stoßsicherheit. Mit der Aufnahme der absturzsichernden Verglasungen in die Bauregelliste, wurde die Erteilung eines abP (allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses) möglich. Akkreditierte Prüfstellen können diese erteilen (anerkannte Prüfstellen findet man im „Verzeichnis der Prüf-, Überwachungs- und Zertifizierungsstellen nach den Landesbauordnungen“). Je nach Antragsgegenstand ist der Nachweis der Eignung nach wie vor im Rahmen eines Zustimmungs- oder Zulassungsverfahrens zu führen.

Das Prüfverfahren zum experimentellen Nachweis (Doppelreifenpendel in Anlehnung an DIN EN 12600, Gewicht 50 kg, Reifendruck 4,0 bar) ist dabei allgemein anerkannt. Die Pendelschlagprüfung wird in Abhängigkeit von der Verglasungskategorie mit verschiedenen Pendelfallhöhen (A = 900 mm, B = 700 mm, C = 450 mm) durchgeführt. Die Anzahl der zu prüfenden Ausführungsvarianten, die Anzahl zu prüfender Scheiben und die Auswahl geeigneter Auftreffstellen legt die Prüfstelle oder die zuständige Behörde fest.

Die Beurteilung der Verglasung mit der zugehörigen Glashaltekonstruktion während und nach der Prüfung erfolgt durch Prüfstellen.

  • Festlegung von zwei bis vier Auftreffstellen mit voraussichtlich grö&szlig;ter Beanspruchung von Verglasung und Haltekonstruktion,
  • Pendelschlag mindestens einmal je Auftreffstelle,
  • Bei Bruch der Verglasung weiterer Pendelschlag, Fallhöhe 100 mm und anschlie&szlig;ende Prüfung der Rissöffnungsweite nach DIN EN 12600 mit Kunststoffkugel d = 76 mm.

Als bestanden gilt die Pendelschlagprüfung, wenn der Stoßkörper die Verglasung nicht durchschlägt oder die Verglasung aus der Haltekonstruktion reißt. Bruchstücke, die eine Gefährdung für ­Verkehrsflächen darstellen, dürfen nicht ­herabfallen.

Die nächste Folge in GLASWELT 10/2013 erläutert die Anwendung spannungsoptischer Methoden im Glasbau, die zur zerstörungsfreien Prüfung bei Bauteilversuchen oder im Zuge der Qualitätskontrolle herangezogen werden können. —

Die Autoren

Prof. Dr. Bernhard Weller ist Leiter des Instituts für Baukonstruktion an der ­Technischen Universität ­Dresden.

Jan Wünsch ist stellvertretender Leiter der Prüfstelle SAC23 an der TU Dresden.

http://www.bauko.bau.tu-dresden.de

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