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Sicherheitsglas für Bauelemente und Interieur

Maximal geschützt mit Glas

_ Die Anforderungen an den Werkstoff Glas sind nicht nur vielfältig, sondern erfordern auch eine Beurteilung der Sicherheit zum Verletzungsschutz von Personen. Jedes Gebäude unterliegt in Deutschland den technischen Baubestimmungen. Grundsätzlich richten sich Auswahl und Bemessung von Glaserzeugnissen nach solchen Bestimmungen, die in den Bauordnungen der Länder und/oder der Liste der technischen Baubestimmungen (LTB) festgehalten sind. Im Wesentlichen sind dies für Glas die TRLV, TRPV, TRAV (sowie künftig die DIN 18008) und die DIN 18056.

Auf die häufig gestellte Frage, ob bei einem privaten Wohngebäude die „Technischen Regeln zur Verwendung absturzsichernder Verglasungen (TRAV)“ auch beachtet und eingehalten werden müssen, ergibt sich eine einfache Antwort: Ja! Die technischen Baubestimmungen gelten für jedes Gebäude. Es wird in den Regeln nicht unterschieden, ob es sich um private Wohnbauten, öffentliche Gebäude oder gewerblich genutzte Gebäude (inkl. Mietwohnungen) handelt. Daher ist diese Frage grundsätzlich falsch gestellt. Sie muss vielmehr lauten: „Was muss in einem öffentlichen, öffentlich zugänglichen oder Gewerbegebäude über die technischen Baubestimmungen hinaus zusätzlich beachtet werden?“ Als Antwort darauf existiert eine Fülle von Sicherheitsregeln, um eventuellen Verletzungsfolgen vorzubeugen.

Grundsätzlich geht es bei diesen Sicherheitsregeln wie den Unfallverhütungsvorschriften (UVVs), der Arbeitsstättenverordnung und den Versammlungsstätten-Verordnungen etc. darum, die Verkehrssicherheit mit Glas zu regeln. Diese Anforderungen in öffentlichen und gewerblichen Bauten sind für Schulen, Büros, Kindergärten etc. gesetzlich geregelt. Anders sieht es jedoch im Privatgebäude aus. Dort fehlen solche Vorgaben. Es existiert nur eine sehr allgemein gehaltene „Verkehrssicherungspflicht“ sowie eine Fülle von Einzelfallrechtsprechungen.

Verpflichtende Verkehrssicherung

Unter Verkehrssicherungspflicht versteht man eine Verhaltenspflicht zur Abwehr und Sicherung von Gefahrenquellen. Diese Verhaltenspflicht lässt sich durch den § 823 BGB ableiten. Dort heißt es: Jeder, der eine Gefahrenlage schafft, ist auch dazu verpflichtet, eine mögliche Schädigung anderer abzuwenden. Dies ist eine sehr weitläufige und allgemeine Formulierung, die eine Betrachtung aus verschiedenen Blickwinkeln erlaubt und sicherlich auch eine kontroverse Beurteilung zur Folge haben kann. Auch die Rechtsprechung kommt hier in Einzelfallentscheidungen zu durchaus widersprüchlichen Urteilen.

Geht man davon aus, dass jedes Bauwerk und das darin verbaute Bauteil eine Gefahrenlage schafft, muss diese bezüglich der sicherheitsrelevanten Aspekte beurteilt werden.

Sicherheitsrelevante Bereiche entstehen nicht nur dort, wo mit Menschenansammlungen und Gedränge zu rechnen ist, sondern auch dort, wo sehschwache oder gehunsichere Personen und Kinder mit Bauteilen aus Glas in Berührung kommen können. Dazu zählen z. B. Sportstätten, Krankenhäuser, Altenheime, KiTas, Schulen und Versammlungsstätten – aber durchaus auch der Privathaushalt.

Als ausreichend verkehrssicher gelten Verglasungen dann, wenn sie bruchsicher sind und bei üblicher und angemessener Nutzung das Unfallrisiko sowohl beurteilt werden kann, als auch durch bauliche Maßnahmen minimiert wird.

„Bruchsicher“ bedeutet hier, dass das Bauteil oder das Bauprodukt auch dann sicher ist, wenn es bricht. Glas erfüllt diese Anforderung, wenn es zu Verbund-Sicherheitsglas (VSG) oder Verbundglas (VG) verarbeitet wurde.

Hier wird über die Haftung der Glassplitter an der Folie das Verletzungsrisiko minimiert. Auch das Einscheiben-Sicherheitsglas (ESG) ist durch seine hohe mechanische Festigkeit und im Schadensfall durch seine kleinkrümelige Bruchstruktur zur Verwendung in ausreichend verkehrssichere Bauteile (auch bei Isolierverglasungen) geeignet.

Die Beurteilung des Glases alleine ist jedoch nicht ausreichend, es muss immer die Verglasung als Ganzes beurteilt werden. Kriterien zur Verkehrssicherheit von Verglasungen sind z. B.:

  • Die Standsicherheit: Welche vorhersehbaren und kalkulierbaren Belastungen werden sicher getragen bzw. abgeleitet?
  • Die Glasdicke, Art und Ausführung von Rahmenkonstruktionen, Haltern sowie Montage- oder Befestigungsmöglichkeiten.
  • Die Vorgaben für die Eignung von Verglasungen für den vorgegebenen Verwendungszweck im Rahmen einer technischen Regel (z. B. TRLV, TRAV, TRPV, DIN 18008), einer allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassung (abZ), eines allgemeinen bauaufsichtlichen Prüfzeugnisses (abP) oder einer Zustimmung im Einzelfall.
  • Die Art und Weise der Abschirmung von nicht ausreichend verkehrssicheren oder nicht bruchsicheren Verglasungen.

Umfangreiche Informationen zum Thema Verkehrssicherheit finden sich z. B. in den Richtlinien oder Merkblättern des Innungsverbandes des Glaserhandwerks, des Bundesverbandes Flachglas und des Verbandes Fenster + Fassade.

Die zeitgenössische Architektur stellt höhere Anforderungen an die Verkehrssicherheit als traditionelle Bauweisen. Im Neubau liegen z. B. großflächige, bodengebundene Verglasungen sowie französische Fenster im Trend. Im Gegensatz zum traditionellen Lochfenster sind derartige Verglasungen direkt zugänglich. Für die Beurteilung der Standsicherheit – d. h. welche vorhersehbaren Belastungen werden sicher getragen bzw. abgeleitet? – muss mit dem Anprall von Personen gerechnet werden.

Mögliche Szenarien sind hierbei Stolpern, rennende und spielende Kinder, Anprall mit Spielzeugen, Bällen usw. Ein Beispiel dafür, dass nicht alles gesetzlich geregelt ist, sind Schiebetüren aus Glas: Während begehbare Gläser und absturzsichernde Verglasungen geregelt sind, ist es eine Schiebetür als raumhohe Verglasung jedoch nicht! Hier gilt für Verarbeiter und Planer: Immer eine Gefährdungsbeurteilung durchführen.

Regelungen in Österreich

Im benachbarten Ausland, z. B. in den Niederlanden, in Belgien und Österreich, gibt es zum Teil deutlich detailliertere Regelungen. So müssen alle Verglasungen, deren Unterkante sich unterhalb der Brüstungshöhe befindet, als Sicherheitsglas (ESG, VSG) ausgeführt sein. Auch Türen mit Glasfüllungen und Fenstertüren müssen beidseitig als Sicherheitsglas ausgeführt werden. Allgemein gesagt: Was in Deutschland allgemein von der „Verkehrssicherungspflicht“ erfasst ist, wird in anderen EU- Ländern explizit geregelt. Zur Illustration hier ein Auszug aus den Anforderungen an die Verwendung von Sicherheitsglas in Vertikalverglasungen in Österreich (ÖIB Richtlinie Nr. 4):

  • Ganzglastüren und Verglasungen in Türen bis 1,50 m Höhe über der Standfläche müssen aus geeignetem Sicherheitsglas, z. B. ESG hergestellt werden.
  • Vertikale Verglasungen (z. B. Glaswände, die als Trennwand z. B. in Fluren dienen) entlang begehbarer Flächen bis 1 m Höhe über der Standfläche sind als Sicherheitsglas auszuführen.
  • Werden vertikale Verglasungen aus ESG mit einer Absturzhöhe des Glases von über 4 m hergestellt, müssen sie über Schutzvorrichtungen verfügen oder konstruktive Maßnahmen aufweisen, sodass bei Bruch der Verglasung durch Herabfallen von Glasstücken eine Gefährdung darunter befindlicher Personen vermieden wird.

Weiter sind in der Alpenrepublik einige technisch-physikalische Gegebenheiten zu berücksichtigen: Bei Einbausituationen, bei denen es zu hohen thermischen Belastungen kommen kann, ist der Einsatz von thermisch vorgespanntem, heißgelagertem Einscheibensicherheitsglas (ESG-H) erforderlich.

Dies ist etwa bei Teilverschattungen oder dunklen Vorhängen unmittelbar hinter der Verglasung der Fall. Durch hohe Energieabsorptionen und Wärmestau ist dort das thermische Bruchrisiko unter Umständen signifikant erhöht.

Eine besondere Beachtung sollten in diesem Zusammenhang Schiebe-Hebetüren finden, die mit 3-fach-Isoliergläsern verglast wurden. In Abhängigkeit von der Einbausituation werden die dort eingebauten Gläser thermisch häufig sehr hoch belastet. Deshalb ist auch hier die Verwendung von ESG angeraten.

Ausblick

Für Bauherren und Fachplaner ist es ratsam, Sicherheitsgläser von Beginn an in ihre Planung mit aufzunehmen und die Anforderungen für die ausführenden Gewerke zu formulieren.

Der Planer hat hierbei die wichtige Aufgabe und Verpflichtung, mögliche Gefahren zu erkennen und nach sorgfältiger Abwägung Sicherungsmaßnahmen zu treffen. Dazu kann er z. B. eine Gefährdungsanalyse erstellen und dokumentieren. Dabei sollten allerdings auch die Verarbeiter und Monteure prüfen, ob dies bei der Planung berücksichtigt wurde.

Die Art der Sicherungsmaßnahmen ist immer vom jeweiligen Einzelfall abhängig, wobei auch gerade die Nutzung des Bauwerkes berücksichtigt werden muss.

Um die Sicherheit mit Glas auch im privaten Umfeld zu erhöhen, ist eine Absprache zwischen Planer, Bauherrn und Handwerker ein wesentlicher Faktor.

Der Bauherr sollte vom Verarbeiter auf jeden Fall über potenzielle Gefahren aufgeklärt werden sowie über die Möglichkeit, Bauelemente (Fenster, Haus- und Schiebetüren etc.) sowie Isoliergläser und andere Verglasungen mit Sicherheitsgläsern auszustatten.

Die Gefahr vor Augen können solche Vorschläge, die Gefährdungen minimieren, beim Kunden leichter auf sicheren Boden fallen.—

Der Autor

Ralf Vornholt ist Leiter des Technischen Marketings der Saint-Gobain Glass Deutschland GmbH.

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