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Prüfen, Überwachen, Zertifizieren (Teil 3)

Glas ins Licht gerückt – spannungsoptische Messmethoden

_ Mit spannungsoptischen Methoden lassen sich zerstörungsfreie Prüfungen im Rahmen von Bauteilversuchen oder Qualitätskontrollen durchführen. Sie werden eingesetzt, um neben den baurechtlich vorgeschriebenen zerstörenden Prüfungen eine fortwährende Qualitätssicherung ohne Materialverlust zu erreichen. Spannungsoptische Untersuchungen werden teilweise auch im Rahmen von allgemeinen bauaufsichtlichen Zulassungen (abZ) und Zustimmungen im Einzelfall (ZiE) gefordert. Im Schadensfall können sie grundlegende Erkenntnisse zur Begutachtung liefern.

Im Ergebnis der spannungsoptischen Untersuchungen ermittelt man im Glas eingeprägte Spannungen und deren qualitative und quantitative Verteilung im Glas. Grundvoraussetzung für die Anwendung der Spannungsoptik ist die spannungsdoppelbrechende Eigenschaft des Glases.

Als Spannungsdoppelbrechung bezeichnet man die Aufspaltung eines polarisierten Lichtstrahls in einem unter Spannung stehenden Medium in Richtung der Hauptspannungsrichtungen. Die entstehenden Teilstrahlen bewegen sich mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten fort. Nach Durchlaufen eines Körpers mit endlicher Dimension liegt beim Austritt eine Phasenverschiebung zwischen beiden Wellen vor, die aufgezeichnet und ausgewertet wird.

Mehrere spannungsoptische Messmethoden stehen für die Messungen an Gläsern zur Verfügung:

  • Polarisationsfilteraufnahmen,
  • Differential-Refraktographie und
  • die Streulichtmethode.

Diese wesentlichen Methoden werden nachfolgend vorgestellt.

Polarisationsfilteraufnahmen

Die einfachste Methode stellen Polarisationsfilteraufnahmen dar, mit denen man die Gleichmäßigkeit der Vorspannung oder optische Anisotropien in Gläsern ermitteln kann. Der Versuchsaufbau besteht aus einer Lichtquelle, dem Polarisator – meist als Folie oder dünne Platte erhältlich – und einem weiteren Polarisator, diesmal als Analysator genutzt.

Bei vorgespannten Gläsern mit einem symmetrischen Eigenspannungszustand ergibt sich über die Glasdicke eine kontinuierliche Doppelbrechung. Trifft der Lichtstrahl auf die erste Oberfläche mit eingeprägter Druckvorspannung, wird der Lichtstrahl entsprechend der Hauptspannungsrichtungen aufgeteilt.

Die Teilstrahlen bewegen sich dann mit der entsprechenden Phasenverschiebung fort. Diese Doppelbrechung verläuft so lange in eine „Richtung“, wie Spannungen gleichen Vorzeichens wirken. Bei einem Eigenspannungszustand verändern sich die Hauptspannungsrichtungen kontinuierlich. Nach dem Durchlaufen der ersten Druckzone kehrt sich die Doppelbrechung in der Zugzone um, das heißt die Richtung der Hauptspannungsrichtung verläuft nun entgegengesetzt. Entsprechendes tritt dann wieder beim Eintritt in die zweite Druckzone ein.

Aufgrund des symmetrischen Eigenspannungszustands ist die resultierende Doppelbrechung Null, das heißt alle Brechungen heben sich gegenseitig auf. Die Aufnahme von Glasscheiben – ob vorgespannt oder nicht – sollte daher keine Farbverläufe zeigen. Die Qualitätskontrolle gleichmäßiger Vorspannung gestaltet sich sehr einfach, da nur eine Lichtquelle, die polarisierende Folie und eine Kamera mit einem auf dem Objektiv aufgeschraubten Analysator zur Prüfung benötigt werden.

Ungleichmäßige Vorspannungen oder Zwangsspannungen finden wir im Bereich von Unstetigkeitsstellen (Bohrungen, Ausschnitte). Die Bilder 2 und 3 zeigen aufwendige Eckausfräsungen einer hochwertigen Verglasung, die eine Zustimmung im Einzelfall (ZiE) erforderte.

In der zugehörigen ZiE wurden ergänzende spannungsoptische Untersuchungen vorgeschrieben. Mit Polarisationsfilteraufnahmen sollte die

Gleichmäßigkeit der Vorspannung geprüft werden. Dafür wurde die Scheibe spannungsfrei flächig auf ihrer Kante abgestellt und mit polarisiertem Licht durchleuchtet, und mit einer Kamera mit einem entsprechenden Polfilter aufgenommen. Darüber hinaus wurden weitere Messungen der Vorspannungswerte an den Kanten und in der Fläche vorgenommen. Dabei kamen die Differential-Refraktographie und die Streulichtmethode zum Einsatz. Alle Untersuchungen dienten einer erweiterten Qualitätskontrolle.

Die zusätzlichen Qualitätskontrollen ergaben, dass die Oberflächenspannung gleichmäßig und ohne größere Abweichungen verteilt ist.

Differential-Refraktographie

Mithilfe der Differential-Refraktographie können relativ einfach Oberflächenspannungen in Flachglasprodukten bestimmt werden (Bild 4). Das im Floatprozess eindiffundierte Zinn bewirkt eine kontinuierliche Brechung eines Lichtstrahls bis zur Totalreflexion, wie es auch bei einer Fata Morgana vorkommt. Betrachtet man eine sehr dünne Schicht, so liegen an ihrer Ober- und Unterseite aufgrund der Veränderung des Brechungsindexes unterschiedliche Brechungszahlen vor. Somit ergibt sich eine kontinuierliche Brechung des Lichtes zur Glasoberfläche.

Mit dieser Methode können nur ebene Floatglasprodukte untersucht werden. Für gezogene oder gegossene Gläser ist das Verfahren wegen der fehlenden Zinnbadseite nicht anwendbar. Gebogene Scheiben sind technisch und praktisch hinsichtlich des Aufsetzens des Messgeräts auf der Oberfläche schwierig zu untersuchen.

Für die Messung gibt es leicht zu bedienende, handelsübliche Geräte, die nur eine Stromquelle und einen ebenen Untergrund zur Auflage der Scheiben erfordern. Die Geräte liefern genaue Einzelwerte der Spannungen, die eine schnelle Bewertung in der Qualitätssicherung ermöglichen. Dabei geht es nicht um die Frage des Absolutwerts der Vorspannung, sondern darum, ob dieser ein bestimmtes, erforderliches Niveau überschritten hat.

Streulichtmethode

Im Gegensatz zu den bisher beschriebenen Methoden ist mit der Streulichtmethode eine Aufzeichnung des Spannungsprofils entlang des Messweges möglich. Sie basiert auf anderen physikalischen Grundlagen als die vorherigen Methoden. Ein polarisierter Laserstrahl trifft beim Durchgang durch ein transparentes Medium auf ein Teilchen. Dieses wird in Polarisationsrichtung des Lasers angeregt und erzeugt dabei eine Welle senkrecht zur Ausbreitungsrichtung des Primärstrahls.

Die Intensität der so erzeugten Welle wird mit einer Kamera aufgezeichnet und mit einem Rechner ausgewertet. Die Messungen gestalten sich einfach, erfordern aber Erfahrung im Umgang mit Gerät und Software (Bild 5). Als Ergebnis erhält man das Spannungsprofil entlang des Messweges. Auch hier gilt das gleiche wie bei der Differential-Refraktographie, dass zur Qualitätssicherung nur die Frage der Überschreitung eines erforderlichen Mindestwerts und nicht der Absolutwert der Spannungen an den Oberflächen von Bedeutung ist.

Zur praktischen Anwendung dieser kompakten Messgeräte mit integrierter Kamera sind bestimmte Randbedingungen und Einschränkungen zu beachten. Beispielsweise sind Messungen durch metallische Beschichtungen wegen ihrer reflektierenden Eigenschaften nicht möglich.

Ebenso ist die Vermessung von Spannungsprofilen mit sehr starken Spannungssteigungen beziehungsweise geringen Dicken der vorgespannten Ebene nicht möglich. Chemisch vorgespannte Gläser lassen sich aufgrund der geringen Druckzonendicken mit gängigen Messgeräten nicht untersuchen. Allerdings kommen mittlerweile weiterentwickelte Messgeräte auf den Markt, die dies durch eine veränderte Bauart ermöglichen.

Zusammenfassung und Ausblick

Hauptmerkmal aller hier beschriebenen spannungsoptischen Messmethoden ist die zerstörungsfreie Untersuchung bei Bauteilprüfungen sowie bei Qualitätskontrollen. Generell lassen sich alle Messungen im Werk wie auch an bereits verbauten Verglasungen durchführen. Bei der Streulichtmethode ist eine Abdunkelung aufgrund der Lichtempfindlichkeit der Kamera erforderlich.

Die Polarisationsfilteraufnahme stellt das einfachste Mittel zur Qualitätskontrolle dar. Mit ihr lassen sich Unregelmäßigkeiten in der Flächenvorspannung (optische Anisotropien) sehr schnell und einfach ermitteln, allerdings ohne eine Aussage zum Vorspannungswert zu treffen.

Für eine solche Aussage stehen Messgeräte nach der Differential-Refraktographie und der Streulichtmethode zur Verfügung. Mit der Streulichtmethode lässt sich ein größeres Spektrum an Glasarten untersuchen. Sie erfordert zusätzliche Rechentechnik.

In der nächsten Folge in der GLASWELT Ausgabe 11/2013 erläutern die Autoren der Uni Dresden die Einbauüberwachungen für punktgestützte Fassaden aus ESG.—

Die Autoren

Prof. Dr. Bernhard Weller ist Leiter des Instituts für Baukonstruktion an der Technischen Universität Dresden. Philipp Krampe ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Technischen Universität Dresden.

http://www.bauko.bau.tu-dresden.de

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