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Fassadenentwicklungen

Innovationen fallen nicht vom Himmel

_ Was ist eigentlich eine Innovation? Frei nach Wikipedia ist eine Innovation eine Lösung, die auf eine neue, bisher nicht bekannte Weise umgesetzt wird. Aber wie findet man nun ganz neue Lösungen? Hier gibt es zwei Ansätze: Entweder durch eigene Ideen, eigene Weiterentwicklungen sowie durch zufälliges oder systematisches Suchen nach Trends und Potenzialen. Die ersten Ansätze gründen auf eigenen Aktivitäten – für Letzteres geben Analyseinstrumente über mögliche Trendbewegungen im Bauwesen Auskunft. Ist ein Thema identifiziert, gilt es die Potenziale und Risiken abzuschätzen, um dann eine Neuentwicklung voranzutreiben.

Da wir im Bauwesen hinsichtlich neuer Entwicklungen eher konservativ agieren – müssen wir zum einen mit langen Lebenszyklen und umfänglichen Sicherheiten sowie hohen Kosten bei Ausfall einer Lösung rechnen. Zum anderen sind Gebäude in der Regel Einzelanfertigungen, das bedeutet, neue Lösungen gehen mit geringeren Gewinnmargen einher als bei einer industriellen Serienproduktion. Dabei zeigt sich, dass Innovationen im Fassadenbau langsamer vorangehen als in anderen Industrien – leider. Im Bauwesen haben sich zwei Innovations-Motoren herausentwickelt: der Push-Impuls, d. h. ein Entwicklungsschub wird durch eine neue Konstruktion oder neue Materialien ausgelöst. Es entsteht eine konstruktiv und gestalterisch isolierte technische Lösung. Der zweite Motor ist der Pull-Impuls, ein Vorgang, der seinen Ursprung bei Gestaltern und Planern findet, die eine Idee haben und eine Lösung sehen und an deren Potenziale glauben. Hier ist es die Aufgabe des Gestalters/Planers sowohl Bauherrn, Hersteller als auch Verarbeiter davon zu überzeugen, dieser Vision zu folgen. Dazu muss er beweisen, dass seine Idee funktioniert.Im Folgenden soll der Vorgang des „technischen Beweisens“ näher beschrieben werden. Dieses erfolgt mithilfe von 1:1-Modellen (Mockups) oder Prototypen. Dies geschieht anhand einiger Projektbeispiele aus dem Umfeld Forschung, Lehre und baulicher Umsetzung der Autoren im Europäischen Fassadennetzwerk (EFN European Facade Network).

Glashalter

Aufbauend auf verschiedenen Entwicklungen im konstruktiven Glasbau wurde die Problematik der punktförmigen Fixierung von Glasscheiben ohne Bearbeitung und Verletzung der Glasoberfläche untersucht. In einem ersten Ansatz wurden geklebte Glashalter auf der Innenseite von Scheiben aufgesetzt. Hier erwies sich die Sicherstellung einer dauerhaften Verklebung als problematisch, und dieser Ansatz wurde fallengelassen. Eine weitergehende Entwicklung fixiert die Glasscheiben mittels einer Klemmverbindung mit zwei Klemmringen und einer Verschraubung in den Fugen. Da die Glasscheiben nicht in den Ecken, sondern flächiger gehalten werden, kann das Problem des Schüsselns mit entsprechender Spannungsüberlastung umgangen werden.

Fassadenpfosten mit integrierter Gebäudetechnik

Die Integration von gebäudetechnischen Komponenten in die Fassade ist eine große technische und organisatorische Herausforderung. Ausgangspunkt der hier gezeigten Studie ist die Idee, sämtliche Komponenten wie Lüftung, Heizung und Kühlung im Fassadenpfosten zu integrieren. Darüber hinaus sollte dieser auch die Beleuchtung des Innenraums, die Stromversorgung sowie das Datennetz aufnehmen. Alle Komponenten können modular ergänzt werden und sind von außen leicht zugänglich. Durch ein 1:1 Modell wurden Lage und Führung von Kabeln, Wasserleitungen und Medien getestet mit dem Ziel, die Mindestabmessungen zu ermitteln. Die Anpassung in Bezug auf verschiedene Gestaltungsvarianten der Fassade musste dabei gewährleistet sein. Der integrierte Pfosten wird zu einem Teil des Innenraums. Joep Hoevels hat dieses Modell im Rahmen seiner Masterthesis an der TU Delft zusammen mit Kawneer Alcoa Architektur Systeme entwickelt.

Fassadenbauteile aus dem Drucker

Additive Herstellungsverfahren – im Bauwesen besser bekannt als 3-D-Drucker – sind Techniken, die sich rasant entwickeln. Durch einen stetigen Zuwachs an neuen Materialien, die sich verarbeiten lassen (u. a. Metalle), werden diese Verfahren mittlerweile auch für das Bauwesen interessant. Insbesondere metallische Lösungen (Aluminium, Edelstahl, etc.) versprechen hier ein breites Anwendungsgebiet. Als ein Ansatz wurde die Problematik der dreidimensionalen Schifterschnitte bei frei geformten Pfosten-Riegel-Fassaden bearbeitet. Als Lösung wurde gemeinsam mit Alcoa ein Konzept entwickelt, bei dem der Knoten verformt hergestellt wird und die Anschlussprofile rechtwinklig anschließen können. Als Forschungs- und Entwicklungsprojekt wurde ein dreidimensionaler Knoten aus additiv hergestelltem Aluminium von Dr.-Ing. Holger Strauss entwickelt und als 1:1 Modell hergestellt. Dieser Fassadenknoten wurde dabei mithilfe eines 3-D-Druckers gefertigt.

Neue Impulse durch mobilen Fassaden-Workshop

Die hier gezeigten Beispiele wurden alle mithilfe von Mockups und Modellen überprüft und haben so ihre Alltagstauglichkeit bewiesen. Das gilt in Bezug auf die prinzipielle technische Machbarkeit, d. h. die Herstellung. Ebenso wurden anhand eines 1:1 Modells die Maßstäblichkeit, die verschiedenen Montagekriterien und die Gestaltungsspielräume untersucht und überprüft. Aufbauend auf diesen Überlegungen und aus den Erfahrungen aus den Studenten-Workshops wurde von der Detmolder Schule für Architektur sowie von der Architekturfakultät der TU Delft das gemeinsame Forschungsprojekt EFM mobil (mobiles europ. Fassadenzentrum für neue Gebäudehüllen) initiiert. Dieses wird durch die Aloca Foundation und Architecture for Humanity gefördert wird. Das Center wird als mobiler Workshop durch Europa reisen. Studenten und Spezialisten aus Fassadenfirmen arbeiten dann gemeinsam für eine gewisse Zeit zusammen, um (neue) Technologien zu identifizieren und zu entwickeln. Abschließend werden diese Ansätze als 1:1 Mockups gebaut und getestet. Das Motto lautet: Weg vom Computer und dem Rendering, hin zum realen Objekt. Inhaltlich beschäftigt sich das Projekt mit innovativen Ideen für die Gebäudehülle der Zukunft. Die Fassade wird hier als der wesentliche Gebäudeteil gesehen, um einerseits Energieverbräuche zu reduzieren, andererseits Energie aus erneuerbaren Quellen zu gewinnen. Damit soll ein Beitrag geleistet werden, um das von der EU angepeilte Ziel von „0-Energie-Gebäuden“ umzusetzen. Bei der Weiterentwicklung von Fassaden wird in Zukunft einer engeren Zusammenarbeit von Architekten, Fachplanern, den Verarbeitern und Monteuren sowie der produzierenden Industrie eine große Bedeutung zukommen.—

http://facades.ning.com

Prof. Dr. Ulrich Knaack, HS OWL/TU DelftDr. Ing. Marcel Bilow, TU Delft Dr. Ing. Tillman Klein, TU Delft

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