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Alte Fenster nicht einfach nur austauschen

_ Fenster haben einen entscheidenden Einfluss sowohl auf das äußere Erscheinungsbild eines Gebäudes als auch auf die Wirkung der Innenräume. Bei ihrem Ersatz geht neben den originalen Fenstern häufig auch der Charme des historischen Gebäudes verloren.

Das Fenster muss einer Vielzahl von funktionellen Anforderungen gerecht werden. Schon immer wurden daher Fensterteilung und Proportionalität, Konstruktionsart und Beschlagtechnik, Oberflächenbehandlung und Anschlussdetails sorgfältig bedacht und ausgewählt. Auch an die handwerkliche Ausführung wurden seit jeher hohe Anforderungen gestellt. Historische Fenster sind Zeitzeugen, welche Aufschluss über regionale Traditionen, frühere Handwerkskunst und soziale Verhältnisse der damaligen Bewohner geben können. Historisch wertvolle Fenster sollten daher erhalten werden. Ein Fenster gilt als „historisch wertvoll“, wenn es das äußere Erscheinungsbild eines Gebäudes prägt und von einer gewissen handwerklichen Kunst zeugt.

Fenstersanierung im Kontext des Gebäudes

Altbaufenster sind thermische Schwachstellen der Gebäudehülle. Historische Fenster haben jedoch in der Regel einen geringen Flächenanteil an der gesamten Umfassungsfläche. Daher ist bei diesen Gebäuden eine isolierte Betrachtung des Energieverlusts allein über die Fenster unzureichend. Vielmehr muss bei der energetischen Ertüchtigung eines historischen Gebäudes die Verringerung des Energieverlusts über die gesamte Gebäudehülle ganzheitlich untersucht werden. Häufig kann durch eine Verbesserung des Wärmeschutzes anderer Bauteile, wie Kellerdecken und Geschossdecken unter Dachböden aufgrund der Flächenverhältnisse eine höhere Energieeinsparung erzielt werden. Die energetische Ertüchtigung dieser Bauteile hat außerdem den Vorteil, dass sie meist nur minimale Eingriffe in die historische Substanz erfordern. Durch die Energieeinsparung bei anderen Bauteilen der Gebäudehülle kann die energetische Sanierung der Fenster gering gehalten werden. Die historischen Fenster müssen dann nur noch so energetisch ertüchtig werden, dass die Behaglichkeit der Bewohner, durch Erhöhen der Dichtigkeit und der Sicherstellung des Mindestwärmeschutzes, gewährleistet wird.

Grundsätze der Fenstersanierung

Steht das Gebäude unter Denkmalschutz, so sind Experten aus der Denkmalpflege hinzuzuziehen. Unabhängig davon ist es empfehlenswert, frühzeitig Fachplaner aus unterschiedlichen Bereichen wie der Architektur und Bauphysik einzubinden, da die Sanierung historisch wertvoller Fenster eine komplexe und anspruchsvolle Aufgabe darstellt.

Im Rahmen einer detaillierten Bestandsaufnahme werden zunächst die Bedeutung sowie der Erhaltungszustand der Fenster bestimmt. Dies beinhaltet unter anderem eine Dokumentation der zu sanierenden Fenster anhand von Skizzen, Fotos und einer Beschreibung des Zustands. Eine Schadenskartierung stellt eine gute Grundlage für die Erstellung des Sanierungskonzeptes und die Ermittlung der Sanierungskosten dar. Bei aufwendigen Reparaturarbeiten an den Bestandsfenstern sind die Schäden in einem Werkplan zu erfassen.

Auf Grundlage der Bestandsaufnahme wird ein Konzept für die Sanierung ausgearbeitet. Historisch wertvolle Fenster können durch verschiedene Sanierungsmaßnahmen energetisch verbessert werden. Zu diesen zählen der Austausch der Verglasung, Austausch einer Fensterebene oder der Einbau einer zusätzlichen Fensterebene. Durch den Einbau von Dichtungen werden die Lüftungswärmeverluste verringert und Zuglufterscheinungen vermindert.

Im Folgenden werden verschiedene Sanierungen für Kastenfenster mit unterschiedlicher Eingriffstiefe in die historische Substanz vorgestellt.

Historische Kastenfenster

Einfachfenster, Kastenfenster, Vorfenster und Verbundfenster zählen zu den wichtigsten Konstruktionsarten historischer Fenster. Unter diesen ist das Kastenfenster neben dem Einfachfenster der am häufigsten vorkommende Fenstertyp. Historische Kastenfenster bestehen aus einem Außen- und einem Innenfenster, welche durch ein rundumlaufendes Futterbrett aus Holz miteinander verbunden sind. Die Authentizität eines Kastenfensters entsteht vor allem durch seinen doppelten Aufbau und der damit einhergehenden plastischen Wirkung. Diese sollte in jedem Fall erhalten werden. Die energetischen Eigenschaften bestehender Kastenfenster sind oft relativ gut. So weist ein Kastenfenster mit den Maßen 1,2 x 1,7 m, einem Glasanteil von 70 Prozent der Fensterfläche und einem Ug-Wert von 5,7 W/m2K (Einfachverglasung) einen Wärmedurchgangskoeffizienten des Fensters von ca. 2,3 W/m2K auf. Im Vergleich dazu ergibt sich für ein Einfachfenster der gleichen Größe, dem gleichen Ug-Wert und einem Glasanteil von 63 Prozent ein Uw-Wert von rund 4,5 W/m2K. In der Tabelle auf der nächsten Seite ist der Uw-Wert eines unsanierten Kastenfensters im Vergleich zu den noch vorgestellten Sanierungsvarianten aufgeführt.

Austausch der Verglasung

Der Austausch der Einfachverglasung durch eine Mehrfachisolierverglasung an einem oder in beiden Einfachfenstern (siehe Skizze auf der folgenden Seite) ist eine Maßnahme zur Verbesserung des Wärmeschutzes.

Mit diesen Sanierungsmaßnahmen ist es möglich, Uw-Werte von 1,3 bzw. 0,93 W/m2K zu erreichen. Dies entspricht einer Verbesserung des Wärmeschutzes um 43 bzw. 59 Prozent. Eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Sanierung durch den Austausch von Einfachverglasungen mit Isolierverglasungen ist, dass der Fensterrahmen weitestgehend intakt ist und nur wenige schadhafte Rahmenteile aufweist. Zudem ist eine ausreichende Profiltiefe des Rahmens zur Aufnahme der Isolierverglasung notwendig. Der Rahmen sowie die Beschläge müssen darüber hinaus stabil genug sein, um das Gewicht der zusätzlichen Fensterscheibe aufnehmen zu können.

Austausch einer Fensterebene

Auch ein Austausch einer Fensterebene ist möglich, um die Energieeffizienz eines historischen Kastenfensters zu verbessern.

Bei dieser Sanierungsvariante wird das innere Fenster durch ein neues Isolierglasfenster ersetzt. Je nachdem wie gut das neue Isolierglasfenster dem Original nachempfunden ist, bleibt die Außenansicht des Gebäudes mehr oder weniger unverändert bestehen. Eine Fensterebene des historischen Kastenfensters geht durch diese Sanierungsvariante jedoch verloren. Der Wärmeschutz des Kastenfensters kann durch diese Maßnahme um 55 Prozent auf einen Wärmedurchgangskoeffizienten des Fensters, Uw-Wert von 1,0 W/m2K verbessert werden.

Einbau einer zusätzlichen Fensterebene

Das Anbringen einer Aufdoppelung eines Fensterrahmens ist eine weitere Sanierungsmaßnahme, um ein bestehendes Kastenfenster energetisch zu verbessern.

Hierbei wird ein zweiter Flügelrahmen auf einen der bestehenden Fensterflügel montiert. Wird die Aufdoppelung innen angebracht, so ist die Breite des Blendrahmens zu berücksichtigen. Ist dieser nicht breit genug, so verkleinert sich der maximale Öffnungswinkel des Fensters. Um Kondensatbildung vorzubeugen, ist zwischen Aufdoppelung und bestehendem Flügelrahmen umlaufend eine Dichtung anzubringen. Durch diese Sanierungsmaßnahme wird der Uw-Wert um 28 Prozent auf 1,6 W/m2K verringert. Voraussetzung dieser Maßnahme sind wiederum intakte bestehende Rahmen und Beschläge, welche eine ausreichende Stabilität für das zusätzliche Gewicht der neuen Fensterebene aufweisen.

Einbau von Dichtungen

Historische Fenster verfügen in der Regel über keine Dichtungen, weshalb sie luftdurchlässiger als moderne Fenster sind. Daraus resultieren höhere Lüftungsverluste und Zuglufterscheinungen. Diese können zu einer starken Beeinträchtigung der Behaglichkeit führen. Der Einbau von Dichtungen reduziert die Lüftungswärmeverluste. Durch die Erhöhung der Luftdichtigkeit verbessert sich auch das Schalldämm-Maß des Fensters und damit der Schallschutz gegen Außenlärm des Gebäudes. Der Dichtungseinbau verursacht nur geringe Sanierungskosten im Vergleich zur damit erzielten Energieeinsparung. Die Dichtungen werden über eine eingefräste Nut am Rahmen befestigt. Es ist zu prüfen, ob der Fensterahmen so dimensioniert ist, dass eine Einfräsung des Fensterrahmens möglich ist.

Hinsichtlich der Lage der Dichtung gilt auch hier die Regel „innen dichter als außen“. Demnach ist die Dichtung zwischen Blend- und Flügelrahmen möglichst raumseitig anzuordnen, um Tauwasseranfall in der Fensterfuge zu vermeiden.

Berechnungswerkzeug und weitere Hilfsmittel

Im Rahmen eines Forschungsprojektes der Berner Fachhochschule, dessen Fördermittelgeber die Stiftung zur Förderung der Denkmalpflege war, wurde ein Werkzeug zur Berechnung der Wärmedurchgangskoeffizienten historischer Einfach- und Kastenfenster in Anlehnung an die Normen EN ISO 10077-1:2006 und EN ISO 10077-2:2003 entwickelt. Mit diesem können die Wärmedurchgangskoeffizienten der Bestandskonstruktionen der genannten Fenstertypen ermittelt werden. Zusätzlich ist eine Berechnung der vorgestellten Sanierungsvarianten, Austausch der Verglasung, Einbau einer zusätzlichen Fensterebene und Austausch einer Fensterebene für Einfach- und Kastenfenster möglich. Damit lässt sich das Energieeinsparpotenzial der verschiedenen Sanierungsvarianten abschätzen und vergleichen.

Neben dem Berechnungswerkzeug wurden weitere Hilfen, wie eine Broschüre zum Thema energetische Sanierung historisch wertvoller Fenster für Planer und Architekten, entwickelt. Die Broschüre, das Berechnungswerkzeug sowie einige weitere Informationen und Hilfsmittel stehen zum kostenlosen Download auf der Internetseite der Stiftung zur Förderung der Denkmalpflege ( https://www.urlaub-schweiz.biz/schweiz-sehenswuerdigkeiten/ ) sowie der Projektdatenbank der Berner Fachhochschule ( https://www.bfh.ch/de/forschung/ ) zur Verfügung.—

Die Autoren

Barbara Wehle ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Berner Fachhochschule.

Dr. rer. nat. Dipl. Phys. Christoph Geyer ist Professor für Bauphysik an der Berner Fachhochschule.

Die BFH auf der fensterbau/frontale:

Barbara Wehle stellt das Berechnungstool, mit dem die Wärmedurchgangskoeffizienten von Bestandskonstruktionen ermittelt werden können, auf der fensterbau/frontale am Freitag, 28. März 2014 im NCC Ost, Raum Budapest im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Taste of windays“ vor. Die gesamte Veranstaltung (mehr dazu lesen Sie auch auf S. 26 dieser Ausgabe) wird von der Berner Fachhochschule am 27. und 28. März durchgeführt – die Teilnahme ist kostenlos, aber eine Anmeldung ist erforderlich unter

http://www.ahb.bfh.ch/veranstaltungen

oder per E-Mail unter

wb.ahb@bfh.ch