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Wer schreibt, der bleibt

_ Richtiger Adressat einer Bedenkenanmeldung ist immer der Auftraggeber. Ist dieser durch einen bauleitenden Architekten vertreten, ist der Werkunternehmer gut beraten, seine Bedenken sowohl (schriftlich) dem Auftraggeber mitzuteilen als auch dem bauleitenden Architekten – und unverzüglich.

Der Bedenkenhinweis soll den Auftraggeber in die Lage versetzen, in Kenntnis aller relevanten Umstände zu entscheiden, ob den Bedenken des Werkunternehmers Rechnung getragen wird. Dies bedingt, dass die Bedenken so konkret und nachvollziehbar vorgebracht werden, dass dem Auftraggeber die Tragweite einer Nichtbefolgung hinreichend klar wird.

Schließlich soll ja auch die Erfüllung der Bedenkenhinweispflicht dazu dienen, den Auftraggeber vor einem Schaden zu bewahren.

Damit die Bedenkenhinweispflicht diesen Zweck erfüllen kann, muss man dem Auftraggeber „reinen Wein einschenken“ und darf insbesondere nichts bagatellisieren. Klare Worte sind also gefragt.

Im Streitfall kann es so aussehen: Der Auftraggeber hat den Nachweis geführt, dass die Voraussetzungen für die Prüf- und Anzeigepflicht vorgelegen haben. Nun hat der Werkunternehmer zu beweisen, dass er der Prüf- und Hinweispflicht nachgekommen ist.

Die Vorgabe der VOB/B ist dabei eindeutig: Bedenken sind schriftlich vorzubringen.

Aber auch beim BGB-Werkvertrag ist es ein unabdingbares Muss, die Bedenken schriftlich vorzubringen. Schließlich – und das zeigt die Erfahrung – wird es im Streitfall nicht gelingen, zur Überzeugung eines Gerichts den Nachweis zu führen, Bedenken ausreichend mündlich vorgebracht zu haben, wenn der Auftraggeber dies (möglicherweise wider besseres Wissen) bestreitet. Wie so oft gilt auch hier uneingeschränkt der Satz „Wer schreibt, der bleibt.“

Schriftlich ja, aber wie?

Die Bedenken können per E-Mail, per Fax und per Post vorgebracht werden. Ganz entscheidend ist jedoch, dass der Werkunternehmer im Streitfall auch den Nachweis führen kann, dass seine Bedenkenanmeldung den Empfänger auch erreicht hat. Hier ist ein sicherer Weg, sich den Empfang der Bedenkenanmeldung auf einer Zweitschrift quittieren zu lassen.

Vorstehend wurde ausgeführt, dass man dem Auftraggeber im Zusammenhang mit der Anmeldung von Bedenken „reinen Wein einschenken“ muss. Wer eine Bedenkenanmeldung formuliert, muss immer vor Augen haben, dass die Bedenkenanmeldung dem Auftraggeber eine Entscheidungsgrundlage bieten muss, wie er darauf reagiert. Kommt es später einmal zum Streit, haben Richter, Anwälte und Sachverständige viel Zeit, sich mit der Frage auseinanderzusetzen, ob dem Auftraggeber alle Aspekte offenbart wurden, die für eine in der Sache richtige Entscheidung des Auftraggebers relevant sein können. Hier wird dann – je nach Interessenlage – „jedes Wort auf die Goldwaage gelegt“. Es wird hinterfragt, ob nicht noch mehr an Informationen gegenüber dem Auftraggeber notwendig gewesen wäre, damit dieser sich sachgerecht entscheiden kann.

Unzureichende Bedenkenanmeldungen können im späteren Streitfall nicht mehr nachgeholt werden.

Viel hilft viel?

Vor diesem Hintergrund könnte man auf die Idee kommen, möglichst oft Bedenken anzumelden, um ja auf der sicheren Seite zu sein und dem Auftraggeber z. B. zu empfehlen, doch ein besseres, und damit regelmäßig auch teureres, Produkt zu verwenden. Aber auch dies birgt Gefahren.

Zeigt sich nämlich später, das der Mehraufwand gar nicht geboten war, um den vertraglich geschuldeten Leistungserfolg zu erreichen, läuft der Werkunternehmer Gefahr, dass er sich dem Auftraggeber schadenersatzpflichtig macht, weil man diesen zu objektiv unnötigen finanziellen Mehraufwendungen veranlasst hat. Auch insoweit gilt die Pflicht, den Auftraggeber vor Schaden zu bewahren.

Was passiert, wenn nichts passiert?

Werden gegenüber dem Auftraggeber selbst oder seinem Architekten Bedenken vorgebracht, ist es vertragliche Nebenpflicht des Auftraggebers, hierauf zu reagieren. Wird den Bedenken Rechnung getragen, liegt in der Regel dann die Voraussetzung vor, dass ein mangelfreies Gewerk entstehen kann. Problematisch sind die Fälle, in denen der Auftraggeber den Bedenken nicht Rechnung trägt und was daraus folgt.

Wurden die Bedenken nur gegenüber dem Architekten vorgebracht und richten sich diese auch gegen Vorgaben des Architekten und weist dieser die Bedenken als unbegründet zurück, ist es unabdingbar, die Bedenken (nochmals) gegenüber dem Aufraggeber vorzubringen. Dabei ist darauf hinzuweisen, dass der Architekt die Bedenken zurückgewiesen hat und warum man als Werkunternehmer der Meinung ist, dass dies zu Unrecht erfolgte.

Werden die Bedenken vom Auftraggeber zurückgewiesen oder reagiert er hierauf überhaupt nicht, stellt sich die Frage, ob der Werkunternehmer damit „aus dem Schneider ist“. Dafür könnte beim VOB-Vertrag die Regelung des § 13 Nr. 3 VOB/B sprechen, wenn dort sinngemäß formuliert ist, dass der Werkunternehmer für einen Mangel, der auf die Leistungsbeschreibung oder auf Anordnung des Auftraggebers, auf die von diesem gelieferten oder vorgeschriebenen Stoffe oder Bauteile oder die Beschaffenheit der Vorleistung eines anderen Unternehmers beruht, nicht haftet, wenn er die ihm nach § 4 Nr. 3 VOB/B obliegende Mitteilung gemacht hat.

Eine vergleichbare Regelung findet sich im BGB-Werkvertragsrecht nicht. Zum gleichen Ergebnis kommt man jedoch beim BGB-Werkvertragsrecht aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB).

Die Formulierung des § 13 Nr. 3 VOB/B geht vom Grundsatz aus, dass der Werkunternehmer bei einem Mangel in der Haftung ist, dieser sich allerdings unter den (engen) Voraussetzungen, die sich aus § 13 Nr. 3 VOB/B in Verbindung mit § 4 Nr. 3 VOB/B ergeben, exkulpieren (Anm. d. Red.: von der Schuldfrage befreien) kann.

Es handelt sich um eine Ausnahmeregelung, die eng auszulegen ist. Nach der Rechtsprechung soll die Haftung des Werkunternehmers über § 13 Nr. 3 VOB/B nur in dem Maß eingeschränkt werden, in dem es bei wertender Betrachtung gerechtfertigt ist. Voraussetzung für eine Haftungsbefreiung ist, dass der Leistungsmangel auf Vorgänge zurückzuführen ist, die zweifelsfrei aus dem in § 13 Nr. 3 VOB/B umgrenzten Bereich des Auftraggebers stammen. Die Beweislast hierfür liegt beim Auftragnehmer.

In der Praxis muss beachtet werden, dass gerichtliche Entscheidungen zu diesem Thema letztendlich immer Einzelfallentscheidungen sind, sodass eine schematische Übertragung dessen, was sich aus den verschiedenen Urteilen ergibt, nicht möglich ist. In der Konsequenz folgt daraus, dass, wenn sich der Auftraggeber berechtigten Bedenken verschließt und dem Bauvorhaben Gefahr in Form von erheblichen Mängeln oder Schäden droht, der Werkunternehmer gehalten sein kann, die Leistung zu verweigern, wenn der Auftraggeber nicht ihm gegenüber vor Leistungserbringung ausdrücklich auf Haftungsansprüche verzichtet. Zu Beweiszwecken muss auch dies schriftlich erfolgen.

Jeder Werkunternehmer, der nach Zurückweisung von Bedenken durch den Auftraggeber die Werkleistung ausführt, die sich letztendlich dann als mangelhaft erweist, ist immer dem Risiko ausgesetzt, für diesen Mangel in Anspruch genommen zu werden. Schließlich lässt sich im Vorfeld nie sicher prognostizieren, wie im späteren Streitfall Gerichte und Sachverständige die Frage beurteilen, ob der Werkunternehmer seine Bedenkenhinweispflicht gehörig erfüllt hat und ob die Voraussetzungen vorliegen, dass er sich über § 13 Nr. 3 VOB/B bzw. über den Grundsatz von Treu und Glauben von seiner Mangelhaftung befreien kann, bzw. inwieweit sich ein Auftraggeber anspruchsmindernd ein Mitverschulden zurechnen lassen muss.

Je höher ein möglicher Schaden und je höher mögliche Mängelbeseitigungskosten zu erwarten sind, umso wichtiger wird es im eigenen wirtschaftlichen Interesse, sich vor abschließender Entscheidung, wie man mit der Zurückweisung von Bedenken umgeht, sich nicht nur kompetent rechtlich beraten zu lassen, sondern auch das persönliche Gespräch mit dem Auftraggeber zu suchen.—

Jürgen-Dieter Koch

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