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Passivhaus-Zertifikate vom PHI und ift – welches macht mehr Sinn?

Dr.-Ing. Benjamin Krick, Leiter Komponentenzertifizierung am Passivhaus Institut

Als das Passivhaus Institut seine Fensterzertifizierung Ende der 90er-Jahre etablierte, waren hoch energieeffiziente Fenster praktisch nicht verfügbar. Die Zertifizierung sollte Hilfestellung und zugleich Anreiz für innovative Fensterbauer sein, besonders effiziente Fenstersysteme zu entwickeln. Für den Planer liefert sie zuverlässige Kenndaten für die Gebäude-Energiebilanzierung. Dabei entschied sich das PHI von Anfang an für die zuverlässige und leicht reproduzierbare Ermittlung der Kennwerte mithilfe der zweidimensionalen Wärmestromsimulation nach DIN EN ISO 10077-2. Auch, weil mit dieser Methode thermische Schwachstellen sichtbar und dadurch optimierbar werden. Die Hilfe bei der thermischen Optimierung des Fensters ist noch heute zentraler Bestandteil der Zertifizierung durch das Passivhaus Institut. Die Kriterien zur Zuerkennung des Zertifikates leiten sich direkt aus den Passivhaus-Hygiene- und -Behaglichkeitskriterien ab: Ein minimaler Temperaturfaktor fRsi=0,25 m²K/W von 0,7 hilft bei der Vermeidung von Kondensat und Schimmel am Glasrand. Ab einer Temperaturdifferenz zwischen Außenoberfläche und operativer Raumtemperatur von 4,2 K treten Strahlungswärmeentzug und Zuglufterscheinungen auf, die von den meisten Menschen als unkomfortabel empfunden werden. Bei gegebenen Wärmeübergangswiderständen und Außenlufttemperaturen ergibt sich hieraus ein maximaler Uw-Wert von 0,80 W/m²K im nicht eingebauten, und 0,85 W/m²K im eingebauten Zustand, bei dem hoher Komfort erreicht wird. Auf diese Weise kann auf den altbauüblichen Heizkörper unter dem Fenster getrost verzichtet werden.

Ein wichtiges Detail: Für die Zertifizierung wird der Fenster-U-Wert stets mit einem Referenzglas mit Ug = 0,70 W/m²K ermittelt, um eine Vergleichbarkeit der Fensterrahmen untereinander zu ermöglichen. Auf Wunsch vieler Kunden wird der Fenster-U-Wert im Zertifikat aber zusätzlich mit weiteren Glas-U-Werten ausgewiesen.

Zusätzlich führte das Passivhaus Institut 2012 die Passivhaus-Effizienzklassen für Fenster ein. Anders als bei anderen Fensterlabels, ermöglichen sie eine Differenzierung im höchst energieeffizienten Segment. Auch ein sehr guter Rahmen-U-Wert bedeutet nicht zwangsläufig, dass das Fenster sehr energieeffizient ist. Ist der Rahmen beispielsweise übermäßig breit, sinkt der Verglasungsanteil und damit sowohl der Lichteinfall, als auch die solaren Gewinne. Wichtig sind also gut dämmende und gleichzeitig schlanke Rahmenkonstruktionen. Aus diesem Grund führte das Passivhaus Institut den Kennwert opaque ein, der die Energieverluste über den opaken Teil des Fensters (Rahmen, Glasrand) zusammenfasst und nimmt die Klassifizierung der Fenster anhand dieses Kennwertes vor.

Dass nach diesen Bedingungen zertifizierte Passivhaus-Fenster nicht nur behaglicher sind und das Wohlgefühl fördern, sondern auch wirtschaftlicher sind, zeigt der jüngst verliehene Component Award (lesen Sie dazu auch den Beitrag ab S. 62).

2012 erweiterte das Passivhaus Institut die Fensterzertifizierung um die Klimazonen kalt und arktisch. In der Klimazone „kalt“ wird ein Uw-Wert von 0,60 W/m²K bei einem Ug-Wert von 0,52 W/m²K und ein Temperaturfaktor von 0,75 gefordert, im arktischen Klima 0,40 W/m²K bei Ug = 0,35 W/m²K, der mit 4-fach-Isolierglas erreicht werden kann und ein Temperaturfaktor von 0,80. Heute sind bereits sechs Fenster für das kalte und ein Fenster für das arktische Klima zertifiziert.

Manuel Demel, Produktingenieur Bauphysik, ift Rosenheim

Die energetische Optimierung von Fenstern, Fassaden und Glas zählt zu den Kernkompetenzen des ift und es wurden immer wieder neue Prüfverfahren entwickelt, darunter das kalorimetrische Messverfahren zur Bewertung komplexer Konstruktionen.

Wichtige Meilensteine, wie die Entwicklung des Isolierglases und beschichteter Gläser, wurden vom ift durch Forschungsprojekte begleitet. Die heutigen energieeffizienten Fensterkonstruktionen gehen vielfach auf das Forschungsprojekt „Hiwin” zurück, das das ift Rosenheim im Jahr 2003 durchführte.

Für das ift steht aber auch die Gebrauchstauglichkeit von Bauelementen inkl. dem Baukörperanschluss im Mittelpunkt. Denn was nützt ein optimal gedämmtes Fenster, das bereits nach kurzer Nutzungsdauer Mängel aufweist? Im Sinne einer ganzheitlichen Betrachtung legt das ift großen Wert auf die Bewertung der thermischen Behaglichkeit, der Tauwasserbildung, der Praxistauglichkeit der Baukörperanschlüsse sowie der solaren Gewinne.

Vor diesem Hintergrund wurde die ift-Richtlinie WA-15/2 „Passivhaustauglichkeit von Fenstern, Außentüren und Fassaden“ erarbeitet, in der die Vorgehensweise zur Beurteilung der Passivhaustauglichkeit auf Grundlage von EN- und ISO-Normen festgelegt wird. Die wichtigsten energetischen Eckdaten orientieren sich an den Regelungen des Passivhaus-Instituts (Uw 0,80 W/m2K bzw. Uw,Einbau 0,85 W/m2K, Ug 0,7 W/m2K und Temperaturfaktor für Rahmenprofile bei Ug 0,6 W/m2K: ƒ0,13 0,88), um Verwirrungen im Markt zu vermeiden. Die Kennwerte werden konform zu den europäischen Produktnormen ermittelt und können damit ohne zusätzlichen Aufwand für die CE-Kennzeichnung genutzt werden. Der wichtigste Unterschied ist, dass bei einer ift-Zertifizierung neben energetischen Aspekten auch die Gebrauchstauglichkeit bewertet wird. Deshalb stellt die ift-Richtlinie WA-15/2 „Passivhaustauglichkeit" auch Anforderungen an die Luftdurchlässigkeit, Schlagregendichtheit, Widerstand gegen Windlast, Stoßfestigkeit und bei Türen die Verformung bei unterschiedlichem Klima. Damit wird sicher gestellt, dass ein Bauelement nicht nur energieeffizient, sondern auch funktionsfähig ist.

Die Baukörperanschlüsse für übliche Wandaufbauten werden hinsichtlich einer fachgerechten RAL-Montage bewertet. Die Anforderung an den Temperaturfaktor sowie für den Glas- bzw. Paneelrandbereich wird mit ƒRsi 0,73 definiert, um einen Mindestwärmeschutz und die thermische Behaglichkeit zu sichern sowie die Tauwasserbildung an ungünstigen Stellen zu vermeiden. Über den ƒRsi -Faktor kann mit anderen Außentemperaturen auch die Eignung für andere Klimata bewertet werden, beispielsweise arktische Regionen. Das lässt sich durch einfache Berechnungen durchführen.

Zukünftig werden diese Standards durch die Anforderungen an Plusenergiehäuser ergänzt, die mehr Energie produzieren als für Heizen, Warmwasser und Haushaltsstrom verbraucht werden. Diese Standards dienen als Orientierungshilfe und Produktvergleich und werden in naher Zukunft durch ein Energylabel ergänzt.

Das Verfahren sieht für die Energieperformance (EP) auch zwei Kennzahlen vor und zwar EP-H (Energy Performance Heating Period) für den Heizfall und EP-C (Energy Performance Cooling Period) für den Kühlfall. Die Bewertung erfolgt sinnvollerweise nicht auf Basis unterschiedlicher Klimabedingungen, sondern auf gleichen Randbedingungen, damit gilt „Ein Fenster – eine Klassifizierung”.

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