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Aktuelle Regelwerke im internationalen Vergleich (Teil 01)

Andere Länder, andere Glasregeln

_ Damit Hersteller von Isolier- und Sicherheitsglas sowie Fensterbauer bei Geschäften im Ausland nicht in kostspielige Stolperfallen tappen, erläutern Heinz Pfefferkorn und Felix Bertagnolli, wo Unterschiede in den landesrelevanten Regelwerken der DACH-Länder und Italien liegen. Der erste Teil der Serie „Glas-Regelwerke im internationalen Vergleich“ beschäftigt sich mit den grundlegenden Bemessungskonzepten und der Anwendung von linienförmig gelagerten, nicht absturzsichernden Vertikal- und Überkopfverglasungen.

Grundlagen der Bemessung

In Österreich gilt die ÖNORM B 3716-Reihe, die auf einem einem Teilsicherheitskonzept basiert (auch semiprobabilistische Sicherheitskonzept genannt, ein solches ist ebenfalls Grundlage z. B. der DIN 18008).

Die Normenreihe berücksichtigt das im Eurocode definierte Sicherheitskonzept und bildet eine in sich geschlossene Grundlage, mit der ein Großteil der Glasanwendungen aus statischer Sicht untersucht werden kann.

Eine Besonderheit bei der Bemessung von Vertikalverglasungen unter kurzzeitig wirkenden Lasten (z.B. Wind- und Holmlasten) ist der Ansatz eines Schubverbundes, auch bei PVB Folien. Der Schubverbund darf auch bei Horizontalverglasungen, aber nur bei Lastkombinationen mit Schnee-Einwirkung für die schneeberührende VSG-Scheibe, berücksichtigt werden. Für die ständig wirkenden Lastanteile aus dem Eigengewicht kann bei der Bemessung kein Schubverbund angesetzt werden.

In Deutschland erfolgt derzeit der Übergang auf das Konzept des Eurocodes. Das heißt die Richtlinien TRLV, TRAV und TRPV werden durch die Normenreihe der DIN 18008 ersetzt, deren Grundlage der Eurocode ist. In der Ergänzung zur Änderung der Musterliste der technischen Baubestimmungen vom September 2013 werden die technischen Richtlinien durch die Teile 1 - 5 der DIN 18008 ersetzt. Die Frist für Stellungnahmen lief mit dem 09.04.2014 ab. Dementsprechend wird die DIN 18008 nach erfolgter Aufnahme in die Musterliste somit frühestens ab dem 10.07.2014 von den Bundesländern umgesetzt werden.

In der Schweiz gibt es zum heutigen Zeitpunkt hingegen keine vergleichbaren verbindlichen Normenwerke wie in Deutschland und in Österreich. Das schweizerische Institut für Glas am Bau (kurz: SIGaB) stellt mit der „Dokumentation Sicherheit mit Glas – Geländer aus Glas“ eine Richtlinie zur Verfügung, die Anforderungen an Glasdicken und Glastypen definiert.

Hierbei handelt es sich um eine Richtlinie, in der Glasdicken für verschiedene Anwendungsfälle tabellarisch erfasst sind. Abweichungen davon werden toleriert, wenn diese von einem befugten Techniker nach einer ausländischen Norm bemessen und freigegeben werden.

Angaben zu den Widerständen (Materialeigenschaften) von Glasarten finden sich zudem in der SIA 331 „Fenster und Fenstertüren“ und der SIA 329 „Vorhangfassaden“. Die Materialeigenschaften orientieren sich dabei an der deutschen Richtlinie TRLV.

In Italien gilt in Bezug auf Bemessungsnormen ähnliches wie in der Schweiz. 2013 wurde die UNI TR 11463 eingeführt. Diese Norm deckt aber nur aus-fachende, statisch nicht tragende Verglasungen ab und erfüllt dabei nicht die Forderung des Eurocodes an den mechanischen Widerstand. Sie kann somit für die Glasbemessung nicht in Betracht gezogen werden. Im Februar 2014 trat die CNR DT210-2013 in Kraft. Analog zur ÖNORM B 3716 und der DIN 18008 handelt es sich dabei um eine umfassende Glasbemessungsrichtlinie auf Basis des Eurocodes, die aber als Richtlinie und nicht als Norm eingeführt wurde. Explizit wird in der Richtlinie darauf verwiesen, dass die Glasdicken auch nach ausländischen Bemessungsnormen bestimmt werden können.

In Tabelle 1.1. ist ein Vergleich der Materialeigenschaften (Widerstände) zu sehen, welche maßgebend für die Bemessung von Fassadengläsern sind. Zu beachten ist, dass nach DIN 18008-1 der Widerstand von Floatglas mit unter Zug stehenden Kanten (z. B. Glasbrüstungen) um 20 % abgemindert werden muss. In Österreich gilt die Abminderung nur für Glas ohne thermische Vorspannung und ohne Kantenbearbeitung.

Vertikalverglasung

Was Vertkalverglasungen angeht, sind in Tabelle 1.2. (auf Seite 84) die zugelassenen Glastypen in Abhängigkeit der Einbaulage dargestellt.

In Österreich gelten Verglasungen in Anlehnung an EN 13830 (Produktnorm – Vorhangfassaden) als Vertikalverglasungen bis 15° Neigung aus der Vertikalen.

In Deutschland sind die Vertikalverglasungen mit 10° Abweichungen zur Vertikalen begrenzt. Darüberhinausgehende Abweichungen zur Vertikalen werden als Überkopf- oder Horizontalverglasungen bezeichnet.

In der Schweiz regelt die SIA 329 die Vorhangfassaden und definiert Verglasungen bis zu einer Neigung von 15° zur Vertikalen als Vertikalverglasungen.

In Italien werden laut UNI7697:2007 jene Verglasungen, die eine Abweichung von 30° oder mehr zur Vertikalen aufweisen zu den Horizontalverglasungen gezählt. In der neuen, grundlegend überarbeiteten Ausgabe dieser Norm, die mit Juni 2014 zu erwarten ist, weisen Vertikalverglasungen eine Neigung bis zu 15° gegen die Vertikale auf und Horizontalverglasungen beginnen bei 30° gegen die Vertikale. Zwischen 15° und 30° werden zusätzlich Schrägverglasungen eingeführt.

Horizontalverglasung

Im Gegensatz zu Italien und der Schweiz ist in Österreich und Deutschland eine Kombination von VSG aus ESG nicht zulässig. Für Italien ist anzumerken, dass im Entwurf der UNI 7697:2014 dieser Aufbau ebenfalls nicht mehr zulässig ist.

Versagen der äußeren Scheibe bei Horizontalverglasungen: Die Anforderungen sind in der Tabelle 1.3 dargestellt. Grundsätzlich kann hier bei der Nachweisführung der noch intakten Scheiben ein reduziertes Sicherheitsniveau angenommen werden.

In der ÖNORM B 3716 und der DIN 18008 wird dies im Sinne eines „außergewöhnlichen Lastfalles“ berücksichtigt. Sowohl auf der Last- als auch auf der Materialseite wird die Sicherheit gegen Bruch reduziert.

In der TRLV, SIA 331 und SIA 329 wird dieser Umstand durch die „erhöhten zulässigen Spannungen“ berücksichtigt.

Die Tabelle 1.2. beinhaltet keine ergänzenden Anforderungen an die Verglasungen bei Zugänglichkeit oder Betretbarkeit, wie Resttragfähigkeit und Nachweis des Pendelschlages. Auf diese Anforderungen wird in Teil 2 der Serie detailliert eingegangen.

Resttragfähigkeit

In Österreich wird ein Nachweis ab einer Stützweite >1,2 m gefordert. Die Anforderungen an die Resttragfähigkeit werden in Abhängigkeit der Lage der Verglasung und der damit verbundenen Gefährdung von Personen definiert. Es obliegt der ingenieurtechnischen Betrachtung, in welchem Umfang Berechnung und/oder Prüfungen in Abhängigkeit der Rahmenbedingungen (Lagerung, Glasaufbau, Ausnutzungsgrad, Gefährdungspotenzial, usw.) durchgeführt werden. Genaue Regelungen werden aus diesen Gründen in der ÖNORM B 3716 nicht angegeben.

In Deutschland werden derzeit die Anforderungen an die Resttragfähigkeit in den einzelnen Bundesländern geregelt. Die DIN 18008-1 beschreibt, dass der Nachweis rechnerisch, versuchstechnisch oder durch das Einhalten von konstruktiven Vorgaben erfolgen kann.

In der Schweiz und Italien wird wie in Österreich auf detaillierte Regelungen zum Nachweis der Resttragfähigkeit verzichtet.

Fazit der Autoren

Generell gilt, im Glasbau sowie bei der Bemessung von Verglasungen für Fassadengläser ist für den Verarbeiter und auch für den Planer die Kenntnis der lokalen Normen und speziellen Richtlinien unumgänglich, da teilweise keine europäischen Regelungen vorliegen. Dies gilt insbesondere, wenn der Verarbeiter seine Produkte auch ins benachbarte Ausland vertreibt.

Im 2. Teil der Serie werden die nationalen Anforderungen an die absturzsichernden und für Personen zugänglichen Verglasungen, wie z. B. der Glasaufbau, Pendelschlagversuche, Brüstungshöhen usw., gegenübergestellt.—

Heinz Pfefferkorn, Felix Bertagnolli

Die Autoren

Die Ingenieure Heinz Pfefferkorn (Dornbirn, Österreich) und Felix Bertagnolli (Bozen, Italien) sind in leitender Funktion für die gbd Gruppe, einer akkreditierten und notifizierten Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsstelle tätig.

http://www.gbd.at

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