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Glas-Regelwerke im internationalen Vergleich – absturzsichernde Verglasungen

Vorsicht: Absturzgefahr im Ausland

_ Um ein böses Erwachen bei der Ausführung von absturzsichernden Glaskonstruktionen im Ausland zu vermeiden, ist bei Glasern, Fenstern- und Fassadenbauern eine genaue Kenntnis der nationalen Normen unbedingt erforderlich, da in den verschiedenen Ländern die Regelungen bei absturzsichernden Verglasungen teils sehr unterschiedlich sind

In Österreich ist eine Absturzsicherung erforderlich, sobald eine zugängliche Stelle im Gebäude eine Fallhöhe von 60 cm oder mehr aufweist. Die Brüstungshöhe wird in Abhängigkeit der Absturzhöhe festgelegt. Die erfolderliche Absturzsicherung und deren Mindesthöhe wird in der OIB-Regel 4:2011 (Nutzungssicherheit und Barrierefreiheit) geregelt. Abweichend von den in der Tabelle 1 angegebenen Brüstungshöhen genügt bei Wohnungstreppen eine Brüstungshöhe von 90 cm. Eine Abminderung der Höhe kann ab einer Brüstungsbreite von 20 cm erfolgen. Die erforderliche Brüstungshöhe darf dann um die halbe Breite der Brüstung abgemindert werden, jedoch 85 cm nicht unterschreiten.

In Deutschland wird die Erfordernis einer Absturz-sicherung (Absturzhöhe) in den Landesbauordnungen geregelt. Die Mindestfallhöhen variieren stark. So ist z. B. in Bayern ab 50 cm und in Brandenburg ab 100 cm Fallhöhe eine Absturzsicherung notwendig. Die Brüstungshöhe wird wie in Österreich in Abhängigkeit der Absturzhöhe geregelt.

In der Schweiz ist ab einer Absturzhöhe von 100 cm ein Schutzelement erforderlich. Dieses kann bis zu einer Absturzhöhe von 150 cm z. B. auch aus einer Bepflanzung bestehen. Bei großer Absturzgefahr (Krankenhaus- und Kulturbauten, große Versammlungsräume) können Absturzsicherungen bereits bei geringeren Höhen erforderlich sein. Die Brüstungshöhen sind in der SIA 358:2010 geregelt. Geländer müssen eine Höhe von 100 cm aufweisen. Bei einer Brüstungstiefe größer als 20 cm darf die Geländerhöhe auf 90 cm reduziert werden.

In Italien wird in der UNI 7697 Ausgabe 2007 und 2014 die Absturzsicherung ab einer Absturzhöhe von 100 cm geregelt. Die Brüstungshöhe wird generell mit 100 cm festgelegt. Abweichend von der Norm ist es jeder Gemeinde vorbehalten, eigene Brüstungshöhen festzulegen.

Einteilung der absturzsichernden Verglasungen in den Ländern

In Österreich werden die absturzsichernden Verglasungen in der ÖNORM B 3716-3:2009 geregelt. Es werden drei Verglasungsgruppen unterschieden (VG 1, VG 2, VG 3), die jeweils aus Untergruppen bestehen. Bei allen Verglasungsgruppen ist eine punkt- und/oder linienförmige Lagerung möglich. Ein Kantenschutz ist baurechtlich nicht gefordert.

Die Glasaufbauten werden in Abhängigkeit der Verglasungsgruppen geregelt (siehe kostenlose Download-Tabelle am Artikelende). Es ist zu beachten, dass die Einzelglasdicken der VSG-Einheit maximal um den Faktor 1,5 abweichen dürfen.

In Deutschland werden die absturzsichernden Verglasungen in der TRAV:2006 (Technische Regeln für die Verwendung von absturzsichernden Verglasungen) und der DIN 18008-4:2013 geregelt. Es werden drei Kategorien unterschieden (Kat A, B, C), wobei nur die Kategorie C aus Untergruppen besteht. Bei allen Kategorien wird eine linienförmige Lagerung vorausgesetzt, ausgenommen bei Geländerausfachungen der Kategorie C1. Ein Kantenschutz ist generell erforderlich.

Nach DIN 18008-4 sind bei den Kategorien A und C auch punktförmige Lagerungen zugelassen. Auf einen Kantenschutz darf verzichtet werden, wenn Verbundsicherheitsgläser durch Tellerhalter auch bei Glasbruch sicher in ihrer Lage gehalten werden. Die Einteilungen in die Kat A, B und C entspricht im Wesentlichen der TRAV. Im Gegensatz zu Österreich dürfen die Einzelglasdicken der VSG Einheit maximal um den Faktor 1,7 abweichen.

In der Schweiz werden Geländerverglasungen durch das Schweizerische Institut für Glas am Bau (SIGaB) geregelt. Für eine Holmlast von 0,8 kN/m werden Glasdicken für unterschiedliche Glasanwendungen definiert, auch für punktgehaltene Verglasungen.

In Italien darf für Glasbrüstungen mit Absturzgefahr VSG in jeder Kombination verwendet werden. Geregelt wird dies in der UNI 7697:2007. In der Ausgabe 2014 erfolgt eine Einschränkung für nicht vierseitig gelagerte Glasbrüstungen. Es darf nur noch VSG aus Floatglas oder TVG verwendet werden. Für zweiseitig gelagerte raumhohe Verglasungen kann wie in Österreich und Deutschland weiterhin VSG aus ESG eingesetzt werden.

Nachweis der Tragfähigkeit unter statischen Einwirkungen

In Österreich sind bei allen Verglasungen die in der ÖNORM B 3716-1 definierten Einwirkungen zu berücksichtigen, dazu zählen Eigengewicht, Klima-, Wind- und Holmlasten. Die Überlagerungen der Einwirkungen sind nach ON EN 1991-1-1 durchzuführen.

In Deutschland sind bei allen Verglasungen die in der TRAV definierten Einwirkungen (Eigengewicht, Klima-, Wind- und Holmlasten) zu berücksichtigen.

Bei Glasbrüstungen der Kategorie B ist die Beschädigung eines beliebigen Brüstungselementes zu berücksichtigen. Der Handlauf muss in der Lage sein, die Holmlast bei vollständigem Ausfall eines Brüstungselementes auf die Nachbarelemente zu übertragen. Dabei dürfen die zulässigen Biegespannungen der Verglasung um den Faktor 1,5 erhöht werden.

In der Schweiz werden in der SIGaB Glasaufbauten definiert, die auf eine Holmlast von 0,8 kN/m und eine Windlast von 1 kN/m² ausgelegt sind, jedoch ohne dass die Lasten kombiniert (überlagert) werden. Bei höheren Lasten muss die erforderliche Glasdicke rechnerisch ermittelt werden.

In Italien erfolgt die Bemessung nach ausländischen Normen (siehe Teil 1 der Serie). Die UNI 7697:2007 regelt ausschließlich die zu verwendenden Glastypen.

Eine Übersicht über die Größe der einwirkenden Holmlasten zeigt die Tabelle 2. Die Holmlasten sind auf die baurechtlich erforderlichen Brüstungshöhen als statische Lasten aufzubringen. Es wird ersichtlich, dass sich die Holmlasten bei vergleichbaren Nutzungskategorien stark unterscheiden. So ist z. B. bei Wohnungen die Holmlast in Italien mit 1,0 kN/m doppelt so hoch wie in Deutschland und Österreich.

Nachweis der Tragfähigkeit mittels Pendelschlagversuch

In Österreich kann der Nachweis auf Basis der ÖNORM B 3716-3 versuchstechnisch (Pendelschlagversuch) oder rechnerisch erfolgen.

Der Pendelschlagversuch wird an Originalbauteilen durchgeführt. Der Stoßkörper entspricht der EN 12600:2002. Die Pendelfallhöhen werden in Abhängigkeit der Verglasungsgruppen und der Nutzungskategorien der angrenzenden Räumlichkeiten festgelegt (Tabelle 3).

In Deutschland erfolgt der Nachweis auf Basis der TRAV nur versuchstechnisch oder durch Anwendung der in der TRAV geregelten Glasaufbauten. Ein rechnerischer Nachweis ist nicht zugelassen. Der Stoßkörper entspricht der EN 12600, mit Ausnahme des Reifendruckes. Dieser wird abweichend von der EN 12600 mit 4,0 bar (EN 12600 3,5 bar) geregelt.

Auf Basis der DIN 18008-4 kann alternativ zum Versuch ein rechnerischer Nachweis für linienförmig gelagerte Verglasungen geführt werden oder die in der Norm geregelten Glasaufbauten verwendet werden.

In der Schweiz und in Italien ist generell kein Nachweis des weichen Stoßes erforderlich.

Die Einschätzung der Autoren

Da in den verschiedenen Ländern die Regelungen bei absturzsichernden Verglasungen teils sehr unterschiedlich sind, erfordert dies von den beteiligten Handwerkern eine genaue Kenntnis der nationalen Vorschriften, um Fehlern und Mängel bei Fertigung, Einbau und Montage vorzubeugen bzw. zu vermeiden. Dabei gilt folgendes zu berücksichtigen: Die differierende Lage und Höhe der Holmlasten sowie die teilweise nicht durchzuführenden Pendelschlagversuche führen bei gleicher Einbausituation zwangsläufig zu unterschiedlichen Glasaufbauten.

Im folgenden 3. Teil der Serie werden die nationalen Anforderungen an für Personen zugänglichen Verglasungen und Structural Glazing-Fassaden einander gegenübergestellt.—

Tabelle zum kostenlosen Download

Da in den verschiedenen Ländern die Regelungen bei absturzsichernden Verglasungen teils sehr unterschiedlich sind, haben wir für Sie eine Tabelle hinterlegt, die die erforderlichen Glasaufbauten im Vergleich der Länder Österreich, Deutschland, der Schweiz und Italien zeigt. Geben Sie einfach auf https://www.glaswelt.de/ den Webcode 1236 ein.

Die Autoren

Die Ingenieure Heinz Pfefferkorn (Dornbirn, Österreich) und Felix Bertagnolli (Bozen, Italien) sind in leitender Funktion für die gbd Gruppe, einer akkreditierten und notifizierten Prüf-, Inspektions- und Zertifizierungsstelle, tätig.

http://www.gbd.at

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