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So können Sie Konstruktionen vordimensionieren

_ Das Verlangen der modernen Architektur nach transparenten Gebäudehüllen hat auch die an Fenster gestellten Anforderungen stark verändert: Große Öffnungen, schlanke und möglichst nicht sichtbare Tragstrukturen sowie Wind- und Anpralllasten stellen die Fensterproduzenten heute vor neue Herausforderungen hinsichtlich der statischen Durchbildung ihrer Konstruktionen.

Die Anforderungen reichen dabei vom Schallschutz über den Wärmeschutz, die Einbruchhemmung bis hin zur einfachen Bedienung. Daneben gibt es allerdings auch statische Einwirkungen, die es zu beachten gilt. Dazu zählen im Wesentlichen Wind- und Anpralllasten die über das europäische und nationale Normenwerk geregelt sind und die von der Fensterkonstruktion ohne Schaden und ohne Einschränkung der Gebrauchstauglichkeit aufgenommen werden müssen.

Während bei einfachen Fenstern im Einfamilienhausbau diese statischen Anforderungen in der Regel problemlos erfüllt werden können, kann es bei großen und schweren Konstruktionen – besonders in exponierter (windbeanspruchter) Lage – zu Problemen kommen. Um kosten- und zeitintensive Schadensfälle zu vermeiden, lohnt es in jedem Fall sich mit dem Thema Fensterstatik ein wenig genauer auseinanderzusetzen.

Tragfähig und/oder gebrauchstaulich?

Die für die Bemessung von Bauteilen heranzuziehenden Eurocodes (z. B. für Holzbauteile ÖNorm EN 1995-1-1) unterscheiden grundsätzlich zwei wesentliche Grenzzustände:

  • Grenzzustand der Tragfähigkeit: Damit werden jene Zustände bezeichnet, die im Zusammenhang mit dem Einsturz oder einer anderen Form des Tragwerksversagens die Sicherheit von Menschen gefährden können.
  • Grenzzustand der Gebrauchstauglichkeit: Damit werden jene Zustände bezeichnet, bei deren Überschreitung die festgelegten Bedingungen für die Gebrauchstauglichkeit nicht mehr erfüllt sind.

In der Regel sind die Anforderungen aus dem Titel der Gebrauchstauglichkeit höher als jene aus der Tragsicherheit, weshalb diese für die Wahl oder Bemessung der Fensterprofile oft maßgebend sind. Meist handelt es sich bei den Bedingungen für die Gebrauchstauglichkeit eines Bauteils um maximal zulässige Durchbiegungen oder Schwingungen. Durch eine entsprechende Berechnung ist nachzuweisen, dass die Fensterkonstruktion die auf sie aufgebrachten Lasten (Eigengewicht, Wind, Anprall, usw.) ohne Überschreitung der zulässigen Verformungen aufnehmen kann.

Neben der Anforderung an die Gebrauchstauglichkeit einer Konstruktion darf natürlich die Befestigung des Glases, das Beschlagsystem sowie die Befestigung des Fensters in der Wand, insbesondere bei großformatigen Ausführungen, nicht außer Acht gelassen werden.

Neben den Lasten, die aus dem Eigengewicht des Fensters sowie aus Bedienkräften resultieren, wirken auf die Konstruktion vor allem Windlasten ein. Grundsätzlich werden diese im Eurocode ÖNorm EN 1991-1-4:2011-05-15 (Einwirkungen auf Tragwerke, Teil 1-4: Allgemeine Einwirkungen – Windlasten) geregelt. Diese Norm gilt für die Berechnung der Windlast für ganze Tragwerke oder Teile davon; für Bauelemente, die mit dem Tragwerk verbunden sind, aber auch für Fassadenteile und deren Verankerungen, Anprallschutz- und Lärmschutzwände.

Eine diesem Eurocode angepasste vereinfachte Berechnung der Windlast ist ebenfalls in der ÖNorm B 5300:2007-11-01 (Fenster – Anforderungen – Ergänzungen zur ÖNorm EN 14351-1) angeführt. Darin werden die Beanspruchungsklassen hinsichtlich der Widerstandsfähigkeit bei Windlast, der Luftdurchlässigkeit und der Schlagregendichtheit in Abhängigkeit von der Windeinwirkung festgelegt.

Darüber hinaus enthält diese Norm auch Anforderungen an die mechanische Beanspruchung, die Festigkeit, den Wärmeschutz und den Schallschutz. Einwirkungen auf die Fensterkonstruktion die sich z. B. aus dem Anprall eines Menschen ergeben, sind in der ÖNorm EN 1991-1-1:2011-09-01 (Einwirkungen auf Tragwerke – Teil 1-1: Allgemeine Einwirkungen – Wichten, Eigengewicht und Nutzlasten im Hochbau) zu finden.

Durchbiegung um ein Vielfaches überschritten

Welche Auswirkung eine unterdimensionierte Fensterkonstruktion auf deren Gebrauchstauglichkeit haben kann, soll anhand eines konkreten Beispiels erläutert werden. Es handelt sich dabei um ein raumabschließendes Fenster mit einer Breite von ca. 3,7 m und einer Höhe von ca. 2,7 m (siehe Abb. 2).

Eine Inspektion vor Ort hat zu Tage gebracht, dass sich die Konstruktion beim Aufbringen einer horizontalen Last stark nach außen biegt und beim Öffnen bzw. Schließen des Drehkippflügels in Schwingung gerät. Eine Nachrechnung mittels eines Stabstatikprogramms ergab eine maximale rechnerische horizontale Verformung des Fensters unter Windlast von ca. 8,2 cm. Bei einer zulässigen Verformung von L/200 = 370/200 = 1,85 cm wird die zulässige Durchbiegung um das Vierfache überschritten.

Dieses Beispiel zeigt, dass es bei Verwendung von Standardfensterprofilen (z.  B. IV78) bei großen Öffnungen leicht zu einem Gebrauchstauglichkeitsproblem kommen kann.

Mit dem Ziel, einerseits das Problembewusstsein gegenüber dem Thema Fensterdurchbiegung zu wecken und andererseits dem Anwender ein einfach zu bedienendes Instrument zur Verfügung zu stellen, entwickelte die HFA ein auf Excel basierendes praxisnahes Tool. Dieses erlaubt eine Vordimensionierung unterschiedlichster einfacher Fenstertypen (siehe Abb. 3) und richtet sich primär an alle Fensterproduzenten. Dabei geht es nicht unbedingt um eine komplizierte statische Berechnung, sondern vielmehr um eine Abschätzung des erforderlichen Fensterprofils um etwaige Unterdimensionierungen und daraus resultierende Schadensfälle im Vorhinein zu vermeiden.

Die Eingabe der notwendigen Basisdaten, wie beispielsweise den Abmessungen des Fensters oder des Gebäudestandorts, erfolgt über Pull-down-Menüs. Dabei kann aus einer hinterlegten Datenbank ein beliebiger Profilquerschnitt ausgewählt werden. Diese firmenspezifischen Querschnitte können, je nach Fensterproduzent, individuell in das Berechnungsprogramm implementiert werden. Basis hierfür sind CAD-Daten, aus denen die für die Bemessung erforderlichen Querschnittswerte ermittelt werden. Danach wird das Material, aus welchem das Profil gefertigt werden soll, ausgewählt. Auch hier können unterschiedliche Holzarten je nach Wunsch des Produzenten oder Kunden hinterlegt werden.

Wichtig für die Berechnung der Verformung des Fensters ist die am geplanten Standort vorherrschende Windbelastung. Dazu muss im Eingabefeld das jeweilige (österreichische) Bundesland sowie der Ort, in dem das Fenster verbaut wird, ausgewählt werden. Derzeit ist das Tool grundsätzlich für die Anwendung österreichischer Normen konzipiert. Eine Adaptierung an andere (deutsche) Normen ist allerdings jederzeit möglich.

Da die Windbeanspruchung auch von der Geländekategorie (ländliche oder städtische Gegend), der Gebäudegeometrie und der Einbauhöhe des Fensters abhängt, werden diese Parameter ebenfalls in das Tool eingegeben. Anschließend erfolgt die Berechnung der maximal aufnehmbaren Windlast auf Basis der zulässigen Durchbiegung der Fensterkonstruktion. Je nach relativer frontaler Durchbiegung des am stärksten verformten Teils des Fensters unter Windlast, erfolgt dabei die Klassifizierung in folgende drei Klassen (gemäß ÖNorm EN 12210):

  • Klasse A < 1/150
  • Klasse B < 1/200
  • Klasse C < 1/300

Durch diese Klassifizierung wird jene Durchbiegung definiert, die ein Fenster unter Belastung im Gebrauchszustand haben darf.

Die visuelle Darstellung der Fenstergeometrie sowie des gewählten Fensterprofils erleichtern die Kontrolle der Eingaben wesentlich. Nach Eingabe der Basisdaten wird die vom gewählten Fensterprofil aufnehmbare, mit jener am Gebäudestandort vorherrschenden Windlast verglichen.

Das Ergebnis der Berechnung ist einfach gehalten, denn die Darstellung, ob die Konstruktion ausreichend dimensioniert ist oder nicht, erfolgt mit einem einfachen Ampelsystem.

Eine künftige Erweiterung des Bemessungstools um die Berücksichtigung von Anpralllasten aus der Gebäudenutzung oder der Implementierung von Hybridquerschnitten (z. B. Kunststoff usw.) ist auf Wunsch möglich. Darüber hinaus kann das Basisprogramm auch um ein Lisenenberechnungsmodul erweitert werden.—

Der Autor

Dr. Christoph Hackspiel ist Sachbearbeiter in der Abteilung Bautechnik Holzhausbau der Holzforschung Austria. Seine Arbeitsschwerpunkte sind Bauteilprüfungen, Zulassungen und Zertifizierungen (ETZ), statische Untersuchungen, Strukturmodellierung, Forschung und Entwicklung, Normungstätigkeit und Gutachten.

Kontakt: c.hackspiel@holzforschung.at