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Headhunting kommt auch beim Handwerk in Mode

Arbeitskräfte sind ein hohes Gut, das es zu schützen gilt

Glaswelt – Handwerkskammern warnen schon mal vor unseriösen Rechnungen obskurer Katalogverlage. Jetzt der Warnhinweis vor Headhuntern – haben wir es mit den Anrufen bei Ihnen mit Einzelfällen zu tun, oder gibt es da noch ähnliche Fälle?

Richard Schweizer – Hier hat es tatsächlich insgesamt 10 Fälle gegeben, bei denen sich ein Headhuntingunternehmen gegenüber Handwerksunternehmen als Mitarbeiterin der HWK Reutlingen ausgegeben hat. Durch wiederholte und fragetechnisch gezielte Anrufe wegen angeblicher Seminaranmeldungen o. Ä., wurden so Stück für Stück Informationen in Erfahrung gebracht, um letztlich in einigen Fällen bis zum gesuchten Mitarbeiter durchdringen zu können. Dann wurde relativ schnell die Katze aus dem Sack gelassen und der Versuch unternommen, ein Abwerbegespräch zu führen. Aufmerksame Betriebe haben uns über diese Vorgehensweise informiert, und so konnten wir eine entsprechende Warnung herausgeben.

Glaswelt – Wie kann sich ein Fachbetrieb generell gegen solche Maßnahmen wehren? Es wären ja auch andere Varianten dieser Art von Ausfragungen möglich?

Schweizer – Wehren kann man sich in der Regel sehr einfach, indem man keine Informationen herausgibt. Das wäre sowieso ein Verstoß gegen das Datenschutzgesetz und damit unzulässig. Natürlich sind wir genauso wie alle anderen Handwerkskammern sehr interessiert daran, Informationen über solche Vorgehensweisen zu erlangen, um andere Betriebe warnen zu können. In den vorher angesprochenen Fällen hörte diese Art der Anrufe nach unserer Meldung relativ schnell auf.

Glaswelt – „Headhunting“ unter den Betrieben selbst gibt es ja schon sehr lange? Kommt es hier zu Streitigkeiten, die bis zu Ihnen durchdringen?

Schweizer – Uns sind bisher keine Fälle bekannt, bei denen es zu Streitigkeiten gekommen ist. Nach jetziger Einschätzung könnte es hier auch nur um eine Verletzung des Datenschutzgesetzes gehen. Natürlich stehen die HWKs hier den Betrieben mit Rat und Tat zur Seite, die beste Vorbeugung ist aber immer noch, über solche Vorfälle zu informieren, um dadurch alle anderen Betriebe vorzuwarnen.

Glaswelt – Was sollte ein Handwerksunternehmen tun, um das Abwerben seiner Mitarbeiter zu verhindern?

Schweizer –  Die Arbeitswelt ist, wie andere Dinge auch, im stetigen Wandel. Heute ist es für den Arbeitnehmer in vielen Fällen sehr wichtig, dass vor allem die Umgebungsvariablen stimmen. Soft Skills spielen da genauso eine Rolle, wie die Wertschätzung des Mitarbeiters und eigene Verantwortungsbereiche. Es geht hier nicht um eine Kuschelzone, sondern um ein gutes betriebliches und menschliches Miteinander. Wenn dann noch die Bezahlung passt, sind die eigenen Mitarbeiter aus unserer Erfahrung heraus relativ resistent gegen ein Abwerbebegehren.

Glaswelt – Fachkräftemangel ist ja im Moment ein sehr stark diskutiertes Thema. Wie sehen Sie hier die zukünftige Entwicklung?

Schweizer – In der Tat haben Handwerksbereiche wie Elektro und Heizung/Sanitär schon jetzt sehr oft große Probleme, eine ausreichende Anzahl von qualifizierten Mitarbeitern zu finden. Auch die Industrie trägt ihren Teil dazu bei, indem sie bereits nach der Beendigung der Ausbildung ihre Fühler nach guten Jung-Gesellen ausstreckt. Der Appell kann hier nur lauten: „Bildet aus!" Auch Umschüler können ein interessantes Feld sein, und im Umfeld älterer Mitmenschen gibt es viele sehr gut ausgebildete und vor allem sehr erfahrene Kandidaten. Gerade hier gibt es spezielle Maßnahmen zur Gesundheitsvorsorge, um Bedenken bei der Einstellung zu zerstreuen. Die HWKs unternehmen mit dem Girls' Day und speziellen Ausbildungsprogrammen für ausländische Mitmenschen auch sehr viel, um die Ausbildungsquote zu erhöhen.

Glaswelt – Zeitarbeit boomt. Ist das für Sie eine Variante, um auch den saisonal unterschiedlichen Bedürfnissen des Handwerks entgegenzukommen?

Schweizer –  Wir stehen der Zeitarbeit generell offen gegenüber, da sie für viele Betriebe wichtig ist, um bei hohen Auftragseingängen oder saisonalen Schwankungen gerade wegen dem Fachkräftemangel schnell und möglichst unbürokratisch reagieren zu können. Generell sollte in den verschiedenen Handwerken darauf geachtet werden, ob der Einsatz von fremden Kräften nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz überhaupt zulässig ist. Informationen hierzu erhält man bei der Rechtsabteilung der zuständigen HWK. Eine andere Form der Zeitarbeit ist die Kollegenhilfe. Oft praktiziert, in machen Fällen aber nicht unbedingt ordnungsgemäß gemeldet. Auch hier sollte man sich vorher informieren, um nichts falsch zu machen.—

Die Fragen stellte GLASWELT Redakteur Olaf Vögele.