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Den Sachverständigen nicht als Gegner sehen

Besser vorher als nachher

_ Eigentlich könnte das Leben von Montagebetrieben wesentlich einfacher sein, denn Streitigkeiten mit dem Architekten oder Kunden auf der Baustelle beziehungsweise unbezahlte Rechnungen machen doch bestimmt niemanden so richtig Spaß. Schnell kommt hier dann auch der Sachverständige ins Spiel, um vermeintliche Fehler zu beurteilen und ggf. Lösungsvorschläge zu unterbreiten, wie es denn nun richtig ausgeführt werden solle.

Meistens heißt die (teure) Zwischenetappe Gericht, denn erst nach der nicht bezahlten Rechnung des Montagebetriebes oder der nicht erfüllten Mängelrüge des Bauherrn/Architekten wird Klage erhoben und der Berufsstand der Rechtsanwälte ins Spiel gebracht. Viel Papier, viele Gespräche und vor allem viel Zeit und Kostenvorschüsse werden dann notwendig, ohne das irgendetwas auf der Baustelle vorangeht.

Bis der Sachverständige ausgewählt, er seinen Ortstermin durchgeführt und das Gutachten erstellt vergeht weitere Zeit und führt in vielen Fällen zu nachträglichen Erläuterungen des Gutachtens. Alles in allem ein im wahrsten Sinne des Wortes meist langwieriger Prozess, der nachher zu Urteilen oder Vergleichen führt. Im Ergebnis hat keine Partei wirklich etwas gewonnen, denn die Erledigung der Arbeiten erfolgt meist erst Monate oder Jahre später und es wurde sehr viel Geld und noch mehr Zeit investiert. Dem Sachverständigen bleibt dann meist auch noch die Aufgabe, für eine Seite der Parteien der Buhmann zu sein, denn er sei ja schließlich Schuld, dass man den Prozess verloren habe. Eine besondere Situation vor Gericht ist für den Handwerker zudem der Vergleich, bei dem sich in der Regel auf eine Quote geeinigt wurde und er eigentlich nur verlieren kann. Denn rechnet man zu dem Geld was man nicht bekommt, den eventuell notwendigen Aufwand dafür, die Arbeiten fertigzustellen oder Bauteile zu erneuern bzw. den gesamten Zeitaufwand für Gespräche und Vorbereitungen mit dem Anwalt sowie Gerichtstermine zusammen, so kann das unter dem Strich nicht erfolgreich sein.

Informationsquelle Internet

Eine wesentliche Rolle bei Mängelrügen und Reklamationen spielt mittlerweile das Internet. Hier besteht gerade für versierte Endkunden und Anwälte die Möglichkeit, so lange nach kostenlosen Dokumenten oder Bildern zu suchen bis eine schlüssige und vor allem meist sehr umfangreiche Argumentationskette vorhanden ist, um dem Handwerker das Leben schwer zu machen. Dass es für die im Internet gefundenen Informationen keinen Filter gibt, was „richtig” oder „falsch” ist und die meist relevanten Unterlagen wie Normen, Richtlinien oder Leitfäden nur gegen Geld zu erwerben sind, werden so oft falsche Behauptungen und fehlinterpretierte Werbeaussagen von Herstellern zum Argumentieren benutzt.

Der Montagebetrieb seinerseits sitzt dann sehr schnell in der Zwickmühle, weil er sich in vielen Fällen selbst nicht gut im Papierdschungel auskennt und auch das Geld für ihn entsprechend wichtige Dokumente nicht ausgeben will. Wenn er dann noch seinen Anwalt einschaltet, der normalerweise seine Verkehrssachen oder Mahnverfahren etc. bearbeitet, wird es sehr schnell gefährlich für ihn. Selbstständige Beweisverfahren, bei denen der Richter in der Regel die Ausführungen der klagenden Partei übernimmt und zur Aufgabenstellung bei der Beauftragung des Sachverständigen, laufen dann schnell in eine möglicherweise schlechte Richtung für den Handwerker. Hier ist es wie ihm richtigen Leben: Wer fragt, führt das Gespräch. Und so kann ein geschickter Anwalt des Bauherrn vollkommen legal eine Tendenz aufbauen, die den Handwerker im späteren Prozessverlauf zu Zugeständnissen oder Abschlägen zwingen kann. Ein schwacher Sachverständiger, der sich auf falsche Fragestellungen einlässt, wird diese Tendenz zusätzlich verstärken. Ein späteres Argumentieren gegen die Ausführungen des vom Gericht beauftragten Sachverständigen wird meistens sehr schwierig, da der Richter in der Regel „seinen” Sachverständigen als Helfer des Richters verteidigt.

Mediation ist gefragt

Wenn die Situation vor Ort einmal eskaliert ist, schlagen auch schnell die Emotionen hoch, die dann eine sachliche Diskussion sehr schwierig machen. Schnell ist der Anwalt zurate gezogen und trägt dann mit seiner meist vorhandenen rhetorischen Überlegenheit auch nicht dazu bei, eine gemeinsame Lösung zu finden. Denn bei aller Fachkompetenz bei der Auslegung von juristischen Fragen ist er einer Partei zugetan und damit grundsätzlich befangen. Auch vor Gericht vertritt der Rechtsanwalt nur die Belange seines eigenen Mandanten und meist behauptet der Rechtsanwalt der gegnerischen Partei genau das Gegenteil. Wie vor Gericht gibt es genau eine Person, die auch bei Streitigkeiten auf der Baustelle ohne Gerichtsverfahren gleichermaßen die technischen Sachverhalte ausreichend klären kann – den Sachverständigen aus dem jeweiligen Fachbereich. Ein allgemeiner Bausachverständiger ist wegen der Komplexität der einzelnen Gewerke meist nicht so empfehlenswert.

Genau aus diesem Grund sollte man sich bei aufkommenden Diskussionen auf der Baustelle auf einen Sachverständigen einigen und diesen zur Lösung der aufkommenden Fragen zurate ziehen. Hier steht sogar die Möglichkeit eines Schiedsgutachtens im Raum. Das heißt der Sachverständige stellt fest, was falsch und richtig ist bzw. was getan werden muss, damit ein ordnungsgemäßer Zustand hergestellt werden soll. Die Parteien unterwerfen sich hierbei dem Schiedsspruch des Sachverständigen, eine spätere Anfechtung vor Gericht wird dann, wenn der Sachverständige gut gearbeitet hat, meist sehr schwierig, da das Gutachten dann maßgeblicher Bestandteil des Prozesses wird.

Die eigentliche Aufgabe des Sachverständigen sollte aber vor allem darin liegen, eine Mediation mit den Parteien durchzuführen, das heißt die Diskussion auf ein vernünftiges Niveau zu bringen und unter Einhaltung der gängigen Vorschriften eine für beide Parteien verträgliche Lösung zu finden, da in der Regel sonst beide eine Maximalposition einnehmen werden.

Genau dieser Dialog kann dann zu einem besseren, schnelleren und vor allem wesentlich kostengünstigeren Ergebnis führen, bei dem sich zudem beide Parteien danach noch in die Augen schauen können.

Muss das denn alles sein?

Eigentlich sollte es noch nicht einmal notwendig sein einen Sachverständigen einzuschalten, geschweige denn das Gericht. Natürlich gibt es immer wieder unvermeidliche Diskussionen und damit Streitfälle, gerade dann, wenn mehrere Gewerke betroffen sind, oder mithilfe einer Rechtsschutzversicherung wieder einmal ein Gerichtsverfahren initiiert wird, um vollkommen egal ob alles in Ordnung ist oder nicht, eine Kürzung der Rechnung zu erreichen.

Der Handwerksbetrieb kann sich sehr einfach gegen diese Art von Verfahren schützen – durch gute Produkte und eine gute Ausbildung. Damit ist aber auch eine ständige Fort- und Weiterbildung der Mitarbeiter gefragt. Das betrifft vor allem die Monteure, denn sie entscheiden über „Sieg oder Niederlage” beim Auftragsablauf.

Was nutzt der perfekte Verkäufer und der tolle Auftrag, wenn die Abwicklung nicht funktioniert und damit auch die Rechnung nicht vom Kunden bezahlt wird. Dann ist der kalkulierte Deckungsbeitrag sehr schnell aufgezehrt und viele andere Aufträge notwendig, um Prozesskosten, Anwälte und Sachverständige zu bezahlen. Vorausgesetzt natürlich, dass diese Aufträge vernünftig erledigt werden. Funktionierende Beispiele aus der Praxis gibt es mehr als genug, denn gut aufgestellte Betriebe haben meistens nur wenige Fälle in ihrem Business, bei denen es zu gerichtlichen Streitfällen kommt.—

Olaf Vögele