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Der Einsatz von Thermografie wilL gelernt sein

Bunte Bilder sind nicht alles

_ Die Thermografie ist ein Verfahren zur Anzeige der Oberflächentemperatur von Objekten. Dabei wird die Intensität der Infrarotstrahlung, die von einem Punkt ausgeht gemessen und als Maß für dessen Temperatur gedeutet. Ausgegeben werden die unterschiedlichen Temperaturen in einem Bild, das mit einer entsprechenden Vergleichsskala ausgewertet werden kann. Eine Wärmebildkamera wandelt dazu die für das menschliche Auge unsichtbare Infrarotstrahlung in elektrische Signale um, aus denen die Kamera ein Falschfarbenbild erzeugt. Rote Farbflächen zeigen so höhere Oberflächentemparaturen, dunkle blaue Flächen die kälteren Bereiche an.

Aufgrund der Preisentwicklung im Bereich der mobilen Wärmebildkameras von mehreren 10 000 Euro auf heute unter 1000 Euro hat die Stückzahl vorhandener Kameras deutlich zugenommen.

Die Qualität eines Wärmebildes liegt in der Auswertung

Im täglichen Sachverständigenleben kann man allerdings auch feststellen, dass mit der gestiegenen Anzahl der Kameras leider das Thema Aus- bzw. Weiterbildung in den meisten Fällen auf der Strecke geblieben ist. So trifft man immer öfter auf „bunte Bilder”, bei denen zu den Außenaufnahmen die entsprechenden Innenaufnahmen (empfohlen wird eine Temperaturdifferenz von ca. 15 Grad Kelvin) fehlen, um eine wirkliche Analyse der örtlichen Situation durchführen zu können. Da es bei den Aufnahmen grundsätzlich kühl sein sollte und keine Verfälschungen durch von der Sonne aufgeheizte Fassaden entstehen sollten, sind bei der Planung der Ortstermine die entsprechenden Parameter zu berücksichtigen. Ein Grund warum Thermografie oft in den Nacht- oder frühen Morgenstunden stattfindet, um möglichst gute und aussagekräftige Ergebnisse zu erzielen. Leider erfährt man in der täglichen Praxis viel zu oft, dass die Thermografie auch dazu benutzt wird, um mit bunt gefärbten Bildern eine gewisse Panik beim Bauhherrn oder Renovierer zu verursachen, um ihn dadurch zu Austauscharbeiten oder Sanierungsmaßnahmen zu bewegen. Eine entsprechende fachgerechte Interpretation der Wärmebilder findet in diesen Fällen dann meistens nicht statt. Entscheidend ist immer die Skalierung der Aufnahme, um die Temperaturdifferenzen betrachten zu können.

Erfahrung tut Not

Ein klassisches Beispiel ist die Fehlinterpretation von Oberflächen im Bereich Dach oder hinterlüfteter Fassaden, denn erst der Abgleich mit der Innenaufnahme bringt die wirklichen Leckagen ans Licht, die sich bevorzugt an Fensterecken, Rollladenkästen oder Dachgauben abbilden können. Allein ein gekipptes Fenster kann eine Thermografieauswertung vollkommen in die Irre führen, da die ständig austretende Warmluft die Fensterfaschen ausgeheizt hat und damit über die gelb bis rote Farbe auf dem Wärmebild einen schlecht isolierten Bauteilbereich vorgibt. Da die Wärmebildkamera nur die Unterschiede der empfangenen Leistung auswertet und so das Ergebnis aus einem scheinbaren Temperaturunterschied errechnet und ausgibt, sind einige Faktoren bei den Messungen zu beachten. So kann der Einfluss der Temperatur auf den Emissionsgrad bei Messungen im Temperaturbereich von 0 °C bis 100 °C in den meisten Fällen vernachlässigt werden, da viele Stoffe im mittleren Infrarot (1.40 m bis 3.0 m) einen von der Wellenlänge nahezu unabhängigen Emissionsgrad nahe Eins besitzen. Der Infrarotbereich ist nach DIN 5031 dem Bereich der optischen Strahlung zugeordnet, der auch die sichtbare und ultraviolette Strahlung umfasst. Dabei handelt es sich um elektromagnetische Strahlung im Spektralbereich von 0.8 m bis 1 mm. Hierbei wird zwischen dem nahen, dem mittleren und dem fernen IR-Bereich unterschieden. Beispiele für den mittleren Bereich sind Glas, mineralische Stoffe, Farben und Lacke beliebiger Farbe, Eloxalschichten beliebiger Farbe, plastische Werkstoffe außer Polyethylen, Holz und andere Baustoffe oder auch Wasser und Eis. Die Temperatur von Oberflächen mit geringem Emissionsgrad (lowe) lässt sich hingegen mit der Thermografie nicht verlässlich bestimmen. Deshalb sollte man sich vorher ein Bild über die verwendeten Baustoffe machen oder ggf. die CE-Zertifikate und technischen Datenblätter überprüfen.

Richtig eingesetzt eine gute Hilfe

Nicht nur für den Sachverständigen, sondern auch für den Fachbetrieb bietet die Thermografie richtig eingesetzt eine wirkliche Hilfestellung bei Planung, Beratung und Fehlersuche. Eine Zertifizierung des Benutzers ist zur Verwendung nicht vorgeschrieben, aber für ihn selbst und den Bauherrn/Sanierer ein gutes Argument, um sicher zu sein, dass bunt auch wirklich bunt ist. —

Olaf Vögele

Der Autor

Olaf Vögele arbeitet neben seiner Tätigkeit als GLASWELT Redakteur seit über 20 Jahren als Sachverständiger im Bereich Rollläden, Tore, Sonnenschutz und Fassaden. In seiner täglichen Arbeit wird er immer wieder mit thermografischen Aufnahmen konfrontiert. Da hier sehr viel fehlinterpretiert wird, setzt er auch hier auf Fachkompetenz und lässt sich zum zertifizierten Thermografen ausbilden.

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