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Neues von der Berner Fachhochschule

Wie wär’s mit einer außen liegenden Klebefuge?

_ Über die letzten Jahre erhöhen sich die thermischen Anforderungen an moderne Fenstersysteme stetig, während zur gleichen Zeit die geforderten Flügeldimensionen größer werden. Herkömmliche Fenstersysteme kommen durch diese stetige Erhöhung der Anforderungen an die Grenzen des Machbaren. Seit etwa 15 Jahren haben sich aus diesen Gründen Fenstersysteme mit verklebtem Glas im Markt etabliert. Dank der optimalen Gewichtsverteilung der Verglasung im Flügel bei gleichzeitiger Versteifung des Flügelrahmens, erlaubt das verklebte Fenstersystem mehr Flexibilität bezüglich der Dimensionen. Solche verklebte Fenstersysteme decken heute geschätzte vier bis acht Prozent des Fenstermarktes ab.

Verklebte Systeme sind noch Nischenprodukte

In bestehenden Fenstersystemen mit verklebter Verglasung befindet sich die Klebstofffuge auf der Innenseite der Verglasung (Bild 1). Durch diese Anordnung wird der Klebstoff vor Wetter und UV-Strahlung geschützt, was die Lebensdauer der Verklebung erhöht. Leider sind diese verklebten Fenstersysteme problematisch in Bezug auf:

  • Glasbruch: Dann muss der gesamte Fensterflügel mit dem Glas ausgewechselt werden, was zu hohen Reparaturkosten führt.
  • Herstellung: Für den Leimauftrag sowie für die Anbringung des Glases werden dadurch automatisierte Systeme nötig.

Diese Nachteile bremsen das Wachstum von Fenstersystemen mit verklebter Verglasung maßgeblich. Unzweifelhaft würde eine Lösung dieser Nachteile, verklebten Fenstersystemen einen bedeutenden Attraktivitätsgewinn ermöglichen. Auf der Suche nach diesen notwendigen Verbesserungen des verklebten Systems hat die Abteilung Forschung und Entwicklung der Berner Fachhochschulen (BFH) ein gefördertes Projekt durchgeführt, welches zum Ziel hatte ein verklebtes Fenstersystem zu entwickeln, das

  • ausgezeichnetes mechanisches Verhalten bieten soll, um größtmögliche Freiheiten bei der Dimensionierung zu erhalten,
  • gute thermische Werte erreicht, vergleichbar mit gegenwärtigen Systemen,
  • keine oder nur minimale Investitionen in die Herstellungstechnik der Fenster erfordert,
  • eine Scheibenreparatur ohne gleichzeitigen Ersatz des Flügelrahmens ermöglichen soll.

Welche Idee steckt dahinter

Die von der BFH entwickelte Idee des neuartigen Systems besteht aus der Verklebung der äußeren Seite der Isolierverglasung mit einem Kunststoffprofil, das auf dem Fensterflügel mechanisch verankert ist (siehe Bild 2).

Für das außenseitige Profil wird glasfaserverstärkter Kunststoff (GFK) verwendet, da dieses Material gute mechanische und thermische ( ~ 0,3 W/(mK)) Eigenschaften mit guter Verklebbarkeit vereint – insbesondere im Vergleich mit anderen Kunststoffen.

Die außenseitige Verklebung des Glases bedarf besonderer Aufmerksamkeit in Bezug auf die Dauerhaftigkeit, da eine solche Klebung dem Klima und der UV-Strahlung ungeschützt ausgesetzt ist. Vor allem die UV-Strahlung kann Verklebungen innerhalb kürzester Zeit zerstören.

Klebstoffe der Silikon-Gruppe sind sehr elastisch und daher nicht ideal für eine steife Verklebung, sie sind jedoch sehr dauerhaft gegenüber Klima- und UV-Einflüssen. Andere Klebstoffe (Zweikomponenten Acryl und Zweikomponenten Polyurethan und Acryl Methylmethacrylat) ermöglichen steifere Verklebungen – ihre Widerstandsfähigkeit gegenüber der UV Strahlung und den Wettereinflüssen ist jedoch mangelhaft. Der ideale Klebstoff für das Verkleben von Glas und Profil wäre natürlich derjenige, der die hervorragenden Eigenschaften dieser beiden Klebstoffgruppen (die Dauerhaftigkeit der Silikone und die mechanischen Eigenschaften der auf Acryl-basierenden Gruppe) vereinigen würde. Dieser Klebstoff existiert jedoch nach Erkenntnissen des Autors nicht.

Geometrie des neuen Flügels

Die optimale Flügelgeometrie in Bezug auf ihr thermisches und mechanisches Verhalten wurde durch iteratives Berechnen und Prüfen ermittelt. Das thermische Verhalten wird durch den U-Wert des Rahmens sowie durch dessen Größe bestimmt, während das mechanische Verhalten des Systems mittels der -Methode modelliert wurde. Diese Methode erlaubt die Ermittlung der Biegesteifigkeit (EIeff) einer aus verschiedenen Materialien bestehenden Konstruktion zu bestimmen. Nach theoretischer Berechnung der möglichen Lösungen wurden Prototypen aus Buche mit Flügelquerschnitt 55/55 mm und Rahmenquerschnitt 70/80 mm hergestellt. Für die Fixierung der Verglasung außen wurden Glasfaserkunstoffprofile (GFK) von Fiberline verwendet.

Drei zweiflügelige Prototypfenster mit den Maßen 1,63 m x 2,18 m wurden hergestellt. Die Verglasung wurde mit unterschiedlichen Klebstoffen durchgeführt.

Drei Versuchsanordnungen fanden statt: Zuerst wurde der Wärmeübertragungskoeffizient des Fensters (Uw-Wert) bewertet und berechnet. Danach wurde die Stabilität der Prototypfenster bei ungleichem Temperaturverlauf untersucht. Diese Versuchsanordnung simuliert das Vorhandensein ungleicher Temperaturen beim Fenster und misst die Krümmung der Konstruktion in der Mitte der Verglasung.

Im Anschluss wurden 4-Punkt-Biegeversuche an den Fensterflügeln unternommen.

Was kam heraus?

Es ergibt sich ein Uw-Wert von 0.88 W/(m2K) (bei Ug–Wert von 0,6). Ein Wert der mit hochqualitativen Holz/Metall-Fenstersystemen vergleichbar ist. Bemerkenswert ist auch der schlanke Rahmen des Systems.

Dass die Stabilität des Fenstersystems kaum abhängig vom verwendeten Klebstoff ist, wurde bei den Versuchen in der Klimakammer bestätigt. Die festgestellte maximale Verformung (bei -20°C) ist mit 2 mm absolut tolerierbar. Für Flügel, die mit den elastischeren Silikonklebstoffen verklebt wurden, wurden Verformungen von 1,6 mm bei -20 °C gemessen.

Die Resultate der Biegeversuche hängen vom Verschiebungsmodul des Klebstoffs ab. Der elastischste Klebstoff (Sikasil IG 25 HM) erreicht im Fenstersystem einen Wert, der 1,5 mal besser ist als dasselbe System ohne Verklebung und ohne Kunststoffprofil. Der beste Wert des Fenstersystems wird mit dem am wenigsten elastischen Klebstoff (SikaForce 7888 L10) erreicht. Damit erreicht der außenseitige verklebte Flügel die 1,9-fache Steifigkeit des Flügels ohne verklebtes Glas und ohne Profilleiste.

Folgende Schlussfolgerungen können aus dem Projekt gezogen werden:

  • Es gibt momentan keinen erhältlichen Klebstoff der Steifigkeit und Dauerhaftigkeit bezüglich des Wetters und der UV-Strahlung vereint.
  • Der einzige Klebstoff für die erforderliche Anwendung ist auf Silikon basiert. Trotz seiner Flexibilität erhöht solch ein Klebstoff die Steifigkeit des Fensters beträchtlich.
  • Bei der Herstellung der Prototypen wurden keine Probleme entdeckt. Allerdings müssen einige Details, wie zum Beispiel die Dichtigkeit der GFK Winkelprofile, gründlich überprüft werden.
  • Der Flügelquerschnitt wurde mit 55 mm relativ groß gewählt, um die Beschläge im Holz befestigen zu können. Eine Verkleinerung dieses Flügelquerschnittes wäre denkbar bei gleichzeitiger Integration der Beschläge in das GFK Winkelprofil.
  • Die vorgestellte Lösung verlangt keine kostspieligen Infrastrukturinvestitionen beim Fensterbauer. Als Alternative wäre auch eine Lösung, bei welcher der Isolierglashersteller das GFK Winkelprofil auf die äußere Scheibe klebt, denkbar. Die Verglasung mit verklebtem GFK Winkelprofil wird danach vom Fensterhersteller auf den entsprechenden Flügel fixiert. Die Verklebung wird auf alle Fälle in industriellen Räumlichkeiten ausgeführt, wo die Qualität kontrolliert und gesichert werden kann.
  • Das Problem der Reparatur zerbrochener Scheiben konnte eliminiert werden. Mit dem hier vorgestellten System muss zukünftig nur noch die Verglasung und das Profil ausgewechselt werden.

Diese Versuche haben das Potenzial des hier vorgestellten verklebten Fenstersystems aufgezeigt.

Die nächste Etappe dieser Entwicklungsarbeit für ein verbessertes verklebtes Holzfenstersystem erfordert die Durchführung von weiteren Versuchen, besonders bezüglich dem Verhalten der Klebstofffuge.

In einem nächsten Schritt muss das neue Fenstersystem zur Marktreife gebracht werden.—

Marc Donzé

Die Windays

Der Autor des Beitrags Marc Donzé ist wissenschaftlicher Mitarbeiter an der Berner Fachhochschule. Er wird diese Idee auf den windays, die am 19. und 20. März 2015 wieder im Kongresshaus Biel in der Schweiz stattfinden, präsentieren.

Diese Veranstaltung, die die GLASWELT als Medienpartner unterstützt, ist die bedeutendste Fachtagung der Fenster- und Fassadenbranche in der Schweiz mit dem Ziel, den wissenschaftlichen Erfahrungsaustausch zu fördern, einen umfassenden Einblick in den Markt zu geben und eine Plattform für Diskussionen rund um das Thema Fenster und Fassade zu schaffen.

Veranstalter: Berner Fachhochschule Architektur, Holz und Bau (BFH-AHB)

Informationen und Anmeldung: Nadine Aeschlimann, +41 32 344 02 09, nadine.aeschlimann@bfh.ch

http://www.ahb.bfh.ch

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