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Interview mit Andreas Mader

ISO-Randverbund ersetzt den Flügelrahmen

Glaswelt – Wie haben die glasstec-Besucher auf MEM4WIN bzw. auf das 4-fach-ISO reagiert?

Andreas Mader – Den von uns präsentierten Lösungen hat die Fachwelt ein großes Interesse entgegengebracht. Die eigentliche Herausforderung bei dem 4-fach-Aufbau ist es ja, wie die Klimawechsellasten bei einer Paketdicke von 70 mm bewältigt werden können.

Die gezeigten Lösungsansätze im Randverbund – in Verbindung mit Dünnglas – konnten von den Experten sehr gut nachvollzogen werden.

Glaswelt – Es gibt bereits 4-fach-Einheiten mit solchen Ug-Werten. Worin unterscheidet sich der Ansatz von MEM4WIN?

Mader – Wir setzen vorgespanntes Dünnglas ein unter Verwendung von breiten Luftzwischenräumen; dies ermöglicht den Einsatz von Argon-Gas anstelle von Krypton.

Neu sind ebenfalls die Befestigungsmöglichkeiten der Beschläge im Randverbund. Diese Kombinationsmöglichkeiten, auch in Verbindung mit den Kapselungssystemen der funktionalen Gläser, bringen uns eine entsprechende Senkung des Primärenergieverbrauchs bei der Herstellung des Isolierglas-Elements. Und das führt wiederum zu einem optimierten „CO2 Fußabdruck“.

Mit diesen neuen Möglichkeiten konnte der Klimawechsel laut DIN EN 1279-3 vom ift Rosenheim erfolgreich getestet werden.

Glaswelt – Wie sieht es bei dem 4-fach-Glas mit der optischen Qualität aus, diese ist für Architekten wichtig. Wie lösen Sie es, dass keine optischen Verzerrungen auftreten?

Mader – Durch Temperaturschwankungen kommt es generell zu optischen Verwerfungen in der Fassade. Mit dünnen Gläsern als Membrane lenkt man die durch Volumenänderungen hervorgerufene Verwerfungen an die Raumseite (Gebäudeinnenseite) der ISO-Einheit. Die äußere Scheibe ist aufgrund der Windlast entsprechend stärker zu dimensionieren. Die Formstabilität einer Glasscheibe ändert sich zum Quadrat der Dicke, d. h. wenn wir die Glasdicke der Membranen gegenüber der Außenscheibe halbieren können, haben wir bereits den vierfachen Effekt.

Glaswelt – Bei einer Paketdicke von rund 70 mm, bekommen Sie da nicht Gegenwind von den Profilherstellern?

Mader – Das Projekt ist nicht gegen die Profilhersteller gerichtet, sondern soll die Möglichkeit aufzeigen, dass ein höherer Querschnitt auch für die gesamte Statik des Flügels von Vorteil ist. Wie bereits angesprochen, auch hier potenziert sich die Steifigkeit mit der Paketdicke. Nebenbei gesagt ist es nicht zwingend erforderlich, dass die maximale Paketdicke ausgereizt wird

Glaswelt – Die Gewichtsreduktion erzielen sie ja nicht nur durch den Einsatz von Dünnglas, sondern auch indem Sie ohne einen Flügelrahmen auskommen. Wie geht das?

Mader – Durch die entsprechende Ausführung des Randverbunds kann der Beschlag direkt an der Isolierglaseinheit befestigt werden. Wesentlich dabei ist, dass die innen liegenden Membran-Scheiben im Randverbund nicht nach außen ragen. Unter diesen Voraussetzungen kann man den Flügelrahmen weglassen.

Glaswelt – Welchen Nutzen können Fassadenbauer aus der neuen Lösung mit dem öffenbaren, rahmenlosen Flügel ziehen?

Mader – Wenn für öffenbare Flügel kein Flügelrahmen erforderlich ist, ergibt das ein einheitliches Erscheinungsbild in der Fassade. Und genau darauf legen Architekten in der Regel großen Wert. Wie auf der glasstec gezeigt, wird das Fassadenbild durch das parallele Ausstellen des Flügels am wenigsten gestört.

Die Verglasung mit Ug-Wert von 0,3 W/(m²K) ist vom Dämmwert her vergleichbar mit einer gut gedämmten Wand. Weiter bietet 4-fach-Glas wesentlich mehr Kombinationsmöglichkeiten von Funktionen und Beschichtungen in der ISO-Einheit.

Glaswelt – Bezieht sich das auch auf den Sonnenschutz, um die Glasfassade vor sommerlicher Überhitzung zu schützen. Was haben Sie sich dazu überlegt?

Mader – Als Mitglied des Projektteams arbeitet die Universität Kassel an Mikrospiegeln. Diese in der ISO-Einheit untergebrachten Spiegelelemente sind schaltbar. Damit lässt sich die Stärke der Sonneneinstrahlung anpassen.

Ebenso lässt sich das einfallende (Sonnen-)Licht in die Raumtiefe lenken, was wiederum hilft die künstliche Beleuchtung im Raum dahinter zu reduzieren. Beides bedeutet einen wesentlichen Beitrag zur Energieeinsparung.

Glaswelt – Die Fassade der Zukunft soll auch Energie gewinnen. Dazu haben Sie auf der glasstec zwei Vorschläge präsentiert, bitte erläutern Sie das für unsere Leser.

Mader – Hierbei werden einmal semitransparente OPV-Zellen (Solarzellen) zur Stromgewinnung mit der neuen Kapselungstechnologie von Lisec einlaminiert. Die OPV-Zellen kommen von Projektpartner Belectric.

Bei der zweiten dieser Lösungen haben wir die Solarthermiekollektoren von Energy Glas im Parapethbereich integriert. Diese passen ebenfalls sehr gut in das Fassadenbild und stellen aufgrund der Integrationsmöglichkeit der Leitungen in die Fassadenkonstruktion eine zukunftsweisende Technologie dar.

Glaswelt – Sind die Kosten bereits abschätzbar? Haben Sie schon eine Vorstellung, wie hoch der Quadratmeterpreis sein wird?

Mader – Grundsätzlich entscheiden die späteren Kunden, welche der vorhin aufgezeigten Funktionen genützt werden und wie viel dafür bezahlt wird. Im Zuge dieses Projekts hat die Uni Kassel berechnet, dass sich der Einbau einer zusätzlichen Glasmembran durch Einsparung von Heizenergie bereits nach einem Jahr energetisch amortisiert.

Diese Berechnungsergebnisse hängen natürlich wesentlich von der verwendeten Glasdicke für die Membran-Scheibe ab. So können z. B. beim Einsatz von 2 mm Glas im Vergleich zu 4 mm Glas die Transport- und Lagerkosten halbiert werden.

Glaswelt – Wann werden die ersten MEM4WIN-Scheiben am Markt erhältlich sein?

Mader – Dieses Forschungsprojekt zeigt bereits zwei Jahre vor Abschluss auf, welches Potenzial mit diesen neuen Ansätzen im Randverbund und bei den Membran-Scheiben steckt: Denn damit ist bei dem 4-fach-ISO ein Ug-Wert von 0,3 W/(m²K) möglich. Dazu kommen 50 Prozent Gewichtsreduktion, unter anderem bedingt durch einen rahmenlosen Öffnungsflügel. Weiter rechnen wir mit einer energetische Amortisation innerhalb eines Jahres.

Diese Ansätze können bereits heute schon in 3-fach-Isolierglas Anwendung finden. Basierend auf diesen Forschungsergebnissen können die Isolierglashersteller in den nächsten Jahren entsprechende Produktinnovationen auf den Markt bringen.—

Die Fragen stellte Matthias Rehberger.

Ziele und Fakten zum MEM4WIN 4-fach-ISO

Ziele des MEM4WIN Forschung-Projekts sind es, mit dem 4-fach-Isolierglas folgende Werte und Optimierungen zu erreichen:

  • U<sub>g</sub>-Wert von 0,3 W/(m²K).
  • 50 Prozent Gewichtsreduktion.
  • Öffenbarer Flügel ohne Rahmen, die Beschläge des Öffnungsflügel werden im ISO-Randverbund verankert.
  • Energetische Amortisation innerhalb eines Jahres.

Die Lisec Austria GmbH koordiniert das internationale Forschungsprojekt.

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