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Ein Sachverständiger berichtet aus seiner Praxis

Bitte Prüfzeugnisse wörtlich nehmen

_ Jedes Jahr neue Rekorde: Die hohen Einbruchfallzahlen steigern sich auch 2014 erneut. Auf der anderen Seiten bietet die Industrie immer neuere, bessere, sicherere Maßnahmen an, um solche Taten zu verhindern. Und die Medien tun ihr übriges, diese Einbruchschutzmaßnahmen auch entsprechend zu publizieren. Dennoch könnte man fast meinen, dass sich die Bevölkerung nicht dafür interessiert – jedenfalls bleiben die Absatzzahlen der Präventionsmaßnahmen am Fenster und an der Tür vielfach unter den Erwartungen.

Aus den von uns zahlreich begutachteten Schadensfällen wissen wir jedoch, dass Personen, die einen Einbruchsdiebstahl in ihre Wohnung, ihr Haus oder ihre Firma erleiden mussten, psychisch und materiell sehr stark gebeutelt wurden. Im Wohnungssegment ziehen Fallweise Bewohner um, Hausbesitzer verkaufen ihre Immobilie oder investieren nach dem Einbruchsdelikt unverhältnismäßig hohe Beträge in ihre Sicherheit, dass selbst der tägliche Gebrauch eingeschränkt wird. Fest steht jedoch, dass jede Maßnahme nach einem Einbruchdiebstahl das vorangegangene Ereignis nicht ausbügeln kann.

Wir leben in einem Land, das für alles und jedes Vorschriften hat. Allem voran zu nennen sind die Brandschutzvorschriften, die detailliert beschreiben, wie Türen und Fenster, Fluchtwege, usw. auszusehen haben und wie sie entsprechend eingebaut werden müssen. Dieser Schutz vor Feuer ist in den Köpfen der Menschen angekommen, vielleicht auch weil es beispielsweise eine Pflicht zur Installation von Rauchmeldern gibt. Bedauerlicherweise ist bis jetzt noch niemand auf die Idee gekommen, dem Einbruchschutz den gleichen Stellenwert einzuräumen und eine derartige Verordnung zum Schutz des Eigentums zu schaffen.

Es kann doch nicht sein, dass im öffentlichen Bereich eine Tür mit einer Notentriegelung gefordert wird und es gleichzeitig die Möglichkeit gibt, mit einfachsten Mitteln von der Außenseite her eine solche Tür zu überwinden, weil sie eben gemäß den Brandschutzverordnungen nicht gegen Einbruch oder unberechtigten Zutritt gesichert ist.

In unserer täglichen Praxis müssen wir darüber hinaus feststellen, dass die Planer oft nicht über genügendes Detailwissen verfügen, wie Einbruchschutz aussehen kann. Im Bereich der Haustechnik werden von Architekten entsprechende Fachplaner für diesen Bereich hinzugezogen – warum nicht beim Einbruchschutz?

Aus unserer Sicht zeichnet es einen guten Fachplaner aus, wenn er sich für spezielle Fachgebiete einen Spezialisten zu Hilfe nimmt. Sachverständige können hier wertvolle Unterstützung bieten und Sicherheitskonzepte erstellen.

Formulierungsblödsinn „in Anlehnung an“?

Architekten formulieren wider besseres Wissen in Ausschreibungen oder Leistungsverzeichnissen teilweise sogar mit Bezugnahme auf die (alte) Norm DIN V ENV 1627 – 1630 oder auf die aktuelle DIN EN 1627 – 1630 eine Einbruchshemmung in „Anlehnung“ an eine RC-Sicherheitsabstufung. Solche Bezeichnungen wie beispielsweise „einbruchhemmendes Fenster in Anlehnung an WK/ RC“ oder „Fensterbeschlag in Anlehnung an WK/ RC“ sind fachlich falsch. Auch ein neuer PKW in Anlehnung an ein Flugzeug kann nicht fliegen! Wenn ein einbruchhemmendes Bauteil gefordert bzw. auch ausgeschrieben wird, dann muss die Leistung klar definiert und beschrieben sein. Bezeichnungen und Formulierungen wie „in Anlehnung an“ oder „ähnlich“ sind keine klaren Definitionen und führen, wie im nachfolgenden Fall beschrieben, zum Streit.

Der Fensterbauer ist hinterher der Gekniffene

Ein Kunde bestellt einen Fensterbaubetrieb zu seinem Haus, mit der Bitte, ihm die Fenster auszutauschen. Der Fachbetrieb nimmt Aufmaß, berät den Kunden in seiner Ausstellung und der Auftrag wird formuliert. Im Anschluss liefert und montiert er die Fenster. Im Detail wurde ein Holz-Aluminium-Fenster verkauft mit einbruchhemmenden Leistungseigenschaften nach DIN V ENV 1627-1630 in der Sicherheitsklasse WK2 unter Berücksichtigung, dass lediglich ein Fensterbeschlag in der Klasse WK2 verwendet werden würde. Der Kunde gab letztendlich an seine Versicherung die Information weiter, dass er neue Fenster im Haus erhalten hat, die gemäß des Leistungstextes des Fensterbauers der einbruchhemmenden Klasse WK 2 nach DIN V ENV 1627-1630 entsprächen und auch der Beschlag dementsprechend ausgebildet wäre.

Ein gutes Jahr später fand ein Einbruch in diesem Haus statt. Der von der Kriminalpolizei damals bezifferte Gesamtschaden betrug 30 000 Euro. Aber: Der verantwortliche Schadensregulierer der Versicherung kam zu dem Entschluss, dass kein einbruchhemmendes Fenster vorliege, wie von dem Fensterbauer in der Auftragsbestätigung angegeben sowie auch von dem Endkunden an die Versicherung weitergegeben.

Unser Sachverständigenbüro wurde durch die Versicherung hinzugezogen mit der Bitte, die Sachlage und die Definition bzw. die eigentlichen Leistungseigenschaften des Fensters hinsichtlich der Einbruchhemmung und den damit verbundenen Prüfnachweisen festzustellen.

Im Rahmen unserer Recherche und Gutachtenerstellung wurde deutlich: Der Fensterbaubetrieb wurde auf Basis eines Cascading-ITTs seines Beschlaglieferanten theoretisch in die Lage versetzt, einbruchhemmende Fenster nach damaliger Norm DIN V ENV 1627-1630 herzustellen und zu montieren. Unabhängig davon, dass der Fensterbaubetrieb selbst im Detail die Inhalte des ITT nicht umgesetzt hatte, kam erschwerend hinzu, dass die Montage nicht den Bestimmungen entsprach: In der ITT gab es einen gekoppelten Verweis auf die Einhaltung der Montagerichtlinien aus der Norm sowie aus dem RAL Leitfaden zur Montage (damals Ausgabe 2010).

Schlimmer noch: Eine umlaufende sowie lastabtragende Befestigung am Baukörper war aufgrund der baulichen Gegebenheiten und den damit darüber befindlichen mauerwerksseitigen Rollladenkästen gar nicht möglich. Des Weiteren stimmte die nach Norm festgesetzte Druckfestigkeit des angrenzenden Mauerwerks nicht mit den normativen Vorgaben überein.

Im Ergebnis ist dann der Sachverhalt eingetreten, dass die Versicherung den Schaden nicht reguliert hat und der Versicherungsschutz seitens der Versicherung gekündigt wurde. Ein Gerichtsverfahren zwischen dem Hausbesitzer und dem Fensterbauer wurde angestoßen.

Welche Schlüsse können gezogen werden

Der Fensterbauer war der hundertprozentige Fachplaner für sein Gewerk und schuldet letztendlich auch den hundertprozentigen Erfolg. Im Detail hätte der Mitarbeiter des Fensterbauers, der die Beratung durchgeführt hat, darauf hinweisen müssen, dass die Montage eines einbruchhemmenden Fensters aufgrund der örtlichen Gegebenheiten (Anbindung zum Mauerwerk) nicht möglich ist. Des Weiteren hätte er im Rahmen seiner Fachkenntnis auch unter besonderen Vergütungsansprüchen darauf hinweisen müssen, dass eine gesonderte Fachplanung zu erfolgen hat.

Derzeit beraten wir unterschiedlich große Fensterbaufirmen, die sich im Bereich der Einbruchhemmung weiterentwickeln. Unsere Empfehlung ist dabei immer, sich reiflich zu überlegen, ob der Bereich der Einbruchhemmung für das Unternehmen die richtige Fokussierung ist. Wenn man sich auf die Herstellung von Standard-Fensterns eingerichtet und konzentriert hat und dahingehend seine Fachkompetenz besitzt, so ist es nicht einfach damit getan, eine Prüfung zu absolvieren. Noch weniger Sinn macht die bloße Verwendung verschiedener einbruchhemmender Komponenten, um dann zu behaupten, dass damit ein einbruchhemmendes Fenster vorliege.

Einbruchhemmende Fenster bis zur Widerstandsklasse RC 2 sind vielleicht für einen Herstellungsbetrieb die kleinere Hürde. Die darüber liegenden Klassen RC 3 bis RC 6 stellen jedoch in der jeweiligen Abstufung eine Kompetenzerhöhung von mindestens 80 – 90 Prozent voraus. Hinzu kommt, dass die Entwicklung der einzelnen Komponenten, die in einbruchhemmenden Fenstern verbaut werden, schnell vorangeht und nicht nur die Stabilität sondern auch die bauphysikalischen Aspekte, die der Einsatz von unterschiedlichen Materialkombinationen mit sich bringt, im Detail berücksichtigt werden müssen.

Wichtig ist, in den Geschäftspapieren klar zu formulieren, welche einbruchhemmende Eigenschaften das zu liefernde Produkt hat. Sollte ein Kunde zu Ihnen kommen, der lediglich den Beschlag mit einbruchhemmenden Wirkungen haben möchte, so formulieren Sie das auch entsprechend. Vermeiden Sie in jedem Fall Bezeichnung wie „in Anlehnung an RC 2“, „RC 2 ähnlich“, „Beschlag RC 2“ oder sonstige Dinge. Zu achten ist immer auch auf die Kombinationen von Einbruchhemmung, energetischen Anforderungen, Brandschutz und Flucht- und Panikvorgaben z. B. bei öffentlichen Gebäuden. Es kommt durchaus vor, dass die Leistungseigenschaft „Einbruchwiderstand“ im Gegensatz zum Brandschutz steht. Und: Zögern Sie nicht, in Spezialfragen auch erfahrene Fachleute hinzuzuziehen. —

Der Autor

Alexander Dupp ist öbuv. Sachverständiger für das Tischlerhandwerk mit Schwerpunkt Fenster und Türen, Sicherheitstechnik sowie das Rollladen- und Sonnenschutztechniker-Handwerk. Er wird geführt auf der Errichterliste für mechanische Sicherungs-einrichtungen des Landeskriminalamts Rheinland Pfalz und Hessen. Daneben ist er in verschiedensten Verbänden und Institutionen im Bereich der Normung sowie Entwicklung, im Besonderen der Einbruch- und Beschusshemmung, auf europäischer Ebene tätig.

www.sachverstaendiger-tischler.de

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