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Textile Elemente im Glas von der Sonne gesteuert

Elegant gelöste Verschattung

_ Das Heizen, Kühlen und Lüften von Wohnhäusern, Büroimmobilien und öffentlichen Bauten ist kostenintensiv. Einen hohen Verbrauch haben gerade ältere Bürogebäude mit großflächigen Glasfassaden, wenn sie im Sommer klimatisiert werden müssen.

Um den Energieverbrauch zu senken, entwickeln Forscher vom Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU in Dresden gemeinsam mit dem Fachgebiet Textil- und Flächen-Design der Weißensee Kunsthochschule Berlin neue Fassadenkomponenten, die autark auf Sonneneinstrahlung und die dadurch entstehende Wärme reagieren. Diese Systeme verbrauchen im Betrieb keine Energie. „Wir benötigen keinen Strom, sondern nutzen ausschließlich die Wärmeenergie der Sonne, um das Verschattungselement zu steuern“, so André Bucht vom IWU.

„Bei diesem Projekt war die Herausforderung, innovative Technik mit Gestaltung zu vereinen“, ergänzt Prof. Christiane Sauer von der Weißensee Kunsthochschule. „Wenn Gestalter und Wissenschaftler zusammenarbeiten, lassen sich zukunftsweisende Wege für intelligente Gebäudehüllen erschließen.“ Um die Wirkungsweise des Systems zu veranschaulichen, wurde ein Demonstrator entwickelt, der auf einem Entwurf der Designstudentin Bára Finnsdottir basiert. Er besteht aus einer Matrix von 72 einzelnen textilen Bauteilen, die wie Blüten aussehen. In die textilen Module integriert sind sogenannte Formgedächtnisaktoren.

Selbstregulierendes System

Bei diesen Formgedächtnisaktoren handelt es sich um dünne, 80 mm lange Drähte aus einer Nickel-Titan-Legierung, die sich an ihre Ausgangsform „erinnern“, wenn sie erhitzt werden. Erwärmt sich die Fassade durch die auftreffenden Sonnenstrahlen, werden diese Drähte aktiviert. Sie ziehen sich zusammen und öffnen dadurch geräuschlos die textilen Komponenten.

Die offene Fläche des Fassadenelements schließt sich dadurch und das Sonnenlicht kann nicht in den Raum eindringen.

Verschwindet die Sonne hinter den Wolken, schließen sich die Elemente und die Fassade ist wieder transparent. Dieser Effekt beruht auf einer besonderen Gitteranordnung im Werkstoff. „Verbiegt man den Draht, behält er die Form. Erwärmt man ihn, erinnert er sich an die ursprüngliche Gestalt, die er vor dem Verbiegen hatte, und nimmt sie wieder ein. Man kann sich das Fassadenelement als Membran vorstellen, die sich den tages- und jahreszeitlichen Witterungsbedingungen anpasst und für jeden Sonnenstand den optimalen Schatten bietet“, erklärt Bucht.

Der für großflächige Verglasungen konzipierte Sonnenschutz wird wahlweise an der äußeren Fensterscheibe oder im Zwischenraum einer mehrschichtigen Klimafassade angebracht.

Die neuartige Struktur lässt sich problemlos nachinstallieren und bietet vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten, so die Entwickler. Sowohl Muster, Geometrie als auch Farbe der einzelnen Bauteile lassen sich einstellen.

„Beispielsweise könnten Dreiecke, Waben und runde Formen umgesetzt werden. Darüber hinaus lassen sich einzelne Bereiche einer Scheibe individuell verschatten – etwa nur die linke obere Fläche. Auch an gekrümmte Glasflächen passt sich die Membran an. Wir sind in der Lage, uns beim Design von der Gebäudeform zu lösen“, unterstreicht der Forscher.

Die Vielfalt der Gestaltungsvarianten präsentierten André Bucht und sein Team auf der Hannover Messe. Die Besucher konnten dort die Sonnenschutzelemente für die Fassade mit einer eigens entwickelten App aktiv via Tablet-Computer steuern.

Die Entwicklung geht weiter

Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler zusammen mit Industriepartnern verschiedene Prototypen für Privat- und Bürogebäude entwickeln, die in Langzeituntersuchungen an einem Einfamilienhaus sowie am Institutsgebäude getestet werden sollen.

„Unter anderem müssen wir die textilen Elemente so stabil konstruieren, dass sie allen Witterungsbedingungen standhalten“, beschreibt Bucht die nun anstehenden Forschungsarbeiten. Geplant sind sowohl Versionen für den Neubau als auch Varianten, um Altbauten mit dem Sonnenschutzsystem nachzurüsten. Mitte 2017 sollen die Systeme marktfähig sein.

Doch die Forscher haben noch weitere Ideen für die Fassaden der Zukunft: Angedacht ist, das Fassadenelement mit zusätzlichen klimatischen Funktionen wie einer schaltbaren Wärmedämmung auszustatten. „Man könnte mit entsprechenden Materialien die Wärme der Sonne speichern und bedarfsgerecht, etwa in der Nacht, zum Heizen an die Innenräume abgeben.

Denkbar ist darüber hinaus, die Blüten mit verformbaren, organischen Solarzellen zu beschichten, um so Strom zu produzieren, der im Gebäude genutzt werden kann“, so Forscher André Bucht.—

www.iwu.fraunhofer.de

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