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Sanierungsprojekte ohne böses Erwachen

_ Die Erfahrung aus vielen Gutachten und Baubegleitungen zeigt, dass zwischen den drei Grundsätzen zur Ausführung

  • vertragsgerecht, d. h. Einhaltung und Gewährleistung der vereinbarten Beschaffenheit,
  • fachgerecht, d. h. fach- und anforderungsgerechte technische Umsetzung,
  • kostengerecht d. h., optimierter Material- und Arbeitsaufwand

ein sehr fragiles Gleichgewicht besteht.

Die Veränderung der Außenwand und der Fenster im Rahmen einer Gebäudesanierung greift stets in das über lange Jahre eingespielte System aus Gebäude und Nutzer ein. Vielfach kommt es durch falsche Erwartungshaltungen, nicht passende Elemente oder Werkstoffe und fehlerhafter Ausführung zu erheblichen Mängeln oder Schäden, welche den Sinn der gesamten Sanierungsmaßnahme in Frage stellen können.

Halbe Sanierung = ganze Palette von Problemen

Speziell bei privaten Bauherren besteht der Wunsch, dass der Fensteraustausch ohne größere Beschädigungen und ohne umfangreiche zusätzliche Baumaßnahmen durchgeführt wird. Von manchen Werbekampagnen sind diesbezügliche Aussagen wie „Fenstertausch ohne Schmutz“ bekannt, die diese Erwartungshaltung unterstützen.

Zur fach- und anforderungsgerechten technischen Umsetzung gibt es eine Reihe von Regelwerken, die baurechtlich eingeführt sind. Dazu zählen beispielsweise

  • DIN 4108,
  • DIN 4109,
  • die EnEV und
  • DIN 1946-6 („Lüftungsnorm“).

Damit sind nahezu alle Anforderungen an die Montage der Bauelemente, an geplante Lüftungskonzepte etc. verbindlich vorgegeben. In der Praxis zeigt sich, dass diese Anforderungen bei Altbauten

  • mit den damals verwendeten Baustoffen,
  • mit den verbauten zusätzlichen Elementen wie Fensterbänken und Rollladenkästen,
  • in der bestehenden Einbaulage in der Wand

ohne zusätzliche Baumaßnahmen so gut wie nie vollständig erfüllbar sind.

Die Ausführung aller erforderlichen Maßnahmen zur Vermeidung von Wärmebrücken, zur Umsetzung eines Lüftungskonzepts usw. werden von vielen Bauherren nicht vollständig beauftragt/ausgeführt.

Damit bleibt die Sanierungsmaßnahme unvollständig und ist anfällig hinsichtlich Tauwasser- und Schimmelpilzproblemen; die Zusammenhänge sind in Bild 1 dargestellt.

Diese Zusammenhänge müssen bei der eingehenden Analyse des Gebäudes beachtet und bei einer seriösen Beratung des Bauherren verdeutlicht werden.

In Bild 2 ist eine Fenstersanierung mit dem Ansatz eines „minimalinvasiven“ Austauschs dargestellt. Die Demontage des alten Fensters ist dabei erstaunlich gut gelungen. Dennoch sind diverse Punkte erkennbar, die den Einsatz eines neuen Fensters an dieser Stelle ohne zusätzliche Maßnahmen als nicht sinnvoll erscheinen lassen. In derselben Baumaßnahme sind auch Rollladenkästen vorhanden, die beibehalten werden sollen, was in der Zukunft erhebliche Probleme erwarten lässt (Bild 3).

Mögliche Maßnahmen für diesen Fall:

  • Fenster zur Raumseite verlagern, Laibungsdämmung außen vorsehen,
  • äußere Fensterbank und deren Abdichtung erneuern, damit auch thermische Trennung optimieren,
  • Putz aus dem Laibungsbereich abtragen,
  • Lüftungskonzept ist vom Ausführenden zu planen und umzusetzen (DIN 1946-6),
  • Beibehaltung des Rollladens in der jetzigen Form nicht sinnvoll, daher z. B. Rollladenkasten demontieren, angepasste Fenster mit Vorsatzrollladenkasten vorsehen.

Ergebnis:

  • Sicherheit bzgl. Schimmelpilz- und Tauwasservermeidung erhöht;
  • Energieverluste über Wärmebrücken an das Fenster angemessen angepasst;
  • dichter Fensterbankanschluss vorgesehen;
  • Luftdichtheit im Bereich des Rollladens hergestellt.

Das eigentliche Ziel, deutliche Energieverbrauchs-Einsparungen für das Gebäude ohne Tauwasser und Schimmelpilzprobleme zu erreichen, ist also nur mit einem umfassenden Sanierungskonzept erreichbar.

Sanierungsziele aus der 2. Reihe

Vordergründig ist die zukünftige Energieeinsparung das einzige wesentliche Argument für die Fenstersanierung. Doch bei genauerer Überlegung wird deutlich, dass die eigentlichen Auslöser für die Sanierungsentscheidung nur bedingt mit der Energieeinsparung durch neue Fenster zu tun haben. Die Situation bei alten Fenstern ist geprägt durch:

  • visuell auffällige Mängel an den Fenstern (Rahmenoberflächen, blinde Isoliergläser, fehlende Reinigungsfähigkeit),
  • mechanische Mängel (schwergängige Bedienung, kaputte Beschläge und fehlende Ersatzteile),
  • geringes Komfort-Niveau (Schallschutz, Sicherheitsgefühl, „zugig“),
  • Wartung, Pflege und Instandhaltungsmaßnahmen in kurzen Intervallen.

Dazu kommt vielfach, dass sich während der Lebenszeit des Fensters auch die Nutzungsumstände geändert haben: War die Wohnung früher das Heim für eine ganze Familie, nutzt nun vielleicht ein „Best-Ager“-Paar mit anderen Bedürfnissen die Fenster. Parallel dazu können sich durch die bauliche Veränderung des Umfelds neue Anforderungen ergeben haben.

Erfüllen die neuen Fenster die eigentlichen Beweggründe für die Sanierung nicht, kommt es in der Regel schnell zu Reklamationen. Die Eigenschaften wie leichte Bedienbarkeit, Schalldämmung o. Ä. sind nämlich vom Nutzer unmittelbar selbst wahrnehmbar. Ähnliches gilt für die Mängel und Zusammenhänge aus dem Sanierungsaspekt „Tauwassersicherheit“.

Dagegen ist die Energieeinsparung über die Heizkostenabrechnung in Verbindung mit Schwankungen der Witterung wenn überhaupt nur zeitverzögert und indirekt erlebbar.

Zur Beschreibung des Fensters existiert jenseits des U-Werts eine große Anzahl weiterer Eigenschaften in der Produktnorm EN 14351-1. Mithilfe dieser Klassen und Werte können Fenster spezifiziert und an den Einsatzzweck angepasst werden. In der Praxis fällt auf, dass davon jedoch höchst selten Gebrauch gemacht wird.

Für die Planung der neuen Fenster ist auch eine Überprüfung der Fensterteilung notwendig.

Je nach konkreter Situation kann sowohl das Beibehalten als auch das Ändern der Fensterteilung zu Problemen führen: Nachdem Dreifach-Isoliergläser Standard geworden sind, sind hohe Flügelgewichte überall ein Thema.

Fensterteilungen, die früher mit einfachen, aber robusten Beschlägen und Zweifachgläsern zu bewerkstelligen waren, können nicht ohne Weiteres 1 : 1 umgesetzt werden. Dies gilt umso mehr, wenn zusätzliches Gewicht durch dickere Scheiben bei Sicherheits- und Schallschutzgläsern im Spiel ist.

Auch können bei Anforderungen an die leichte Zugänglichkeit und Bedienung – Stichwort „Barrierefreiheit“ – nur kleinere Fensterflügelformate sinnvoll genutzt werden, falls nicht auf aufwendige Antriebe zurückgegriffen wird. Der Rückgriff auf die beschriebenen Klassen und die zugrundeliegenden Prüfungen gibt auch Aufschluss bzgl. der Flügelformate und -gewichte.

Sanierungsziele definieren

Eine Fenstersanierung hat stets Auswirkungen auf das Gebäude, aber auch auf den Nutzer. Hier gilt es zunächst die Sanierungsziele in ihrer Gesamtheit zu formulieren. Eine eingehende und seriöse Beratung durch Fachleute wäre dafür Pflicht.

Der Auswahl der richtigen Fenster, Analyse und Planung der Zusammenhänge bzgl. Lüftung und Einbau und der richtigen handwerklichen Ausführung kritischer Details kommen große Wichtigkeit zu.

Sanierungen nur nach dem Motto „Aus Alt mach Neu“ bergen die nicht unerhebliche Gefahr, dass verschiedene neue Probleme auftauchen, deren Ursache vom Nutzer in Form des neuen Fensters gesehen wird. In Wirklichkeit liegt die Ursache meist in der unvollständigen Umsetzung eines – auch häufig nicht vorhandenen – Sanierungskonzepts.—

Der Autor

Dipl.-Ing. (FH) Ingo Leuschner ist seit seit 1997 Mitarbeiter am ift Rosenheim. Seine Tätigkeiten umfasst die technische Assistenz der Institutsleitung und die Leitung von div. Forschungsprojekten (Holzfassaden, Beschlagtechnik, Verbundaufbauten, Oberflächentechnik). Er gibt Schulungen, Seminare, Vorträge und ist seit 2014 Leiter des ift Sachverständigenzentrums nachdem er viele Jahre dort als Mitarbeiter tätig war.

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