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Wertbau liefert Elemente für das neue Berliner Schloss

XXL-Fenster für ein Jahrhundertprojekt

_ Rainer Taig hatte allen Grund zur Freude, als er die neuen Holzkastenfenster für das Berliner Schloss/Humboldt-Forum präsentierte. Dass dieses Projekt das anspruchsvollste der Firmengeschichte darstellt, erläuterte der Wertbau-Gründer mit dem neuen Führungsteam Carsten Taig, Stefan Taig und Marcel Frei Mitte August. Anhand technischer Zeichnungen und Muster erklärte Projektleiter Matthias Lachmann den Aufbau der Segmente. Die Herstellung war am Hauptsitz in Langenwetzendorf (Thüringen) live aus der Nähe zu erleben.

Großformatige Schwergewichte

Wertbau fertigt 387 Exemplare für das derzeit aufwendigste Bauvorhaben in Berlin. Außerdem liefert das Unternehmen, das mittlerweile zum AFG-Konzern gehört, Kastenfensterverkleidungen sowie raumseitige Leibungsverkleidungen. „Diese Herausforderung kommt nur einmal im Fensterherstellerleben vor,“ bilanzierte Rainer Taig den Auftrag. Ein einziges Kastenfenster wiegt ca. 700 kg. Doch das ist nur ein Superlativ. Die Außenmaße der Blendrahmen reichen in der Breite von 1847 mm bis 2831 mm. Die Höhe der Rahmen beginnt bei 1836 mm und endet bei 6607 mm. Das größte Holzkastenfenster misst mehr als dreimal so viel wie die Körperhöhe eines Menschen.

Auch die Bandbreite der Formate ist außergewöhnlich hoch: Gebaut werden mehrere Modelle und verschiedene Rahmenhöhen für verschiedene Etagen: Der größte Teil des Auftrags besteht aus etwa 90 mm dicken Innenfenstern mit Flügeln und Blendrahmen sowie 62 mm tiefen Außenfenstern. Verbunden sind Innen- und Außenflügel mit Kastenfensterverkleidungen. Als Spezialanfertigung produziert Wertbau gewölbte Kastenfenster, die dem runden Grundriss des Rondells entsprechen. Außerdem entstehen oval geformte Fenster und Blendrahmen mit zahlreichen echten, glasteilenden Sprossen.

„Wir können schon sagen, dass detailverliebte Architekten den Schlossneubau planen,“ beschrieb Projektleiter Lachmann die Anforderungen. „Alle sichtbaren Geometrien waren millimetergenau von den Architekten vorgegeben, teilweise sogar noch genauer. Die unsichtbaren Geometrien gestaltete Wertbau.“ Wie beim Design lassen die Vorgaben zur Schlagregenklasse, zur Sicherheit und zum Holz keine Wünsche offen.

Eiche aus ganz Europa

„Unser Holzlieferant Schiller hat Material für den Auftrag in ganz Europa zusammengekauft,“ verdeutlichte Taig den Aufwand, die gewünschte Eiche in ausgewählter, höchster Qualität zu beschaffen. „Ohne die exzellente Unterstützung unserer Lieferanten hätten wir das Projekt nicht stemmen können,“ ergänzte Lachmann.

Zusätzlich fertigt Wertbau drei Haustüranlagen an. Die ca. 3 m hohen Konstruktionen bestehen aus Kassettentüren, die seitlich mit Kastenfenstern ausgestattet sind.

Bis feststand, welche Farbe auf dem Eichenholz zur Fassade passt, änderten die Planer mehrfach ihre Entscheidung. Die Wahl fiel auf einen Speziallack im Farbton NCS S-1002 Y, der die Rahmen matt weiß und hellgrau schimmern lässt.

Gefragt war zudem ein brisantes Extra: Die Anfertigung von vier beschusshemmenden Fenstern mit besonders verstärkten Rahmen gemäß der Klasse FB3. Allein ein schusshemmendes Innenfenster bringt 700 kg Gewicht auf die Waage – so viel wie jedes andere komplette Holzkastenfenster samt Innen- und Außenflügeln wiegt. „Wertbau wurde in drei Wochen für den Auftrag präqualifiziert,“ erinnerte sich Carsten Taig, „weil die Ansprüche so hoch angesiedelt waren.“

Hinter dem historischen Design der Fenster verbirgt sich der aktuelle Stand der Technik: Die Innenflügel, die über zwei umlaufende Dichtrahmen verfügen, sind als Funktionsfenster zweifach isolierverglast. Davor bieten einfachverglaste Außenflügel ausreichend Schutz. Die Rahmen, die mit Glas des Typs VSG P5A ausgestattet sind, erfüllen die von den Planern geforderte Schlagregendichtigkeit der Klasse 8A. In das Holz wurden spezielle Entwässerungsrinnen eingefräst, die teils betreten werden können. Schmale Öffnungen in den Rahmen dienen der Belüftung und bieten Platz für Rollläden. Alle Innenflügel enthalten versteckte Alarmspinnen. Damit wurde in den Elementen Beschläge eingebaut, wie sie auch in einem RC2- oder zum Teil auch in RC-3-Fenster zu finden sind.

Als große Herausforderung erwies sich die Nachweispflicht zur Temperaturentwicklung zwischen Innen- und Außenfenstern, weil einige von ihnen als Entrauchungsöffnungen genutzt werden. Diese Flügel sollen motorgetrieben öffnen, wobei die Temperatur der zum Antrieb verwendeten Motore 70 °C nicht überschreiten darf. Insgesamt unterbieten die Fenster den geforderten Wärmedämmwert von 1,6 W/(m² K).

An der Fertigungsstrecke

Die Produktion der Schlossfenster begann im Mai 2015. „Pro Schicht fertigen wir etwa acht Innenfenster und fünf Außenfenster,“ nannte Stefan Taig genauere Zahlen. „Die Herstellung, an der bei uns 13 Mitarbeiter beteiligt sind, bindet im Unternehmen etwa 15 Prozent unserer Kapazität.“

Die Mitarbeiter kleben alle unterschiedlich großen Glasformate (auch die abgerundeten Scheiben zwischen den glasteilenden Sprossen) in die Flügel ein. Anschließend erfolgt die Befestigung der Bänder und Beschläge, bevor die Mitarbeiter die Fenster mit den Rahmen „verheiraten“.

Pro Flügel greifen bis zu 17 Zapfen in ebenso viele Beschläge. „Um eventuelles Flügelverzugsverhalten auszugleichen, gestalteten wir gemeinsam mit unserem Beschlagslieferanten Siegenia extra lange Sonderschließwege,“ erklärte Lachmann. „Wer ein Fenster öffnet, dreht den Griff nicht um 90°, sondern um 180°.“ Bei 20 000 Drehzyklen auf der erneuerten Dauerfunktionsprüfung hat sich der Drehflügel nur um 0,5 mm gesenkt. „Werden die Schlossfenster wie geplant nur zweimal pro Jahr zum Putzen geöffnet,“ sagte der Projektleiter lächelnd, „halten sie nahezu ewig.“

Montage am Schloss

Die ersten Exemplare sind bereits seit Sommer am Schloss zu sehen. Die Montage der Holzkastenfenster startete Anfang September und dauert voraussichtlich bis März 2016.

Monteure befestigen die Fenster mit konterverschraubten Stehbolzen an Stahlzargen, die an der Betonwand des Neubaus angebracht wurden. Jedes XXL-Modell muss komplett angehoben und installiert werden, ohne dass Flügel geöffnet oder Einzelteile abgebaut werden dürfen.

Atemberaubende Umstände

Der Auftrag, der Mensch, Material und Technik fordert, kam ungewöhnlich zustande. Wäre ein früherer Unternehmer nicht abgesprungen, hätte Wertbau das ausgeschriebene Projekt nicht realisiert. „Nach dem Ausstieg blieben für den Auftraggeber nicht viele alternative Fensterbauer übrig, die ein solches Volumen hätten stemmen können,“ erklärte Rainer Taig, der nebenbei auch noch darauf hinwies, dass das Unternehmen den Auftrag mit einer ¾ Million Euro vorfinanzierte. „Allein die Verhandlungen ab dem ersten Kontakt im September 2014 dauerten zehn Monate.“

Ein umfangreicher Schriftverkehr und viele Prüfungen begleiteten das Projekt. „Wertbau hat seine Konstruktionen vorgeschlagen, ein Prüfer kam und gab die Konstruktion frei,“ ergänzte Carsten Taig. Kaum ein Detail blieb ohne Bemusterung und Nachweisführung. Zurecht freuen sich die Fensterbauer, wenn demnächst am Jahrhundert-Schloss alle Modelle im XXL–Format eingetroffen und montiert sind.—

Henry Rasch

Bautafel

Bauvorhaben: Berliner Schloss / Humboldt-Forum

Projekt: 387 Holzkasten-Fenster plus Eingangsportal und Leibungsverkleidungen

Bauherr: Stiftung Berliner Schloss – Humboldt-Forum, Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung

Architektur: Franco Stella, Humboldt-Forum Projektgemeinschaft (FS HUF PG), Berlin

Fassade: Bilfinger Fassadentechnik GmbH

Fensterhersteller: Wertbau GmbH & Co. KG, Langenwetzendorf

Rahmenmaterial: Europäische Eiche vom Lieferanten Holz Schiller, Regen

Farbton: NCS S-1002 Y, weiß / grau lackiert, Remmers Baustofftechnik GmbH

Glasart: Innenfenster: 2-fach-Isolierglas aus VSG P5A (aus Weißglas); Außenfenster: ESG aus Weißglas. Glaslieferant: Oderglas, Müllrose

Anschlagart: Dreh, Sonderkonstruktion, Simonswerk GmbH, Rheda-Wiedenbrück

Zentralverschluss: Sonderkonstruktion, Siegenia KG

Schallschutz: 50 dB

Wärmedämmwert: gefordert: 1,6 W/(m² K)

Sonnenschutz: Warema, transparente und blickdichte Rollos

Zeitraum: 09/2014 bis voraussichtlich 12/2015

Volumen: 2,1 Mio. Euro Fenster (ohne Glas); 1,5 Mio. Euro zusätzliche Aufträge z. B. Leibungsverkleidungen etc.; 3,6 Mio. Euro insgesamt.

www.wertbau.dewww.sbs-humboldtforum.de

rund ums Schloss

Das Berliner Schloss, seit dem 19. Jahrhundert auch Berliner Stadtschloss genannt, war das zentrale Bauwerk in der historischen Mitte Berlins. 1465 wurden die ältesten Teile des originalen Schlosses errichtet, darunter die Spreefassade mit Erasmuskapelle und Turm. 1950 ließ die DDR-Führung das Schloss sprengen

Unter Verwendung rekonstruierter wesentlicher Fassaden- und Gebäudeteile des ehemaligen Berliner Stadtschlosses, einschließlich seiner Kubatur, wird seit der Grundsteinlegung am 12. Juni 2013 an ursprünglicher Stelle ein Neubau errichtet. Am 12. Juni 2015 wurde Richtfest für den vollendeten Rohbau des Schlosses samt Dachstuhl gefeiert. Der Wiederaufbau der barocken Fassaden wird durch private Spendengelder finanziert.

Nach dem Wiederaufbau des Berliner Stadtschlosses soll der Gebäudekomplex das künftige Humboldtforum mit Museen, Galerien, Bibliothek und Konferenzzentrum beherbergen, dessen Eröffnung am 14. September 2019 geplant ist.

www.berliner-schloss.de

Kurz und knapp nachgefragt bei Rainer Taig

GLASWELT – Welche Dimension hat das Projekt für Wertbau?

Rainer Taig – Fenster, wie die für das Berliner Schloss, realisieren wir in unserer 25-jährigen Firmengeschichte ein einziges Mal.

GLASWELT – Was macht die Fenster so einzigartig?

Taig – Solche anspruchsvollen Details, die von den Architekten vorgegeben waren, kommen die nächsten 100 Jahre nicht wieder in Fenstern zusammen. Das sind Jahrhundertfenster.

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